Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 lita;Beachte
Besprechung in:ÖStZB 1991, 203;Betreff
N gegen Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 17. Dezember 1986, Zl 117 - 5/86, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Lohnsteuersache
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 2.760 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, dessen Ehegattin (in der Folge nur: Ehegattin) aus einer Fremdenpension Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, bezieht als Pensionist Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die ab dem Jahr 1977 aktenkundigen Anträge auf Berücksichtigung erhöhter Sonderausgaben auf der Lohnsteuerkarte wurden jeweils rechtzeitig bis zum 31. März des folgenden Jahres für das vorangegangene Kalenderjahr von einem vom Beschwerdeführer bevollmächtigten und zur Empfangnahme von Schriftstücken aller Art ermächtigten Wirtschaftstreuhänder (in der Folge: Steuerberater) verfaßt und eingebracht. Am 28. Jänner 1980 stellte der Steuerberater für das Jahr 1979 mit der Begründung, die Ehegattin werde für das Jahr 1979 voraussichtlich einen Verlust aus ihrem Gewerbetrieb erzielen, einen Antrag auf Bescheinigung des Alleinverdienerabsetzbetrages auf der Lohnsteuerkarte des Beschwerdeführers samt allen abgabenrechtlichen Konsequenzen. In den Jahren 1980 bis 1984 wurde in den Anträgen auf Berücksichtigung erhöhter Sonderausgaben die Frage auf Gewährung des Alleinverdienerabsetzbetrages verneint. Die Ehegattin, die vom selben Steuerberater vertreten wird, der ebenfalls zur Empfangnahme von Schriftstücken ermächtigt ist, erklärte in den Jahren 1980 bis 1983 positive Einkünfte von 76.094 S, 85.222 S, 27.901 S und 39.295 S. Im Jahr 1984 erklärte sie negative Einkünfte von 22.754 S, was insbesondere darauf zurückzuführen war, daß die private Nutzung des als Fremdenpension benutzten Gebäudes erhöht wurde und gleichzeitig atypisch hohe Instandhaltungs- und Reparaturkosten anfielen.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 1985 beantragte der Steuerberater namens des Beschwerdeführers die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Frist auf Bescheinigung des Alleinverdienerabsetzbetrages, Berücksichtigung erhöhter Sonderausgaben sowie eines Freibetrages für Körperbehinderung auf der Lohnsteuerkarte, wobei er zur Begründung ausführte, wie sich erstmalig aus der mit gleicher Post eingereichten Einkommensteuererklärung der Ehegattin für das Jahr 1984 ergebe, habe diese aus ihrem Gewerbebetrieb einen Verlust erzielt. Infolgedessen seien auf der Lohnsteuerkarte des Beschwerdeführers die begehrten Eintragungen vorzunehmen. Die diesbezüglichen Anträge hätten bis zum 31. März 1985 unverschuldeterweise nicht eingebracht werden können, weil bis dahin die genaue Höhe der Einkünfte der Ehegattin nicht bekannt und auch ein Verlust nicht voraussehbar gewesen sei. Die versäumten Anträge waren dem Wiedereinsetzungsantrag beigeschlossen.
Das Finanzamt wies den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung ab, die Unkenntnis des Betriebsergebnisses der Ehegattin für das Jahr 1984 stelle kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, wodurch der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden gehindert gewesen sei, die gesetzliche Frist zur Stellung der nunmehrigen Anträge einzuhalten.
Mit Berufung wandte der Steuerberater namens des Beschwerdeführers im wesentlichen ein, unter einem Ereignis im Sinn des § 308 BAO seien nicht nur Geschehen in der Außenwelt, sondern auch Begebenheiten des Innenlebens, psychische Vorgänge wie Vergessen, Verschreiben und sich Irren und ähnliches zu verstehen. Der Umstand, daß die von der Ehegattin in den Jahren 1980 bis 1983 erzielten Einkünfte weit über der Grenze des § 33 Abs 4 EStG von 10.000 S gelegen seien und die Tatsache, daß der Verlust des Jahres 1984 diese Grenze nicht weit unterschritten habe, hätte auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erkennen lassen, daß ihm im Jahr 1984 der Alleinverdienerabsetzbetrag samt allen abgabenrechtlichen Konsequenzen zu gewähren sei. Es sei daher die im § 59 Abs 1 und § 63 Abs 1 EStG normierte Präklusionsfrist durch einen entschuldbaren Irrtum versäumt worden, was zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führen müsse. Es sei nicht zumutbar, von jedem Abgabepflichtigen, dessen Ehegatte Einkünfte in von vornherein nicht feststehender Höhe beziehe, zu verlangen, vorsorglich Anträge im Sinn der zuletzt zitierten Bestimmungen zu stellen.
