Index
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1972 §20 Abs1;Beachte
Besprechung in: ÖStZB 1991, 176;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VIII) vom 13. April 1989, GZ. 6/4 - 4343/88, betreffend Einkommensteuer 1985 und 1986 des Mitbeteiligten Helmut K, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 10.350,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Mitbeteiligte ist buchführender Landwirt und ermittelt den Gewinn nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1972. 1988 wurde in seinem Betrieb eine abgabenbehördliche Prüfung hinsichtlich der Streitjahre durchgeführt. Im Rahmen derselben stellte der Prüfer im Zusammenhang mit vom Mitbeteiligten als Betriebsausgaben geltend gemachten Schuldzinsen (1985: S 152.900,-- und 1986: S 649.542,74) folgendes fest:
Im Dezember 1984 habe der Mitbeteiligte mit einer Versicherungs-AG einen Versicherungsvertrag auf Er- und Ableben abgeschlossen. Hiebei sei vereinbart worden, daß die Einmalprämie von S 7 Mio in sechs Teilzahlungen zwischen Dezember 1984 und Mai 1986 entrichtet werden solle. Die Finanzierung dieser "privaten Kapitalanlage" sei ausschließlich "über die in den Betriebsbilanzen bzw. in der aufliegenden Buchhaltung ausgewiesenen Geldkonten" erfolgt. Hiefür seien 1985 bei einer Bank zwei Kontokorrentkonten eröffnet worden, wobei das Konto Nr. N der Erfassung der Entgelte aus Lieferungen sowie der Abhebung privater Entnahmen, das Konto Nr. NN der kreditmäßigen Finanzierung der Investitionen und des laufenden Betriebsaufwandes gedient habe. Für das letztgenannte Konto sei ein entsprechender Kreditrahmen vereinbart worden, dessen Besicherung durch die Verpfändung des Anspruches aus der oben angeführten Versicherung erfolgt sei. Auf Grund der vorliegenden Buchungsvorgänge sei davon auszugehen, daß der in Rede stehende Versicherungsvertrag aus den erwähnten Kreditmitteln finanziert worden sei. Verbindlichkeiten, die zur Anschaffung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens aufgenommen würden, stellten nicht Betriebsschulden dar. Daraus folge, daß die als Betriebsausgaben abgesetzten Zinsen insoweit nicht abzugsfähig seien, als sie auf jene Kapitalbeträge entfielen, "die für die Anschaffung des Versicherungsanspruches aufgewendet wurden (§ 20 EStG)".
Gegen die auf der Basis dieser Auffassung des Betriebsprüfers erlassenen Einkommensteuerbescheide für 1985 und 1986 erhob der Mitbeteiligte fristgerecht Berufung. In dieser wurde ausgeführt, daß aus den vorliegenden Beweismitteln klar ersichtlich sei, daß der Mitbeteiligte "die Kreditvaluta ausschließlich zur Finanzierung von Betriebsausgaben verwendet" habe. Unbestritten sei allerdings, daß vom Mitbeteiligten im Prüfungszeitraum auch Privatentnahmen - unter anderem auch für die Altersversorgung - getätigt worden seien. Hiefür wären aber "ausschließlich zufließende Betriebseinnahmen verwendet" worden. "Zur Dokumentation dieses Umstandes wurden mehrere Bankkonten geführt."
Im Streitfall lägen keine Schulden zur Anschaffung von Privatvermögen vor. Zu prüfen wäre vorliegendenfalls, wie vorzugehen sei, wenn den durch die "laufenden täglichen Geschäftsfälle entstehenden und sich vergrößernden Betriebsverbindlichkeiten ebenfalls zahlreiche und laufende Privatentnahmen gegenüberstehen". Nach Lehre und Rechtsprechung stehe dem Abgabepflichtigen die Art der Finanzierung seines Betriebes frei; selbst wenn er daher über "Mitteln außerbetrieblicher Art" verfüge, sei er nicht gezwungen, diese für eine erforderliche Betriebsfinanzierung zu verwenden. Untersuchungen darüber, ob betriebsbedingte Schulden in einer bestimmten Höhe ihren betrieblichen Charakter verlören, weil während des Bestandes der Schuld Privataufwendungen durch den Abgabepflichtigen vorgenommen worden seien, seien grundsätzlich nicht anzustellen. Durch eine andere Vorgangsweise würde dem Steuerpflichtigen "die auf dem Grundsatz der Privatautonomie beruhende unternehmerische Dispositionsfreiheit genommen".
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde diesem Rechtsmittel nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung Folge und führte in der Begründung - soweit diese für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof noch von Bedeutung ist - im wesentlichen aus:
Im Streitfall sei dem Mitbeteiligten Ende 1984 ein Kontokorrentkredit in Höhe von S 5 Mio eingeräumt worden, der in der Folge laufend aufgestockt worden sei. Im Kreditvertrag sei als Zweck der Kreditaufnahme "Deckung der Betriebsausgaben" angegeben worden. Für die Frage, ob dieser Kredit betrieblich veranlaßt sei, sei entscheidend, ob zum einen in absehbarer Zeit überhaupt entsprechende betriebliche Aufwendungen angefallen seien und zum anderen ob danach dieser Kredit auch für derartige Zahlungen verwendet worden sei.
