TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/18 90/05/0063

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Veröffentlicht am 18.09.1990
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §33;
BauO NÖ 1976 §103;
BauO NÖ 1976 §109;
BauRallg;
VwRallg;

Betreff

N gegen Niederösterreichische Landesregierung vom 15. Februar 1990, Zl. R/1-V-83169/7, betreffend Verlängerung der Gültigkeitsdauer einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister).

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

In ihrer Gegenschrift an den Verwaltungsgerichtshof verweist die belangte Behörde darauf, daß der Originalbauakt 1987 oder 1988 in Verstoß geraten, es aber gelungen sei, diesen Akt in seinen wesentlichen Teilen durch Kopien zu rekonstruieren. Der beim Verwaltungsgerichtshof so vorgelegte Verwaltungsakt beginnt mit der Niederschrift über eine am 31. August 1976 durchgeführte Bauverhandlung betreffend "Dacherneuerung und Zubau d. Kellers". In dieser Niederschrift wird das Bauvorhaben wörtlich wie folgt beschrieben:

"Über dem Objekt auf der Parz. Nr. (Preßhaus und Keller) soll der total schlechte Dachstuhl zur Gänze abgetragen werden und in vergrößerter Form wieder aufgestellt werden.

Der vergrößerte Dachraum erstreckt sich auf den Keller hinter der Straße und wird als Lagerraum ausgestattet.

Die Wiedereindeckung des Holzdachstuhles erfolgt mit Wiener Taschen Dachziegel.

Gegen die Straße zu erfolgt absolut keine Änderung."

Sodann wird darin festgestellt, daß ein erschienener Anrainer keine Einwendungen erhebe, ein anderer Anrainer fernmündlich erklärt habe, keine Einwendung zu erheben und die Niederschrift nachträglich zu unterfertigen. Gegen die Erteilung der Baubewilligung bestünden keine Bedenken, nach Fertigstellung sei um die Benützungsbewilligung anzusuchen. Dem Ansuchen um Erteilung der Benützungsbewilligung seien ordnungsgemäße Ausführungspläne in zweifacher Ausfertigung beizuschließen. (Dem Bauansuchen selbst dürften der Aktenlage nach keine Baupläne angeschlossen gewesen sein.) In einer am 21. September 1987 aufgenommenen, bei den Verwaltungsakten erliegenden Niederschrift erklärte die damalige Schriftführerin als Zeugin, sie glaube, daß bei der Bauverhandlung kein Bauplan vorgelegt und die Vorlage eines Bauplanes (erst) vom Sachverständigen verlangt worden sei; dieser Plan sollte nachgereicht werden. Es sei damals öfter der Fall gewesen, daß für kleinere Bauangelegenheiten, wie insbesondere Ausbesserungen, bei der Bauverhandlung die Baupläne nicht vorgelegt worden seien.

Mit Bescheid vom 5. September 1976 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die baubehördliche Bewilligung für die Dacherneuerung und für einen Zubau zum Keller. (Das hiebei verwendete Formular ist unvollkommen ausgefüllt, so fehlt etwa die Angabe der Grundstücksbezeichnung, eine Zustellverfügung an Anrainer. Jener Teil des Formulars, der eine Verfügung bezüglich Pläne vorsieht, blieb unausgefüllt.)

Ob in der Folge Pläne vorgelegt worden sind, kann den vorgelegten Verwaltungsakten nicht entnommen werden. Am 15. November 1981 wurde vom Bürgermeister ein Bescheid betreffend "Verlängerung der Baubewilligung" mit folgendem Wortlaut erlassen:

"Herrn N, wohnhaft in 1030 Wien, Landstraßer Gürtel n/n, wird die Baubewilligung AZ. 28/76, vom 5.9.1976, (Dacherneuerung und Zubau z. Keller) in der KG. X, um weitere 5 Jahre verlängert."

Mit Verfügung des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 30. März 1983 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, den Bau sofort einzustellen, da die Baubewilligung vom 5. September 1976 abgelaufen sei. Nach der NÖ. Bauordnung sei eine Baubewilligung, wenn binnen zwei Jahren mit dem Bau nicht begonnen wurde, erloschen. Der Beschwerdeführer habe den Baubeginn der Baubehörde nicht bekanntgegeben und Pläne, die bei Erteilung der Baubewilligung bzw. Bauverhandlung vorzulegen wären, seien bis jetzt nicht vorgelegt worden. Es sei daher neuerlich um Baubewilligung anzusuchen. (Auf den Bescheid vom 15. November 1981 betreffend die Verlängerung der Baubewilligung wurde nicht Bezug genommen.)

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wies der Gemeinderat mit Bescheid vom 17. August 1983 ab. Einem nicht unterfertigten Aktenvermerk vom 1. August 1983 kann entnommen werden, daß Organwalter der Gemeinde bemüht waren, festzustellen, "was eigentlich seinerzeit Gegenstand der Baubewilligung tatsächlich war".

