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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §38;Betreff
N gegen Kärntner Landesregierung vom 3. April 1989, Zl. 8V-1771/3/88, betreffend Wiederaufnahme eines Verwaltungsstrafverfahrens (Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960).
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 27. März 1987 war der Beschwerdeführer im Verwaltungsrechtszug einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 schuldig erkannt worden.
Mit dem am 21. September 1988 bei der Erstbehörde persönlich abgegebenen Schriftsatz vom 20. September 1988 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, in welchem u.a. folgendes ausgeführt wurde:
"Das Urteil des Landesgerichtes ... wurde am 23.8.1988
sowohl der Staatsanwaltschaft ... wie auch dem ausgewiesenen
Vertreter ... zugestellt. Am 12.9.1988 konnte in Erfahrung
gebracht werden, daß die Staatsanwaltschaft ... diese Berufung
zurückgezogen hat. Diese Kenntnis erfolgte nach Rücksprache
beim Landesgericht ... Die offizielle Verständigung durch das
Landesgericht ... erfolgte am 14.9.1988. Der
Wiederaufnahmsantrag ist jedenfalls rechtzeitig. ... Als
Bescheinigungsmittel wird vorgelegt das Urteil des
Landesgerichtes ... vom 30.6.1988 in Kopie. Als weiteres
Bescheinigungsmittel wird der gesamte Akt ... des
Landesgerichtes ... und ... des Bezirksgerichtes ... angeboten,
die amtliche Beischaffung wird beantragt. Was die
Feststellungen über das gesamte Geschehen am Vorfallstag
betrifft, wird der Einfachheit halber auf die im Urteil
getroffenen Feststellungen verwiesen. Danach steht eindeutig
und zweifelsfrei fest, daß" Kr. "mit dem Pkw" des
Beschwerdeführers ... "gefahren ist."
Der Wiederaufnahmsantrag enthält weiters u.a. folgende Ausführungen:
"Weiters führt das Urteil aus, daß die Aussagen der Zeugen"
S. und H. "zwangsläufig unverwertbar sind. Diese bestätigten
übereinstimmend nach mehrmaligem Befragen, daß die
unfallsbeteiligten Fahrzeuge bis zum Eintreffen der Polizei in
der Unfallposition verblieben, keiner der beiden Beteiligten
den Unfallsort verlassen hat und sie nicht wüßten, wer den Pkw"
des Beschwerdeführers "weggestellt hat. Um weitere unnotwendige
Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die weitere Begründung
des Urteiles des Landesgerichtes ... verwiesen. Insgesamt ist
festzustellen, daß durch die nunmehrige gerichtliche
Einvernahme aller an der Unfallstelle anwesenden Personen
hervorgekommen ist, daß die Aussagen vor der"
Verwaltungsbehörde "unvollständig waren, was darauf
zurückzuführen ist, daß dort der Fragenkomplex des
Beschuldigten ... nicht erörtert wurde und auch dem Grundsatz
der Unmittelbarkeit des Verfahrens nicht entsprochen worden
ist. Die gerichtliche Einvernahme hat nunmehr hervorgebracht
und ist als erwiesen anzunehmen, daß die Fragestellung durch
die" Verwaltungsbehörde "unvollständig und unrichtig war. Es
ist hervorgekommen, daß die belastenden Aussagen durchwegs nur
auf Vermutungen aufbauen, nicht aber auf objektiven
Feststellungen." ... Dem Beschuldigten "ist es gelungen, durch
das Gerichtsverfahren seine Unschuld nachzuweisen. Insbesondere
wegen Entziehung der Lenkerberechtigung ist die Frage der
Lenkereigenschaft eine Vorfrage." ... Die Verwaltungsbehörde
"ist in ihrem Verfahren von den belastenden Aussagen
ausgegangen. Diese belastenden Aussagen sind beim
Landesgericht ... wie auch beim Bezirksgericht ... in den dort
anhängigen Verfahren eindeutig als widerlegt bzw. als nicht verwertbar beurteilt. Auf Grund der richtigen Fragestellung ist hervorgekommen, daß jede der einzelnen belastenden Aussagen nur auf Vermutungen basieren, Schlußfolgerungen darstellen, ohne daß ihnen Beobachtungen zugrundeliegen. Verwiesen wird hiezu auf die bezüglichen Aussagen im Strafakt des Landesgerichtes ..., in denen wörtlich festgehalten ist, daß alle belastenden Aussagen, soweit sie die Lenkereigenschaft betreffen, nur auf Vermutungen beruhen."
Abschließend wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens und auf dessen Einstellung gestellt. Weiters wurde "mit Rücksicht darauf, daß auf Grund des Straferkenntnisses ... niemandem ein Recht erwachsen ist," der Antrag auf amtswegige Behebung gemäß § 68 ff AVG 1950 gestellt. (Weitere Anträge betreffen das in Angelegenheit der Entziehung der Lenkerberechtigung durchgeführte Verwaltungsverfahren.)