Die belangte Behörde wies die Berufung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid ab, wobei sie nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und unter Hinweis auf die entscheidungswesentlichen Bestimmungen der Bundesabgabenordnung und des Einkommensteuergesetzes sowie der hiezu ergangenen hg Rechtsprechung zur Begründung ausführte, dem Beschwerdeführer könne insofern zugestimmt werden, als unter einem Ereignis im Sinn des § 308 Abs 1 BAO auch ein Tatsachenirrtum zu verstehen sei. Es sei daher nur mehr die Frage zu klären, ob der Tatsachenirrtum über die Höhe der Einkünfte der Ehegattin im Jahr 1984 als unvorhersehbar und unabwendbar, somit entschuldbar anzusehen sei. Ein dem Steuerberater unterlaufenes Verschulden sei hiebei dem Beschwerdeführer als eigenes Verschulden zuzurechnen. Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht seien die von der Ehegattin in den Jahren 1980 bis 1983 erklärten Gewinne aus der Fremdenpension keineswegs so hoch, daß für das Jahr 1984 ein Verlustergebnis von vornherein ausgeschlossen werden habe können, zumal - wie eine Einsichtnahme in den Veranlagungsakt der Ehegattin ergebe - im Jahr 1984 im Vergleich zum Jahr 1983 ein Erlösrückgang von rund 32.000 S bei gleichzeitigem Anstieg der Aufwendungen (zB Instandhaltungskosten 1983 14.741 S, 1984 44.030 S) zu verzeichnen gewesen sei. Diese besonderen Umstände hätten dem Beschwerdeführer bei ordnungsgemäßer Gebarung bereits vor dem 31. März 1985 bekannt sein müssen bzw hätten sie von ihm in Erfahrung gebracht werden können. Es dürfe hiebei nicht übersehen werden, daß die Anträge auf Berücksichtigung erhöhter Sonderausgaben auf der Lohnsteuerkarte bereits seit mehreren Jahren vom Steuerberater namens des Beschwerdeführers verfaßt und eingebracht würden und derselbe Steuerberater ebenfalls seit Jahren von der Ehegattin mit der Buchführung (elektronische Datenverarbeitung), Erstellung der Bilanzen und Abfassung der Steuererklärungen betraut werde. Somit hätte bei gehöriger Aufmerksamkeit das negative Betriebsergebnis der Fremdenpension bereits vor dem 31. März 1985 erkannt werden können. Der Tatsachenirrtum, der in der Folge zur Versäumung der Frist geführt habe, wäre daher vermeidbar gewesen. Da ein Verschulden der Partei bereits bei leichter Fahrlässigkeit vorliege, sei ein Wiedereinsetzungsgrund nicht gegeben.
In der Beschwerde wird sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
In ihrer Gegenschrift beantragt die belangte Behörde, die Beschwerde möge als unbegründet und kostenpflichtig abgewiesen werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 308 Abs 1 BAO in der bis zum 17. Juli 1987 (BGBl Nr 312/87) geltenden Fassung, die im vorliegenden Fall noch anzuwenden ist, ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten.
Nach übereinstimmender Ansicht von Lehre und Rechtsprechung (vgl Stoll, Bundesabgabenordnung, S 740 f und die dort angeführte hg Judikatur) gibt ein einem Vertreter wiederverfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann ab, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unverschuldet eingetreten ist sowie für ihn unvorhergesehen oder unabwendbar war. Ein Verschulden des Vertreters wird daher einem Verschulden des Vertretenen gleichgesetzt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 19. März 1987, Zl 86/16/0236, unter Hinweis auf seine bisherige Judikatur zur anwaltlichen Sorgfaltspflicht ausgeführt hat, hat auch ein Steuerberater die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten, daß die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Wahrnehmung von Präklusionsfristen sichergestellt wird.
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, daß der Steuerberater bereits für das Jahr 1979 innerhalb der gesetzlichen Frist einen Antrag auf Bescheinigung des Alleinverdienerabsetzbetrages auf der Lohnsteuerkarte des Beschwerdeführers samt allen abgabenrechtlichen Konsequenzen mit der Begründung gestellt hat, die Ehegattin werde in diesem Jahr voraussichtlich einen Verlust aus ihrem Gewerbebetrieb erzielen. Dem Steuerberater war somit bekannt, daß aus der Fremdenpension auch negative Einkünfte erzielt werden. Bei dieser Sachlage handelte der Steuerberater insofern auffallend sorglos, als er die im § 59 Abs 1 und § 63 Abs 1 EStG normierte Präklusionsfrist in bezug auf die steuerlichen Angelegenheiten des Beschwerdeführers nicht beachtete. Die für die im Verkehr mit der Abgabenbehörde und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt läßt ein Steuerberater aber dann außer acht, wenn er eine beim selben Klienten bereits einmal relevante Präklusionsfrist nicht wahrt. Denn bei der zumutbaren Aufmerksamkeit sind auch die subjektiven Verhältnisse desjenigen zu berücksichtigen, zu dessen Lasten die Versäumung einer Frist geht. Die belangte Behörde hat daher schon allein nach dem eben Gesagten zu Recht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verweigert.
