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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
A gegen Bundesminister für Inneres vom 16. März 1990, Zl. 4 271.146/2-III/13/89, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, reiste am 8. Dezember 1988 in das Bundesgebiet ein und beantragte Asyl. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 19. Mai 1989 brachte der Beschwerdeführer zur Begründung seiner Flucht vor, er sei kurdischer Abstammung und habe deshalb in der Türkei Schwierigkeiten gehabt. So habe er wegen eines bestimmten Stückes Ackerland mit türkischen Nachbarn "Probleme" gehabt. Es sei zu gewaltätigen Auseinandersetzungen gekommen. Die Polizei habe keine wesentlichen Maßnahmen zum Schutz des Beschwerdeführers getroffen. Das betreffende Ackerland habe seinem Vater gehört, auf dessen bäuerlichem Betrieb der Beschwerdeführer tätig gewesen sei. Ein Grund für seine Ausreise sei auch, daß er keinesfalls beim türkischen Militär dienen wolle, da er in diesem Falle möglicherweise gegen Kurden kämpfen müsse.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. August 1989 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling ist.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung in der er im wesentlichen ausführte, obwohl er politische und menschliche Gründe aufgezeigt habe, sei ihm nicht Asyl gewährt worden. Er habe genügend Gründe vorgebracht.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, angesichts der gegenwärtig in der Türkei herrschenden politischen und wirtschaftlichen Umstände bestehe kein Anlaß, an der Richtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers zu zweifeln; diese würden daher der Entscheidung zu Grunde gelegt. Es sei dem Beschwerdeführer aber im gesamten Verwaltungsverfahren nicht möglich gewesen, konkrete Verfolgungen seiner Person aus einem der in der Genfer Konvention taxativ aufgezählten Tatbestände darzutun. Die vom Beschwerdeführer angeführten Beeinträchtigungen erfüllten den Tatbestand einer Verfolgung nicht. Sie gingen nicht über das hinaus, was die Bewohner des Heimatlandes des Beschwerdeführers auf Grund des herrschenden Systems allgemein hinzunehmen hätten und stellten daher keine gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention dar. Die Pflicht zur Ableistung der allgemeinen Wehrpflicht bestehe in vielen westlichen Staaten, so auch in Österreich. Sich dieser Pflicht zu entziehen, sei auch in Österreich strafbar. Somit könne auch eine etwaige aus diesem Grund drohende Bestrafung nicht als Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention angesehen werden. Auf Grund des Vorbringens sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer sich nicht aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Heimatland befinde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, als Flüchtling anerkannt zu werden, verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968 über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 126, in der Fassung der Novelle vom 27. November 1974, BGBl. Nr. 796 (Asylgesetz), ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Konvention vorliegt. Art. 1 A Punkt 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Auszugehen ist zunächst davon, daß nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zentrale Erkenntnisquelle im Asylverfahren das eigene Vorbringen des Asylwerbers ist (vgl. z. B. das hg. Erkenntins vom 10. Februar 1988, Zl. 86/01/0155 u. v.a.).
Der Beschwerdeführer hat sich zur Begründung seines Antrages, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, darauf berufen, in seinem Heimatstaat als Angehöriger der kurdischen Minderheit verfolgt zu werden. Die belangte Behörde ist der Meinung gewesen, daß dieser Tatbestand nicht die in der Konvention aufgezählten Voraussetzungen erfülle. Der Verwaltungsgerichtshof pflichtet der belangten Behörde bei, daß von einer wohlbegründeten Furcht erst dann gesprochen werden kann, wenn die Zustände auch aus objektiver Sicht im Heimatland des Asylwerbers dergestalt sind, daß ein weiterer Verbleib des Flüchtlings in seinem Heimatland aus in der Konvention genannten Gründen unerträglich geworden ist. Es wird daher immer nur dann die Furcht als wohlbegründet im Sinne der Konvention angesehen werden können, wenn die Verfolgung von der Staatsgewalt ausgeht, oder wenn die Verfolgung zwar nur von einem Teil der Bevölkerung ausgeübt, aber durch die Behörden und Regierung gebilligt wird, oder wenn Behörden oder Regierung außer Stande sind, die Verfolgten zu schützen. Daß einer dieser aufgezählten Fälle vorgelegen habe, wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Er selbst hat nur von einer Auseinandersetzung zwischen ihm und Nachbarn gesprochen. Daß die Behörden oder die Regierung etwa diese Übergriffe gegen den Beschwerdeführer wegen seiner kurdischen Nationalität billigten oder unfähig wären, die Bevölkerung kurdischer Abstammung im gesamten Staatsgebiet gegenüber der anderen türkischen Bevölkerung zu schützen, ist den Angaben des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen. Die erstmals in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, dem Beschwerdeführer sei verboten, kurdisches Brauchtum zu pflegen, kurdische Zeitungen zu lesen oder "solche" Kassetten zu hören, ist eine unbeachtliche Neuerung.
Soweit sich der Beschwerdeführer darauf berufen hat, die Türkei deshalb verlassen zu haben, weil er befürchtet habe, entsprechend der dort gültigen allgemeinen Wehrpflicht gemustert und in der Folge zum Militärdienst eingezogen zu werden, vermag dieser Grund - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - schon deshalb dem Beschwerdeführer nicht die Eigenschaft eines Konventionsflüchtlings zu verschaffen, weil die Militärdienstpflicht alle jungen türkischen männlichen Staatsangehörigen gleichermaßen und unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen Volksgruppen trifft. Darüberhinaus kann aus der vom Beschwerdeführer behaupteten möglicherweise ungerechten Behandlung während seines Militärdienstes noch nicht auf eine Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention betreffend eine ganze Bevölkerungsgruppe geschlossen werden.
Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990010104.X00Im RIS seit
19.09.1990