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19/05 Menschenrechte;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
A gegen Bundesminister für Inneres vom 10. Oktober 1989, Zl. 245.882/3-III/13/89, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein polnischer Staatsangehöriger, reiste am 25. September 1988 in das Bundesgebiet ein und stellte am 28. September 1989 Asylantrag. Hiezu gab er im wesentlichen an, er sei Mitglied der kommunistischen Partei gewesen und im Jahre 1970 der Miliz beigetreten. In den Jahren 1974 bis 1978 habe er als Postenkommandant gearbeitet. Nach seiner kirchlichen Verehelichung sei er als Kommandant abgesetzt und zu einer Erhebungsgruppe als einfacher Milizbeamter kommandiert worden. Als sein Bruder in die USA ausgewandert sei und sich seine Mutter zum Zwecke der Heilbehandlung dorthin begeben habe, habe man ihm "Vorhaltungen" gemacht; er habe sich schriftlich verantworten müssen. Darüber hinaus habe er sich geweigert, jährlich Berichte über seine Familie zu schreiben. Daher sei er zum 31. März 1987 entlassen worden. Danach hätte er bis zu seiner Ausreise am Bezirksamt für innere Angelegenheiten gearbeitet. Vier in den Jahren 1987 und 1988 gestellte Anträge auf Ausstellung eines Reisepasses seien wegen seiner Tätigkeit bei der Miliz abgelehnt worden. Schließlich habe er durch Zahlung von 50 US Dollar über einen Bekannten einen Paß erhalten. In einem Telefonat habe ihm seine Ehefrau mitgeteilt, daß er gesucht werde.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 29. März 1989 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention ist.
In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, der Bescheidinhalt sowie die Form des Bescheides deuteten darauf hin, daß seine Aussagen durch die Behörde erster Instanz nicht beachtet worden seien. Im Lager Traiskirchen sei er als einziger Asylwerber nicht vernommen worden. Da er Polen illegal verlassen habe, sei es ihm nicht möglich, dorthin zurückzukehren. Die Gründe, aus denen er Polen verlassen habe, seien weiter "aktuell"; davon zeuge die Einvernahme seiner Ehefrau durch den Sicherheitsbeamten im Bezirksamt sowie die Tatsache, daß seine Kinder keinen Paß für die Ausreise bekommen hätten. Das für den Beschwerdeführer bestehende Verbot, bis 1991 Polen nicht zu verlassen, sei nicht annulliert worden.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Zur Begründung führte sie aus, daß angesichts der gegenwärtig in Polen herrschenden politischen und wirtschaftlichen Umstände den Angaben des Beschwerdeführers Glauben geschenkt werden könne und daher weitere Ermittlungen entbehrlich seien. Die vom Beschwerdeführer angeführten Beeinträchtigungen erfüllten den Tatbestand einer Verfolgung nicht. Sie gingen nicht über das hinaus, was die Bewohner seines Heimatlandes auf Grund des herrschenden Systems allgemein hinzunehmen hätten und stellten daher keine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention dar. Die Ablehnung von Anträgen auf Ausstellung eines Reisepasses sei keine Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention, außerdem hätte der Beschwerdeführer letztlich doch ein Reisedokument erhalten. Der Bescheid der Behörde erster Instanz weise alle wesentlichen Bescheidmerkmale auf. Weiters sei der Beschwerdeführer am 23. November 1988 von der Bundespolizeidirektion Wien unter Beiziehung eines Dolmetschers befragt worden. Seine dabei dargelegten Ausreisegründe habe die Behörde erster Instanz ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt. Daher sei der Vorwurf des mangelnden Ermittlungsverfahrens nicht berechtigt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, als Flüchtling anerkannt zu werden, verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Asylgesetz), in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne des Gesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Der Beschwerdeführer bringt zunächst unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, die belangte Behörde habe hinsichtlich der "gegenwärtigen Verhältnisse" keine Beweise aufgenommen und auch nicht begründet, warum sie zu dieser Annahme komme. Die Behauptung, die vorgebrachten Beeinträchtigungen gingen nicht über das hinaus, was Bewohner des Heimatstaates des Beschwerdeführers auf Grund des herrschenden Systems allgemein hinzunehmen hätten, sei keine ausreichende Begründung. Dem Beschwerdeführer, der der deutschen Sprache nicht mächtig sei, sei nur einmal Gelegenheit gegeben worden, seine Gründe darzulegen; auch das Parteiengehör sei nicht gewahrt worden; ihm sei eine entsprechende Rechtsbelehrung darüber nicht zuteil geworden, was für den Erfolg des Asylantrages notwendig sei.
Dem ist entgegenzuhalten, daß Gegenstand des Ermittlungsverfahrens in einem Asylverfahren die Einvernahme des Asylwerbers ist und sein Vorbringen das zentrale Entscheidungskriterium im Verfahren darstellt. Dem Beschwerdeführer mußte sein eigenes Vorbringen nicht nochmals zur Stellungnahme vorgehalten werden. Insoweit war dem Beschwerdeführer die Möglichkeit gegeben, seine Fluchtgründe in der Berufung zu ergänzen. Es ist auch nicht Aufgabe der Behörde, den Asylwerber Unterweisungen darüber zu erteilen, wie er sein Vorbringen auszuführen und welche Fluchtgründe er anzugeben habe, damit seinem Verlangen auf Anerkennung als Konventionsflüchtling entsprochen werden könne (Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnisse vom 23. Oktober 1985, Zl. 84/01/0140, vom 11. Juni 1986, Zl. 86/01/0079 u.a.m.). Auch ein wesentlicher Verfahrensfehler liegt in der Unterlassung von Beweisaufnahmen über die "gegenwärtigen Verhältnisse" im Heimatstaat des Beschwerdeführers nicht vor. Denn im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (9. November 1989) waren die eingetretenen tiefgreifenden Änderungen der politischen Lage im Heimatland des Beschwerdeführers offenkundig (§ 45 Abs. 1 AVG 1950). Schließlich bildet nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein die ablehnende Haltung eines Asylwerbers gegenüber dem in seinem Heimatland herrschenden politischen System noch keinen Grund dafür, ihn als Konventionsflüchtling anzuerkennen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 10. Februar 1988, Zl. 86/01/0274, vom 20. Juni 1990, Zl. 90/01/0041 u.a.m.). Es kommt vielmehr darauf an, daß der Asylwerber wohlbegründete Furcht glaubhaft machen kann, aus den in der Konvention genannten Gründen in seinem Heimatland verfolgt zu werden. Die Staatsbürgern des Heimatstaates des Beschwerdeführers auferlegten Reisebeschränkungen, insbesondere die Nichtausstellung eines Reisepasses, sind, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, für sich allein keine konkreten, gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Konvention. In der Nichtausstellung eines Reisepasses vermag der Verwaltungsgerichtshof auch keinen Verstoß gegen Menschenrechte zu erkennen.
Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989010431.X00Im RIS seit
19.09.1990Zuletzt aktualisiert am
23.03.2009