TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/17 89/15/0019

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Veröffentlicht am 17.09.1990
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

EStG 1972 §4 Abs1;
EStG 1972 §4 Abs4;
UStG 1972 §12 Abs2 Z1;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1991, 226;

Betreff

Präsident der Finanzlandesdirektion für Steiermark gegen Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom 11. Oktober 1988, Zl. B 78-3/88, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1984 und 1985 (mitbeteiligte Partei: N jun als eingeantworteter Alleinerbe nach N sen):

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der am 9. November 1988 verstorbene N sen war Transportunternehmer. Er beschäftigte unter anderem seinen Sohn und seine Tochter als Arbeitnehmer im eigenen Betrieb in X. In den Jahren 1984 bis 1986 wurde das betrieblich genutzte Garagengebäude mit einem Gesamtaufwand von S 1,448.000,-- aufgestockt. Die in dem neuen Teil des Gebäudes errichteten Wohnungen im Ausmaß von ca. 112 bzw. ca. 97m2 wurden in das Betriebsvermögen aufgenommen und den beiden Kindern des N sen ohne schriftliche Vereinbarung als sogenannte "Arbeitnehmerwohnungen" zur Verfügung gestellt. Gewinn und Verlust des Unternehmens wurden gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1972 ermittelt.

Anläßlich einer abgabenbehördlichen Prüfung vertrat das Finanzamt in den im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Bescheiden für die Streitjahre die Rechtsansicht, bei mittleren Gewerbebetrieben in der Größenordnung des gegenständlichen Transportunternehmens sei die Zurverfügungstellung von Dienstwohnungen nach der Verkehrsauffassung nicht üblich. Für die Errichtung und Zurverfügungstellung der Wohnungen an die Kinder des damaligen Betriebsinhabers sei deren Wohnversorgung ausschlaggebend gewesen. Fremden Arbeitskräften wären angesichts der finanziellen Lage des Betriebes (die Bilanz zum 31. Dezember 1985 weist ein Unterkapital von über S 5,3 Mio auf) Wohnungen in der gegebenen Wohnungsgröße nicht zur Verfügung gestellt worden.

In der gegen diese Bescheide erhobenen Berufung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß die ständige Anwesenheit der beiden Dienstnehmer betrieblich erforderlich gewesen sei und daß dieses Ziel nur durch Bereitstellung der beiden Wohnungen hätte erreicht werden können. Der Sohn des Betriebsinhabers sei als Kfz-Mechaniker für die ständige Wartung des aus sieben Lastwagenzügen bestehenden Fuhrparks verantwortlich und werde fallweise auch als Kraftfahrer eingesetzt. Wenn ein Lastwagenzug unterwegs eine Panne habe oder in einen Unfall verwickelt werde, müsse der Sohn sofort einsatzbereit sein. Die Tochter sei ab 1. Juni 1979 als Büroangestellte aufgenommen worden, da die Ehegattin des Betriebsinhabers ab diesem Zeitpunkt die schriftlichen Arbeiten nicht mehr alleine habe bewältigen können. Viele Arbeiten seien, um keine unnötigen Verzögerungen bei der Weiterfahrt zu verursachen, auch in der Nacht zu erledigen (Übernahme der Frachtpapiere, Abfertigung der Fahrer udgl.), weshalb auch die ständige Anwesenheit der Tochter erforderlich sei. Der Sohn sei verheiratet und habe zwei Kinder. Bis zum Bezug der Wohnung habe die Schwiegertochter ihren Wohnsitz bei ihren Eltern gehabt. Die Tochter habe ein Kind und werde demnächst den Kindesvater heiraten. Beide Wohnungen würden "sicher" weiterhin ausschließlich als Dienstwohnungen verwendet werden.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung hinsichtlich der Umsatzsteuer für die Streitjahre teilweise Folge; nämlich insoweit, als die Errichtung der dem Sohn des Betriebsinhabers zur Verfügung gestellten Wohnung als betrieblich veranlaßt angesehen und somit zum notwendigen Betriebsvermögen gezählt wurde. Die auf diese Wohnung entfallenden Vorsteuerbeträge in Höhe von S 1.868,-- im Jahre 1984 bzw. in Höhe von S 64.954,-- im Jahre 1985 wurden im Gegensatz zu den auf die Wohnung der Tochter des Betriebsinhabers entfallenden Vorsteuerbeträgen als gemäß § 12 Abs. 1 UStG 1972 abzugsfähig erachtet. Dies im wesentlichen mit folgender Begründung:

Da der Betriebsinhaber seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1972 ermittle, sei zu untersuchen, ob die von ihm errichteten Wohnungen notwendiges Betriebsvermögen oder notwendiges Privatvermögen darstellten. Das notwendige Betriebsvermögen umfasse alle Wirtschaftsgüter, die schon ihrer objektiven Beschaffenheit nach dem Betrieb zu dienen bestimmt seien und ihm auch tatsächlich dienten, d.h. betrieblich verwendet würden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien dabei die Zweckbestimmung des Wirtschaftsgutes, die Besonderheiten des Betriebes und des Berufszweiges des Steuerpflichtigen sowie die Verkehrsauffassung maßgebend. Im vorliegenden Fall sei eine bereits bestehende, betrieblich genutzte Garage aufgestockt worden. In dem neuen Gebäudeteil seien zwei Wohnungen geschaffen worden, die unbestrittenermaßen nicht unmittelbar betrieblichen Zwecken dienten. Der einzige erkennbare Zusammenhang dieses Gebäudeaufbaues zum Betrieb liege darin, daß die Wohnungen den beiden Kindern des Betriebsinhabers, deren Dienstverhältnisse auch abgabenbehördlich anerkannt würden, zur Verfügung gestellt worden seien. Auf Grund der Größe der Wohnungen seien diese durchaus als "endgültige" Familienwohnungen geeignet. Zum Zeitpunkt der Errichtung der Wohnungen habe auch zweifelsohne ein Wohnbedürfnis der beiden Kinder des Betriebsinhabers bestanden. Da nach Ansicht des Berufungssenates für die Betreuung des aus sieben Lkw-Zügen bestehenden Fuhrparks tatsächlich die ständige Einsatzbereitschaft eines Kfz-Mechanikers erforderlich sei, sei die Errichtung der dem Sohn zur Verfügung gestellten Wohnung als betrieblich veranlaßt anzusehen und stelle somit notwendiges Betriebsvermögen dar. Daraus ergebe sich gemäß § 12 Abs. 1 UStG 1972 die Abzugsfähigkeit der auf die Errichtung dieser Wohnung entfallenden Vorsteuerbeträge. Da sowohl der Betriebsinhaber als auch seine Ehegattin damals am Betriebsort gewohnt hätten, sei es jedoch nicht erforderlich gewesen, daß auch die Tochter für Tätigkeiten wie die Übernahme der Frachtpapiere, die Abfertigung der Fahrer und dgl. außerhalb der Arbeitszeit zur Verfügung stehe. Die Errichtung der zweiten, der Tochter zur Verfügung gestellten Wohnung sei somit nicht betrieblich, sondern überwiegend privat veranlaßt, die darauf entfallenden Vorsteuerbeträge daher nicht abzugsfähig. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, daß bis zum Jahre 1980 ständig zwei familienfremde Dienstnehmer im privaten Wohnhaus des Betriebsinhabers und seiner Ehegattin gewohnt hätten und derzeit noch ein Dienstzimmer für Ausnahmefälle zur Verfügung stehe. Auch daraus sei nämlich nur ersichtlich, daß für fremde Dienstnehmer bestenfalls Zimmer im bereits bestehenden Wohnhaus zur Verfügung gestellt würden, niemals aber eine Wohnung in der Größe von 97 m2. Eine schriftliche Vereinbarung über die Räumung der Wohnung für den Fall der Beendigung des Dienstverhältnisses liege nicht vor. Sollte eine spätere Räumung der Wohnung tatsächlich zu einer Nutzungsänderung führen, so könne damit die ursprüngliche private Veranlassung, die für die Errichtung dieser Wohnung ausschlaggebend gewesen sei, nicht mehr beseitigt werden.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Steiermark. Der beschwerdeführende Präsident erachtet als rechtswidrig, daß die Wohnung des Sohnes des Betriebsinhabers als notwendiges Betriebsvermögen angesehen wurde und daß als Konsequenz hievon die auf die Errichtung dieser Wohnung entfallenden Vorsteuerbeträge gemäß § 12 UStG 1972 zum Abzug zugelassen wurden. Im besonderen könne der Ansicht des Berufungssenates nicht gefolgt werden, daß für die Betreuung des aus sieben Lkw-Zügen bestehenden Fuhrparks die ständige Einsatzbereitschaft eines Kraftfahrzeugmechanikers erforderlich sei. Im Falle einer Panne oder eines Unfalles eines unterwegs befindlichen Lkw-Zuges müsse es nämlich gleichgültig sein, ob der Sohn des Betriebsinhabers unmittelbar vom Betriebsort oder von seinem Wohnort aus zu dem Einsatzort gelange. Am Betriebsort selbst könnten nach dem Ergebnis der mündlichen Berufungsverhandlung ohnedies nur die herkömmlichen Wartungsarbeiten durchgeführt werden. Getriebe- und Motorschäden müßten in jedem Fall in einer fremden Werkstätte behoben werden. Gegen die Notwendigkeit der ständigen Anwesenheit des Sohnes am Betriebsort spreche auch, daß er bei Ausfall eines Fahrers selbst als Kraftfahrer tätig werde und somit auch während der normalen Arbeitszeit nicht ständig im Betrieb erreichbar bzw. einsatzbereit sei. Aus all dem ergebe sich, daß andere als betriebliche Gründe für die Errichtung der dem Sohn des Betriebsinhabers zur Verfügung gestellten Wohnung überwogen hätten.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Bedachtnahme auf die Gegenschrift der mitbeteiligten Partei erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 2 Z. 1 UStG 1972 in der für die Streitjahre maßgebenden Fassung gelten Lieferungen oder sonstige Leistungen in Zusammenhang mit der Errichtung oder Erhaltung von Gebäuden insoweit als für das Unternehmen ausgeführt, als die Entgelte hiefür nach den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften Betriebsausgaben (d.s. durch den Betrieb veranlaßte Aufwendungen oder Ausgaben) oder Werbungskosten sind.

