TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/19 90/01/0036

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Veröffentlicht am 19.09.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §56;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnA;
VwRallg;

Betreff

A gegen Bundesminister für Inneres vom 30. Mai 1989, Zl. 223.577/3-II/9/87, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 9. Jänner 1987 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab und stellte wie die Verwaltungsbehörde erster Instanz fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling gemäß dem Bundesgesetz vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen (AsylG) im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974 ist.

Die belangte Behörde ging dabei im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsangehöriger, sei am 23. November 1986 in das Bundesgebiet eingereist und habe am Tag darauf Asylantrag gestellt. Er sei am 4. Dezember 1986 von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich niederschriftlich befragt worden und habe dabei im wesentlichen unter Hinweis auf seine niederschriftliche Einvernahme bei der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 24. November 1986 folgendes angegeben: Er habe sich zur Ausreise aus Jugoslawien entschlossen, weil er eine Enteignung seiner 7 ha großen Landwirtschaft befürchte. Entgegen den Versuchen seitens der jugoslawischen Behörden, ihn zum Parteibeitritt zu bewegen, hätte er dies immer abgelehnt. Soweit er sich erinnern könne, sei er immer wieder Repressalien ausgesetzt gewesen. Etwa habe die Miliz ihn im Juni 1981 fälschlicherweise beschuldigt, die örtliche Wasserleitung abgedreht zu haben. Er sei dabei von Milizbeamten brutal zusammengeschlagen worden. Letztendlich habe man ihn aber ohne weitere Strafe entlassen. Im Jahr 1948 sei er aus politischen Gründen zu einer sechsmonatigen Haftstrafe verurteilt worden. Hinter dieser Aktion seien "die Kommunisten" gestanden.

In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer angegeben, geflüchtet zu sein, weil die "Organe des Regimes" ihn ständig wegen seiner kritischen Äußerungen in der Öffentlichkeit über die kommunistische Partei und das herrschende Regime verfolgt hätten. Mehrere Male habe man ihn verhaftet, geschlagen und mißhandelt. Im Jahr 1981 habe man ihn beschuldigt, das Wasserwerk in Sazimer geschlossen und so die Wasserversorgung einer ganzen Siedlung beeinträchtigt zu haben. Schon als Jugendlicher sei er zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Nach einem Fluchtversuch im Jahr 1985 sei er für zwei Tage in Haft gehalten worden. Im Jahr 1986 sei ihm, weil man seine Flucht ins Ausland "geahnt" habe, verboten worden, sein Vermögen zu verkaufen. Man habe ihm im Falle seiner Flucht in das Ausland mit der Ermordung gedroht.

Bei der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde nur die Frage einer wohlbegründeten Furcht des Beschwerdeführers vor einer aktuellen Verfolgung als relevantes Beweisthema und schied alle schon länger zurückliegenden behaupteten Fakten aus ihrer Beurteilung aus. Die belangte Behörde betonte ferner, daß allgemeine Aussagen, wie "Repressalien" ohne genauere Angaben keine ausreichende Indizwirkung für eine Verfolgung darstellen können und hielt dem Ansuchen des Beschwerdeführers insbesondere entgegen, daß er im Verfahren erster Instanz und im Berufungsverfahren jeweils abweichende Angaben gemacht habe; so habe er bei seiner ersten Einvernahme von einer ihm drohenden Enteignung gesprochen, in der Berufung hingegen ein Verkaufsverbot behauptet.

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, der festgestellte Sachverhalt habe keine wohlbegründete Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung ergeben. Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge sei gemäß § 9 Abs. 3 Asylgesetz gehört worden und habe der in Aussicht genommene Abweisung des Asylantrages zugestimmt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Anerkennung als Flüchtling im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126/68, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (AsylG) in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 796/1974 ist ein Fremder Flüchtling im Sinne des Gesetzes wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955 unter Bedachtnahme auf das Protokoll BGBl. Nr. 78/1974 erfüllt und kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde im Einklang mit der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes jene Umstände, die schon längere Zeit vor der Ausreise des Beschwerdeführers aus seiner Heimat zurückliegen (und zwar den vom Beschwerdeführer behaupteten Vorfall aus dem Jahr 1981 und die behauptete Verurteilung des Beschwerdeführers aus dem Jahr 1948), nicht mehr in ihre Betrachtung einbezogen hat (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1987, Zl. 87/01/0299 u.v.a.). Was jene "Schwierigkeiten" des Beschwerdeführers anlangt, die die Beschwerde dem Jahr 1986 zuordnet, so ist dem Beschwerdeführer zwar zuzugeben, daß das Verlangen der belangten Behörde nach der Vorlage "entsprechender Dokumente" vom Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt als für Zwecke der Glaubhaftmachung nicht notwendig erkannt wurde (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1988, Zl. 88/01/0270, 0271), jedoch ist daraus im Ergebnis für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Der belangten Behörde kann nämlich im Rahmen der Überprüfung der Beweiswürdigung auf ihre Schlüssigkeit nicht entgegengetreten werden, wenn sie dem Beschwerdeführer vorhält, er habe sich im Verwaltungsverfahren gravierend widersprochen, weil er im erstinstanzlichen Verfahren eine ihm drohende Enteignung, im Berufungsverfahren hingegen ein Verkaufsverbot ins Treffen geführt habe. Insbesondere vor dem Hintergrund der eigenen Aussage des Beschwerdeführers, er sei mehrfach als Tourist im westlichen Ausland (Italien und Österreich) gewesen, erweist sich die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung, die den ersten Angaben des Beschwerdeführers gegenüber seinem Berufungsvorbringen den Vorzug gegeben hat, als schlüssig. Angesichts dieses Umstandes war die belangte Behörde auch nicht gehalten, von sich aus weitere Erhebungen anzustellen, weil im Asylverfahren die eigenen Angaben des Asylwerbers die maßgebende Erkenntnisquelle darstellen (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 2. März 1988, Zl. 86/01/0187).

Was die in der Beschwerde erhobene Rechtsrüge anlangt, so ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, daß auch sein Argument betreffend eine allgemeine Verschärfung der politischen Zustände in Jugoslawien in der letzten Zeit seiner Beschwerde nicht zum Durchbruch zu verhelfen vermag, weil es nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes immer auf die konkrete Situation des jeweiligen Asylwerbers ankommt, nicht aber auf die allgemeinen politischen Verhältnisse (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 8. November 1989, Zl. 89/01/0287 bis 0291).

Der Vorwurf des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe ihm gegenüber das Gesetz rechtswidrig und willkürlich angewendet, trifft somit nicht zu, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

SachverhaltsermittlungSachverhalt SachverhaltsfeststellungVerfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1Beweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990010036.X00

Im RIS seit

19.09.1990

Zuletzt aktualisiert am

19.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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