Ganz unabhängig von den vorstehenden Überlegungen kann im Sinn der Beschwerdeausführungen aber auch keine Rede davon sein, daß der Steuerberater entschuldbar die Höhe der von der Ehegattin erzielten Einkünfte im Jahr 1984 nicht voraussehen habe können. Wie aus dem den Verwaltungsakten beigeschlossenen Bericht über eine bei derselben durchgeführte abgabenbehördliche Prüfung hervorgeht, wird der Gewinn aus der Fremdenpension durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt. Die Bücher werden vom Steuerberater mittels elektronischer Datenverarbeitung geführt. Mängel hinsichtlich der Bücher wurden vom Prüfer nicht festgestellt. Da die Ehegattin die Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten berechnet, muß die Höhe der Entgelte, der Umsatzsteuer, der Vorsteuern und somit der Zahllast für das Jahr 1984 - von geringfügigen Fehlern abgesehen - bereits am 10. Feber 1985 festgestanden sein. Damit hätte der Steuerberater aber bereits vor dem 31. März 1985 feststellen können, daß im Jahr 1984 voraussichtlich aus der Fremdenpension ein Verlust erzielt werde. Dies umso mehr, als in den Bilanzen der Ehegattin weder Warenvorräte noch Forderungen und Verbindlichkeiten aus Lieferungen bzw Leistungen ausgewiesen werden. Eine derartige Vorgangsweise wäre dem Steuerberater sehr wohl zumutbar gewesen. Die Unterlassung derselben stellt ebenfalls eine grob fahrlässige Pflichtverletzung des berufsmäßigen Parteienvertreters dar.
Der Beschwerdeführer behauptet zwar, die belangte Behörde hätte ihm Erhebungsergebnisse nicht vorgehalten, ohne jedoch konkret auszuführen, um welchen ihm nicht bekannten Sachverhalt es sich handle und zu welchen im Spruch anders lautenden Bescheid die belangte Behörde hätte kommen können.
Was schließlich die Behauptungen betrifft, der Steuerberater hätte keinen Auftrag gehabt, für den Beschwerdeführer einen Antrag auf Bescheinigung des Alleinverdienerabsetzbetrages auf der Lohnsteuerkarte zu stellen und der Steuerberater sei gar nicht befugt gewesen, fremde Daten (gemeint wohl die Höhe der Einkünfte der Ehegattin) zu verwerten, genügt es darauf hinzuweisen, daß der Steuerberater jahrelang für den Beschwerdeführer und die Ehegattin bei der Abgabenbehörde eingeschritten ist und - wie erwähnt - bereits für das Jahr 1979 einen Antrag auf Bescheinigung des Alleinverdienerabsetzbetrages auf der Lohnsteuerkarte des Beschwerdeführers gestellt hat. Das zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Steuerberater bestehende Auftragsverhältnis umfaßt die Vertretung "in allen steuerlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten gegenüber den zuständigen Behörden" und damit auch den Auftrag, begünstigende Anträge fristgerecht zu stellen. Von einem ausschließlich auf Anträge auf Berücksichtigung erhöhter Sonderausgaben auf der Lohnsteuerkarte eingeschränkten Vollmachtsverhältnis kann daher keine Rede sein. Einem Abgabepflichtigen, der die Bescheinigung des Alleinverdienerabsetzbetrages auf der Lohnsteuerkarte beantragt, obliegt es nachzuweisen, daß der Ehegatte entweder keine oder Einkünfte von insgesamt nicht mehr als 10.000 S (bis zum Jahr 1988) jährlich bezieht. Daß dabei "fremde Daten" zu verwerten sind, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Dem Steuerberater ist somit vorzuwerfen, daß er es unterlassen hat, bis zum 31. März 1985 die Höhe der Einkünfte der Ehegattin festzustellen oder deren Feststellung und Mitteilung durch den Beschwerdeführer zu veranlassen.
Die Beschwerde erweist sich sohin insgesamt als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl Nr 206, insbesondere deren Art III.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1987140030.X00Im RIS seit
17.09.1990Zuletzt aktualisiert am
17.05.2009