Voraussetzung für die Zurechnung eines Wirtschaftsgutes zum Betriebsvermögen eines Gewinn und Verlust gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1972 ermittelnden Unternehmers ist grundsätzlich, daß das Wirtschaftsgut seiner objektiven Beschaffenheit nach dem betreffenden Betrieb zu dienen bestimmt ist und diesem Betrieb auch tatsächlich dient, d.h. betrieblich verwendet wird. Stellt ein Unternehmer einem seiner Angestellten für dessen Wohnzweck eine Eigentumswohnung zur Verfügung, so dient die Wohnung nur dann betrieblichen Zwecken, wenn für die Einräumung des Wohnrechtes ausschließlich oder doch zumindest überwiegend betriebliche Erwägungen maßgebend sind. Der Umstand, daß Eltern häufig bestrebt sind, ihren Kindern eine vom ursprünglich gemeinsamen Haushalt getrennte Wohnmöglichkeit zu beschaffen und daß dafür in der Regel Beweggründe maßgebend sind, die im familiären Bereich wurzeln, schließt allerdings an sich noch nicht aus, daß in einzelnen Fällen der Wohnungsbeschaffung die familiären Beweggründe in den Hintergrund treten und eine getrennte Wohnmöglichkeit nur wegen eines zwischen Eltern und Kind bestehenden Dienstverhältnisses geboten wird (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 12. November 1985, Zl. 83/14/0217).

Daß im vorliegenden Fall die familiären Beweggründe für die Errichtung der dem Sohn des verstorbenen Betriebsinhabers zur Verfügung gestellten Wohnung gegenüber betrieblichen Beweggründen in den Hintergrund getreten seien, schließt die belangte Behörde der Begründung des angefochtenen Bescheides zufolge letztlich daraus, daß für die Betreuung des aus sieben Lkw-Zügen bestehenden Fuhrparks die ständige Einsatzbereitschaft des Sohnes als Kraftfahrzeugmechaniker erforderlich gewesen sei.

Dieser Gedankengang erscheint dem Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht schlüssig. Zwar mag es aus betrieblicher Sicht durchaus zweckmäßig sein, wenn ein Arbeitnehmer, von dessen zu unregelmäßigen Zeiten anfallenden Wartungsleistungen notwendige betriebliche Funktionen abhängen, direkt am Betriebsort wohnt, die entscheidende Frage ist jedoch die, ob der verstorbene Betriebsinhaber die dem Sohn zur Verfügung gestellte Wohnung auch für einen nicht mit ihm verwandten Arbeitnehmer mit der Qualifikation als Kfz-Mechaniker errichtet hätte. Dies ist zu verneinen, weil im vorliegenden Fall keine schriftliche Vereinbarung über die Nutzung der beiden Wohnungen nach einer eventuellen Auflösung des Dienstverhältnisses oder nach einer möglichen Betriebsübernahme getroffen wurde, was gegen den in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa die bei Schubert-Pokorny-Schuch, Einkommensteuerhandbuch, Tz 9 zu § 2, zitierten hg. Erkenntnisse) vom Verwaltungsgerichtshof vertretenen Grundsatz verstößt, daß Verträge zwischen nahen Angehörigen für den Bereich des Steuerrechtes nur Anerkennung finden, wenn sie

1.

nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen,

2.

eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt haben und

              3.              auch zwischen Familienfremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wären.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem auch ausgesprochen, daß es nach der Verkehrsauffassung bei Betrieben von nur mittlerer Größe unüblich ist, Arbeitnehmern Dienstwohnungen zur Verfügung zu stellen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1989, Zl. 88/14/0204).

Unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Beschwerdefalles läßt sich sohin nicht sagen, daß ein Ausnahmsfall vorliegt, in dem die familiären Beweggründe für die Errichtung einer Wohnung gegenüber den betrieblichen Erfordernissen entscheidend in den Hintergrund getreten sind.

Damit erweist sich jedoch der angefochtene Bescheid als mit der vom beschwerdeführenden Präsidenten behaupteten Rechtswidrigkeit belastet. Wegen der insoweit gegebenen Untrennbarkeit mußte daher der angefochtene Bescheid, soweit er die Umsatzsteuern für die Streitjahre betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989150019.X00

Im RIS seit

17.09.1990

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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