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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1968 §9 Abs1;Betreff
A gegen Bundesminister für Inneres vom 16. März 1990, Zl. 4 284.725/2-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger der kurdischen Nationalität, reiste am 13. August 1989 legal in das Bundesgebiet ein und stellte am 21. August 1989 Asylantrag. Bei seiner Einvernahme am 6. Oktober 1989 führte er im wesentlichen aus, die Kurden hätten in der Türkei "keine Rechte". Wenn er in die Stadt fahre und kurdisch rede, werde er von der Polizei und von den Leuten beschimpft. Die Kurden seien in der Türkei "dritte Klasse". Er sei in der Türkei bei keiner politischen Partei oder Gruppe gewesen und sei auch kein Sympathisant einer solchen Organisation. Er sei von der Polizei nie verhört oder geschlagen worden. Sein Nachteil in der Türkei liege nur darin, daß er kurdischer Abstammung sei und daß die Polizei und die Leute auf die Kurden schimpfen.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 20. Dezember 1989 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention ist.
In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, die Kurden würden in der Türkei nicht als Minderheit anerkannt. Er dürfe auf keinen Fall seine Muttersprache sprechen, seine Sitten, die durch Generationen vererbt seien, ausüben und "ausleben". Der Beschwerdeführer wolle als freier Mensch leben. Er habe "diesen Zustand" nicht länger aushalten können, weswegen er die Türkei verlassen habe.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Zur Begründung führte sie aus, angesichts der gegenwärtig in der Türkei herrschenden politischen und wirtschaftlichen Umstände bestehe kein Anlaß, an der Richtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers zu zweifeln, doch sei es dem Beschwerdeführer im gesamten Verwaltungsverfahren nicht möglich gewesen, konkrete Verfolgungen seiner Person aus einem der in der Genfer Konvention taxativ aufgezählten Tatbestände darzutun. Die vom Beschwerdeführer angeführten Beeinträchtigungen erfüllten den Tatbestand einer Verfolgung nicht. Sie gingen nicht über das hinaus, was die Bewohner seines Heimatlandes auf Grund des herrschenden Systems allgemein hinzunehmen hätten und stellten daher keine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention dar. Da das durchgeführte Ermittlungsverfahren keine Anhaltspunkte für eine konkrete Verfolgung des Beschwerdeführers durch die Behörden seines Heimatstaates ergeben habe, sei die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht statthaft.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, als Flüchtling anerkannt zu werden, verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Asylgesetz), in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne des Gesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Der Beschwerdeführer macht unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend, der angefochtene Bescheid enthalte weder eine Unterschrift des den Bescheid Genehmigenden noch eine Beglaubigung der Kanzlei, daß die Ausfertigung mit der Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimme.
Damit wird in Wahrheit das Nichtvorliegen eines anfechtbaren Bescheides geltend gemacht. Die von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten enthalten indes mit dem Datum 16. März 1990 vom Referenten gefertigte Erledigungsblätter, denen die Entwürfe der Erledigung beigeheftet sind, die dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zugestellt worden ist. Aus den Akten und der zugestellten Ausfertigung des Bescheides ist ersichtlich, daß die Erledigung mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung hergestellt worden ist. Es ist für den Verwaltungsgerichtshof der Aktenlage nach offenkundig, daß die strittige, dem Beschwerdeführer zugestellte Bescheidausfertigung entgegen seinen Ausführungen mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung hergestellt worden ist. Da solcherart hergestellte Ausfertigungen gemäß § 18 Abs. 4 AVG 1950 weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung bedürfen, stellt die zugestellte Ausfertigung einen rechtsgültigen Bescheid dar.
Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, die belangte Behörde hätte die genauen Umstände der Verfolgung des Beschwerdeführers und die "offenkundigen Verhältnisse" in seiner Heimat durch Anfragen dorthin erheben und dem Beschwerdeführer, der der deutschen Sprache nicht mächtig sei, nochmals vernehmen und ihn zu entsprechenden Äußerungen anleiten müssen. Es gebe für Kurden weder Arbeit noch Wohnung in der Heimat des Beschwerdeführers. Die Stellungnahme des Hochkommissärs der Vereinten Nationen hätte dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme vorgehalten werden müssen.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentrale Erkenntnisquelle im Asylverfahren das eigene Vorbringen des Asylwerbers (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 10. Februar 1988, Zl. 86/01/0155 und vom 8. November 1989, Zl. 88/01/0022 u.a.m.). Für eine nochmalige Vernehmung des Beschwerdeführers, dem im Rahmen des Berufungsvorbringens Gelegenheit gegeben war, seine Fluchtgründe darzulegen, hat kein Anlaß bestanden. Anfragen an den Heimatstaat des Beschwerdeführers, dessen Schutz der Beschwerdeführer als Asylwerber gerade ablehnt, sind von der belangten Behörde schon aus naheliegenden, dem Schutz der Person des Asylwerbers dienenden Gründen nicht vorzunehmen. Ebensowenig hat die belangte Behörde im Rahmen der Rechtsbelehrungspflicht dem Beschwerdeführer, der unter Beiziehung eines Dolmetschers bereits zu seinen Fluchtgründen befragt worden war, darüber anzuleiten, welches Vorbringen er zu erstatten hätte, damit seinem Antrag allenfalls stattgegeben werden könnte. Es liegt auch kein wesentlicher Verfahrensmangel vor, wenn die belangte Behörde die Stellungnahme des Hochkommissärs der Vereinten Nationen dem Beschwerdeführer nicht vorgehalten hat, weil dem Hochkommissär keine Parteistellung im Verfahren, sondern nur ein Anhörungsrecht zukommt (vgl. auch hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1986, Slg. N.F. Nr. 12285/A). Im übrigen hatte der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben Wohnung und Arbeit auf dem landwirtschaftlichen Gut seiner Eltern.
Die unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit vorgebrachten Argumente der Beschimpfung und der allgemeinen ablehnenden Haltung gegenüber der kurdischen Bevölkerung durch die Polizei und andere Staatsbürger in der Türkei sagt nichts über die allein relevante individuelle Situation des Beschwerdeführers aus, der im Verwaltungsverfahren konkrete Verfolgungen gegen seine Person durch die staatlichen Behörden aus den in der Konvention genannten Gründen nicht anzugeben vermocht hat. Ebensowenig hat der Beschwerdeführer wohlbegründete Furcht vor solcher Verfolgung aufgezeigt. Der Umstand daß der Beschwerdeführer einen Asylantrag in Österreich gestellt hat, macht ihn auch nicht zu einem sogenannten sur place-Flüchtling.
Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
Schlagworte
Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990010081.X00Im RIS seit
19.09.1990