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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §167 Abs2;Beachte
Besprechung in: ÖStZB 1991, 240;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 20. Februar 1989, GZ GA 5 - 1887/88, betreffend Lohnsteuernachforderungen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Bei der Beschwerdeführerin fand am 1. April 1987 eine Lohnsteuerprüfung für die Zeit vom 1. Jänner 1983 bis 31. Dezember 1985 statt. Im Rahmen derselben wurde auf eine Abfertigung, die an den Arbeitnehmer Albert R ausbezahlt und nach den Bestimmungen des § 67 Abs. 6 EStG 1972 versteuert worden war, der Lohnsteuertarif mit der Begründung angewendet, daß der in der zitierten Gesetzesbestimmung vorgesehene "Nachweis" "für Vordienstzeiten" fehle. Die sich aus dieser Vorgangsweise ergebende Abgabennachforderung wurde mit Haftungs- und Zahlungsbescheid vom Finanzamt zur Vorschreibung gebracht.
Innerhalb offener Frist erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid Berufung, in welcher sie im wesentlichen ausführte:
Richtig sei, daß Albert R einen "direkten Nachweis" über den Erhalt bzw. Nichterhalt einer Abfertigung von der Stahlbaufirma O (bei dieser war der Genannte als Arbeitnehmer, was nicht in Streit steht, vom 13. Dezember 1948 bis 13. Oktober 1965 beschäftigt) nicht vorgelegt habe. Auf Grund der glaubhaften, durch Urkunden belegten Angaben des R und "im Hinblick auf die besondere Situation" - "die Firma O befand sich zunächst in einem Ausgleichsverfahren, es erfolgte sodann die Eröffnung des Anschlußkonkurses über ihr Vermögen, und es kam schließlich zum Abschluß eines Zwangsausgleiches" - sei der Nichterhalt einer Abfertigung von der Beschwerdeführerin als nunmehrige Dienstgeberin für gegeben erachtet worden.
Der Masseverwalter habe das Zurechtbestehen einer von Albert R angemeldeten Forderung von S 67.719,99 mit Äußerung vom 20. Juli 1966 anerkannt. Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 4. November 1966 sei der zwischen der Firma O und deren Gläubigern abgeschlossene Zwangsausgleich bestätigt worden. Masseforderungen sowie in die erste und zweite Konkursklasse fallende Ansprüche hätten eine volle Befriedigung erfahren, die Konkursgläubiger der dritten Klasse hätten aber nur eine 20%ige Quote erhalten.
Demgemäß habe R zur Abgeltung seiner Forderung aus laufenden Bezügen S 14.400,-- und hinsichtlich des Restbetrages von S 53.319,99 lediglich eine 20%ige Quote, das sei S 10.664,-- bekommen.
"Der Nichterhalt" einer Abfertigung des R für dessen Beschäftigungszeit bei der Firma O stehe "somit außer Frage".
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung abgewiesen und begründend dargelegt:
In der Bestimmung des § 67 Abs. 6 EStG 1972 werde hinsichtlich der dort normierten Begünstigung betreffend Abfertigungen der NACHWEIS über die zurückgelegten Dienstzeiten verlangt. Dieser Nachweis sei dem Lohnkonto anzuschließen. Eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Fakten allein genüge nicht.
Im vorliegenden Fall sei lediglich strittig, ob ein entsprechender Nachweis von dem betreffenden Arbeitnehmer erbracht worden sei oder nicht.
Tatsächlich habe R im Zuge des Konkursverfahrens "eine Forderung an den früheren Arbeitgeber in Höhe von
S 67.719,99 ... angemeldet". Davon habe er, wie in der Berufung ausgeführt werde, nur einen Bruchteil erhalten. Das Finanzamt habe im Zuge des Berufungsverfahrens durch eine Anfrage an das Handelsgericht Wien zu klären versucht, ob in dem angemeldeten Betrag bzw. in den an R ausbezahlten Beträgen "Teile einer Abfertigung enthalten sind". Das Handelsgericht Wien sei jedoch nicht in der Lage gewesen eine entsprechende Auskunft zu erteilen, weil die betreffenden Akten "mittlerweile vernichtet worden" seien.