Der gegen diesen Berufungsbescheid erhobenen Vorstellung gab die NÖ. Landesregierung mit Bescheid vom 24. Oktober 1984 statt. Sie behob die letztinstanzliche Erledigung der Gemeinde und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat. Die Aufsichtsbehörde stellte insbesondere fest, daß sich der Gemeinderat mit dem Bescheid des Bürgermeisters vom 15. November 1981 nicht auseinandergesetzt habe und auch ein Ermittlungsverfahren über den Baubeginn bisher unterblieben sei.

Erst nach Erhebung einer Säumnisbeschwerde wies der Gemeinderat mit Bescheid vom 15. Mai 1986 neuerlich die Berufung des Beschwerdeführers ab und erteilte diesem den Auftrag, die Baustelle entsprechend abzusichern und fehlende Unterlagen vorzulegen. Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Vorstellung gab die NÖ. Landesregierung mit Bescheid vom 16. Juli 1986 Folge, behob den Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit neuerlich zur Entscheidung an den Gemeinderat. Mit Bescheid vom 9. Februar 1987 behob daraufhin der Gemeinderat die erstinstanzliche Baueinstellung und verwies die Sache zur neuerlichen Durchführung eines Beweisverfahrens und Entscheidung an die Baubehörde erster Instanz. Eine dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Vorstellung wies die NÖ. Landesregierung mit Bescheid vom 31. März 1987 als unbegründet ab.

In der Folge führte die Baubehörde erster Instanz Verhandlungen durch. Einvernehmlich mit dem Beschwerdeführer wurde ein Geometer mit einer Planerstellung betraut.

Mit Schriftsatz vom 7. März 1988 beantragte der Beschwerdeführer eine Verlängerung der Frist für die Vollendung des Bauvorhabens bis 15. März 1993. Er begründete sein Ansuchen damit, daß ihm durch den Baueinstellungsbescheid vom 30. März 1983 die Möglichkeit entzogen worden sei, die ihm zustehende fünfjährige Ausführungsfrist zu nützen. Er sei an der rechtzeitigen Fertigstellung des Baues gehindert worden.

Mit Bescheid vom 13. April 1988 lehnte der Bürgermeister die neuerliche Verlängerung der Baubewilligung vom 5. September 1976 mit der Begründung ab, daß die Baufläche laut rechtskräftigem Flächenwidmungsplan im Grünland liege und die vorgeschriebenen Antragsbeilagen bisher nicht vorgelegt worden seien.

Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers bestätigte der Gemeinderat mit Bescheid vom 16. August 1988 die erstinstanzliche Erledigung. Zur Begründung wurde ausgeführt, aus den in der Bauverhandlung vom 21. September 1987 vorgelegten Bauplänen ergebe sich eindeutig, daß das Bauvorhaben im Grünland errichtet worden sei bzw. errichtet werden soll. Nach dem vorgelegten Geometerplan reiche das Bauvorhaben mindestens 8,59 m in das vorgesehene Grünland hinein.

Der dagegen eingebrachten Vorstellung gab die NÖ. Landesregierung mit Bescheid vom 23. März 1989 Folge, behob den Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat mit der Begründung, daß sich der Gemeinderat mit den Berufungsausführungen nicht auseinandergesetzt und das vom Geometer erstellte Gutachten dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht habe.

In der Folge wurde dem Beschwerdeführer Parteiengehör gewährt.

Mit Bescheid vom 21. September 1989 entschied der Gemeinderat über den Antrag des Beschwerdeführers betreffend die Verlängerung der Baubewilligung wörtlich wie folgt:

"Dem Antrag des N um Verlängerung der Frist für die Vollendung des Bauvorhabens der ursprünglich erteilten Baubewilligung vom 5.9.1976 wird nicht Folge gegeben."

Im wesentlichen wurde ausgeführt, aus dem Bauakt ergebe sich, daß die Verlängerung der Baubewilligung aus dem Jahre 1976 am 9. Februar 1981 beantragt worden sei. Schon aus dem Datum der Antragstellung auf Verlängerung sei zu schließen, daß es sich lediglich um einen Antrag auf Verlängerung der Bauvollendungsfrist handeln könne, zumal die Baubeginnsfrist bereits abgelaufen gewesen wäre. Ein neuerlicher Antrag auf Verlängerung der Bauvollendungsfrist hätte daher spätestens am 15. November 1986 gestellt werden müssen. Der nunmehr gestellte Antrag sei daher verspätet, weshalb das Recht auf Bebauung erloschen sei und nicht mehr verlängert werden könne. Im Hinblick auf den geltenden Flächenwidmungsplan wurde noch darauf hingewiesen, daß die Erteilung einer Baubewilligung im Hinblick auf die gegebene Flächenwidmung Grünland nicht in Betracht komme.