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 27. März 1987 abgeschlossenen Strafverfahrens gemäß § 69 Abs. 4 AVG 1950 abgewiesen. Weiters wurde der Antrag auf amtswegige Behebung des Bescheides vom 27. März 1987 gemäß § 68 AVG 1950 im Grunde des § 68 Abs. 5 AVG 1950 abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, unter Hinweis auf das vor dem Landesgericht ... geführte Strafverfahren und das vor dem Bezirksgericht ... geführte Strafverfahren vermeine der Beschwerdeführer, einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 stellen zu können. Danach habe, wie er ausführe, nicht er selbst, sondern Kr. den Pkw des Beschwerdeführers gelenkt. Das Verwaltungsstrafverfahren sei mit Bescheid vom 27. März 1987 abgeschlossen worden. Die Staatsanwaltschaft habe am 9. April 1987 gegen den Beschwerdeführer einen Strafantrag wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB und ferner gegen Kr. einen Strafantrag gestellt, weshalb es sich nicht um eine im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 geforderte neu hervorgekommene, sondern um eine neu entstandene Tatsache handle, welche eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zu rechtfertigen vermöge. Der Beschwerdeführer beziehe sich weiters auf die Bestimmung des § 69 Abs. 1 lit. c AVG 1950. Dem sei entgegenzuhalten, daß über die Frage des Lenkens eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand nicht das Gericht, sondern die Verwaltungsbehörde zu entscheiden habe. Es liege also, im Gegensatz zur Meinung des Beschwerdeführers, bezüglich der im Urteil des Bezirksgerichtes ausgesprochenen Rechtsansicht, daß der Beschwerdeführer zur Tatzeit nicht fahrlässig eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit herbeigeführt habe, keine die Verwaltungsbehörde bindende Entscheidung des zuständigen Gerichtes bezüglich des Lenkens eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 vor. Darüber hinaus sei nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Frage der Alkoholbeeinträchtigung keine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG 1950; an die Feststellung des Strafgerichtes über die Alkoholisierung seien die Verwaltungsbehörden nicht gebunden. Die vor dem Landesgericht und vor dem Bezirksgericht getätigten Zeugenaussagen stellten somit keine Vorfrage im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. c AVG 1950 dar, da einerseits weder eine Identität des Rechtsfalles vorliege, noch die Verwaltungsbehörde an ein freisprechendes Gerichtsurteil gebunden sei. Aus diesem Grund sei auch der Wiederaufnahmeantrag nach § 69 Abs. 1 lit. c AVG 1950 abzuweisen gewesen. Hinsichtlich der Bezugnahme auf § 68 AVG 1950 sei festzuhalten, daß gemäß § 68 Abs. 7 leg. cit. niemandem ein Anspruch auf die Ausübung des der Behörde gemäß § 68 Abs. 1 bis 4 leg. cit. zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechtes zusteht. Aus diesem Grund sei dieser Antrag ebenfalls abzuweisen gewesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende - vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung mit Beschluß vom 2. Oktober 1989, B 663/89, abgetretene - Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungs(straf)verfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 69 Abs. 1 AVG 1950 ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
b) neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit den sonstigen Ergebnissen des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
c) der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.
Im Wiederaufnahmsantrag vom 20. September 1988 bezog sich der Beschwerdeführer auf das Urteil des Landesgerichtes vom 30. Juni 1988. Die Berechnung der für die Einbringung des Wiederaufnahmsantrages vorgesehenen Frist im Sinne des § 69 Abs. 2 AVG 1950 stellte der Beschwerdeführer auf eine dieses Urteil betreffende Mitteilung ab. Die belangte Behörde konnte dem Wiederaufnahmeantrag, wie sich aus den in den wesentlichen Zügen vorstehend wiedergegebenen Antragsausführungen ergibt, nicht entnehmen, daß der Beschwerdeführer eine andere Tatsache im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 ins Treffen geführt hätte, als die nachträglich neu entstandene Tatsache des freisprechenden Urteiles des Landesgerichtes vom 30. Juni 1988. Der Verwaltungsgerichtshof vermag somit zunächst unter diesem Gesichtspunkt den angefochtenen Bescheid nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 darf, wer sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befindet, ein Fahrzeug weder Lenken noch in Betrieb nehmen. In einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO 1960 bildet die Frage der Lenkereigenschaft somit eine Hauptfrage. Die belangte Behörde verneinte somit in nicht als rechtwidrig zu erkennender Weise das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes nach § 69 Abs. 1 lit. c AVG 1950.
In der dem Wiederaufnahmsantrag angeschlossenen Antragstellung bezog sich der Beschwerdeführer erkennbar auf die Bestimmung des § 68 Abs. 2 AVG 1950. Es ist ihm entgegenzuhalten, daß diese Bestimmung gemäß § 24 VStG 1950 im Verwaltungsstrafverfahren nicht anzuwenden ist. Auch aus dem durch die Verwaltungsstrafgesetz-Novelle 1987, BGBl. Nr. 516, neu geschaffenen § 52a VStG 1950 vermag der Beschwerdeführer nichts für sich zu gewinnen, wie sich aus der Regelung des zweiten Satzes des § 52a Abs. 1 VStG 1950 ergibt, wonach auf die Ausübung des betreffenden Rechtes der Behörde niemand einen Anspruch hat.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989030298.X00Im RIS seit
12.06.2001