Demnach ergebe sich, daß der in § 67 Abs. 6 EStG 1972 geforderte Nachweis im Streitfall nicht habe erbracht werden können. Da jedoch eine "bloße Glaubhaftmachung" nicht ausreiche, habe dem Berufungsbegehren nicht entsprochen werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Den Nachweis über die im Sinne des § 67 Abs. 6 EStG 1972 zu berücksichtigende Dienstzeit sowie darüber, ob und in welcher Höhe Abfertigungen im Sinne des Absatzes 3 oder dieses Absatzes bereits früher ausbezahlt worden sind, hat der Arbeitnehmer gemäß der zitierten Gesetzesstelle zu erbringen; bis zu welchem Zeitpunkt zurück die Dienstverhältnisse nachgewiesen werden, bleibt dem Arbeitnehmer überlassen. Der Nachweis ist vom Arbeitgeber zum Lohnkonto zu nehmen.
Im Beschwerdefall stellt die belangte Behörde mit keinem Wort in Streit, daß Albert R vor seinem Dienstverhältnis bei der Beschwerdeführerin in der Zeit vom 13. Dezember 1948 bis 13. Oktober 1965 Arbeitnehmer der Firma O war. Sie vertritt jedoch die Auffassung, daß die Abfertigung, welche der Genannte bei seinem Ausscheiden aus den Diensten der Beschwerdeführerin nunmehr erhielt, deshalb nach dem Lohnsteuertarif zu versteuern sei, weil kein Nachweis im Sinne des § 67 Abs. 6 EStG 1972 darüber vorliegt, daß R nach Beendigung seines Dienstverhältnisses bei der Firma O keine Abfertigung erhielt.
Nun ist nach den Erfahrungen des täglichen Lebens davon auszugehen, daß in aller Regel zwar der Erhalt einer Abfertigung einen als Nachweis anerkennbaren Niederschlag gefunden haben wird, daß dies aber, wenn eine Abfertigung nicht ausbezahlt wurde, wohl kaum der Fall sein dürfte.
Ungeachtet dieser Erfahrungstatsache wird aber bei Anwendung der Begünstigung des § 67 Abs. 6 EStG 1972 auf eine ausbezahlte Abfertigung und bei Fehlen eines Nachweises darüber, ob bei Beendigung eines früheren Dienstverhältnisses der betreffende Arbeitnehmer auch eine Abfertigung erhalten hat oder nicht, zu prüfen sein, ob nach dem jeweils vorliegenden Sachverhalt anzunehmen ist, daß eine solche "Vorabfertigung" bezogen wurde, die gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1972 nunmehr Berücksichtigung zu finden hat. In diesem Sinn wird von dem betreffenden Arbeitnehmer eine Nachweiserbringung verlangt werden müssen. Allerdings wird ein solches Verlangen dort seine Grenze finden, wo die Zumutbarkeit dieser Nachweiserbringung nicht mehr gegeben erscheint. In einem solchen Fall muß die Behörde derart entscheiden, daß die von ihr getroffenen Sachverhaltsannahmen und daraus gezogenen Schlußfolgerungen mit den Erfahrungen des täglichen Lebens in Einklang stehen.
Im Streitfall ist, wie bereits oben ausgeführt, unbestritten, daß Albert R vom 13. Dezember 1948 bis 13. Oktober 1965 bei der Firma O beschäftigt war. Die belangte Behörde versteht die im § 67 Abs. 6 EStG 1972 vorgesehene Nachweispflicht offensichtlich in der Weise, daß nur ein lückenloser Urkundenbeweis den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Diese Rechtsansicht ist verfehlt. Insbesondere bei einer negativen Beweisführung, also den Nachweis keine Abfertigung erhalten zu haben, muß auch ein Vorbringen des Abgabepflichtigen in die Beweiswürdigung einbezogen werden, das geeignet ist, begründete Zweifel am Erhalt einer Abfertigung bzw. an deren Höhe hervorzurufen. Solche Zweifel könnten sich im vorliegenden Fall aus dem Zwangsausgleich des früheren Arbeitgebers ergeben.
Da die belangte Behörde dies nicht erkannte, ist der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989130087.X00Im RIS seit
19.09.1990