Die dagegen vom Beschwerdeführer eingebrachte Vorstellung wies die NÖ. Landesregierung mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 15. Februar 1990 als unbegründet ab. Die Gemeindeaufsichtsbehörde teilte die Ansicht des Gemeinderates, daß die Entscheidung des Bürgermeisters vom 15. November 1981 nur als Verlängerung der Bauvollendungsfrist um fünf Jahre zu qualifizieren sei. Es dürfe ja keiner behördlichen Entscheidung von vornherein ein rechtswidriger Inhalt unterstellt werden (eine Verlängerung der Baubeginnsfrist wäre nach ihrem Ablauf nicht mehr zulässig gewesen). Daraus folge aber zwangsläufig, daß die Antragstellung auf die (neuerliche) Verlängerung der Bauvollendungsfrist vom 8. März 1988 verspätet erfolgt und dieser Antrag daher zu Recht abgewiesen worden sei. Die Entscheidung des Bürgermeisters vom 15. November 1981 stelle keinesfalls eine originäre Baubewilligung dar, sei sie doch unmißverständlich als Verlängerung der Baubewilligung vom 5. September 1976 bezeichnet. Eine Baubeginnsfrist sei damit nicht neuerlich in Lauf gesetzt worden. Angesichts dieser Sach- und Rechtslage erübrige sich ein Eingehen auf das weitere Vorstellungsvorbringen.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Verlängerung einer Frist für die Vollendung eines Bauvorhabens gemäß § 103 Abs. 6 der NÖ. Bauordnung 1976 verletzt.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ergibt sich schon daraus, daß die belangte Behörde übersehen hat, daß der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit seinem Bescheid vom 21. September 1989 nicht über die Berufung des Beschwerdeführers entschieden hat, sondern über seinen Antrag auf Verlängerung der Frist für die Vollendung des Bauvorhabens. Für eine solche Entscheidung war aber der Gemeinderat nicht zuständig, weil über diesen Antrag bereits der Bürgermeister entschieden hatte und der Gemeinderat auf Grund des Bescheides der NÖ. Landesregierung vom 23. März 1989 verpflichtet gewesen wäre, neuerlich über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid zu entscheiden. Da die belangte Behörde diese Unzuständigkeit des Gemeinderates nicht wahrgenommen hat, hat sie schon aus diesem Grunde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der belangten Behörde, daß der Bescheid vom 15. November 1981 lediglich eine Verlängerung der Bauvollendungsfrist zum Gegenstand hatte. Für diese Auslegung des Bescheides spricht schon die Textierung des § 103 Abs. 6 der NÖ. Bauordnung 1976, wonach die FRIST für die Vollendung des Bauvorhabens auf Antrag des Bewilligungswerbers zu verlängern ist, wenn er glaubhaft macht, daß er an der rechtzeitigen Fertigstellung gehindert und die Vollendung innerhalb einer angemessenen Nachfrist möglich ist. An sich beträgt diese Vollendungsfrist nach § 103 Abs. 1 letzter Satz der NÖ. Bauordnung 1976 fünf Jahre nach Beginn der Ausführung. Die Baubeginnsfrist beträgt nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle dagegen zwei Jahre nach Rechtskraft des Bescheides. Eine Verlängerung der Baubewilligung ganz allgemein sieht das Gesetz nicht vor, sondern nur Verlängerungen der Baubeginnsfrist bzw. der Bauvollendungsfrist. Wenn die belangte Behörde angesichts dieser Rechtslage von einer Verlängerung der Bauvollendungsfrist ausgegangen ist, so hat sie durch diese gesetzeskonforme Auslegung des Bescheides vom 15. November 1981 Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt.

Soweit der Beschwerdeführer davon ausgeht, daß durch die verfügte Baueinstellung die "Antragsfrist gehemmt" sei, will er damit offensichtlich zum Ausdruck bringen, daß für die Dauer des Baueinstellungsverfahrens ein Antrag auf neuerliche Verlängerung der Bauvollendungsfrist nicht hätte gestellt werden müssen. Ein solches Institut der Hemmung des Laufes von Fristen kennt aber die NÖ. Bauordnung 1976 nicht, sodaß, um den Ablauf der Frist zu verhindern, rechtzeitig vor Ablauf der verlängerten Bauvollendungsfrist ein neuerlicher Antrag hätte gestellt werden müssen, zumal die erfolgte Baueinstellung einem solchen Antrag nicht entgegensteht. Auch mit diesem Argument konnte daher der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht dartun. Damit aber war der im Jahre 1988 gestellte Antrag auf Verlängerung der Bauvollendungsfrist als verspätet eingebracht zu beurteilen.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG mit einer Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit vorzugehen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderliche Stempelgebühren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990050063.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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