Vorliegendenfalls sei aus dem vom Mitbeteiligten für die Verwendung des Kredites eingerichteten Aufwandskonto klar ersichtlich, daß seit der Eröffnung dieses Kontos am 13. Februar 1985 bis zum 31. Mai 1985 - also innerhalb weniger Monate - die laufenden Betriebsausgaben die S 5 Mio-Grenze und bis 31. Mai 1986 die S 10 Mio-Grenze überschritten hätten. Da somit ein eindeutiger, zeitlicher und betragsmäßiger Zusammenhang zwischen Kreditaufnahme und tatsächlicher betrieblicher Verwendung dieser Mittel gegeben sei, vermöge die Tatsache, daß gleichzeitig auch eine private Kapitalanlage von S 7 Mio erfolgt sei, am betrieblichen Charakter des in Rede stehenden Kredites nichts zu ändern, "sodaß eine eindeutige und ausschließliche Zuordnung des Kredites zu privaten Aufwendungen nicht möglich ist". Überdies sei aus dem Betriebseinnahmenkonto zu ersehen, daß die Finanzierung der privaten Kapitalanlage ausschließlich aus Eigenmitteln (Privatentnahmen) vorgenommen worden sei.
Im Hinblick auf diesen Sachverhalt einerseits und auf die ständige Rechtsprechung andererseits, nach welcher es dem Steuerpflichtigen freistehe, seinen Betrieb auch dann mit Fremdkapital auszustatten, wenn er über ausreichende außerbetriebliche Mittel verfüge und er nicht verpflichtet sei, dem Betrieb Mittel erst nach Abdeckung der betrieblichen Verbindlichkeiten zu außerbetrieblichen Zwecken zu entnehmen, sei davon auszugehen, daß die für den fraglichen Kredit vom Mitbeteiligten in den Streitjahren bezahlten Zinsen als Betriebsausgaben zu behandeln seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gemäß § 292 BAO wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist lediglich strittig, ob die vom Mitbeteiligten in den Streitjahren geltend gemachten Kreditzinsen zur Gänze als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind oder nicht.
Betriebsausgaben sind gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1972 Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hg. Erkenntnis vom 28. April 1981, Zl. 14/3630/80, und die dort zitierte Judikatur) steht es der Abgabenbehörde nicht zu, Angemessenheit oder Zweckmäßigkeit eines Aufwandes zu prüfen, um nach dem Ergebnis dieser Prüfung die Betriebsausgabeneigenschaft eines bestimmtes Aufwandes zu beurteilen. Dasselbe gilt für die Wahl der Finanzierungsart eines Betriebes. Es steht daher dem Steuerpflichtigen grundsätzlich frei, seinen Betrieb mit Eigenmittel oder mit Fremdkapital auszustatten. Selbst wenn der Steuerpflichtige über Mittel außerbetrieblicher Art verfügt, ist er nicht gezwungen, diese zu einer erforderlichen Betriebsfinanzierung zu verwenden. Diesem Grundsatz entspricht es, daß der Steuerpflichtige nicht gehalten ist, Betriebsschulden mit ihm zur Verfügung stehenden außerbetrieblichen Finanzierungsquellen abzudecken oder dem Betrieb Mittel erst nach Abdeckung der betrieblichen Verbindlichkeiten zu außerbetrieblichen Zwecken zu entnehmen. Untersuchungen darüber, ob betriebsbedingte Schulden in einer bestimmten Höhe ihren betrieblichen Charakter verlieren, weil während des Bestandes der Schuld Privataufwendungen durch den Steuerpflichtigen vorgenommen wurden, sind daher grundsätzlich nicht anzustellen; denn mittelbare, durch in die Privatsphäre des Steuerpflichtigen fallende Aufwendungen ausgelöste Auswirkungen haben auf die Höhe DER ZU BETRIEBLICHEN ZWECKEN AUFGENOMMENEN Schuld ohne Folge zu bleiben.
Im Sinne dieser rechtlichen Überlegungen, mit welchen die Dispositionsfreiheit des Steuerpflichtigen bejaht wird, ist zunächst die Frage nach dem Zweck einer aufgenommenen Schuld zu beantworten; denn nur, wenn dieselbe ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruht, die den Betrieb betreffen, ist sie als Betriebsschuld zu behandeln (vgl. hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1989, Zl. 88/13/0081, und die dort angeführte Lehre und Rechtsprechung). Nur dann aber, wenn Betriebsschulden vorliegen, stellen die für diese Schulden entrichteten Zinsen Betriebsausgaben dar.
Im Beschwerdefall vertritt die belangte Behörde die Auffassung, daß die vom Mitbeteiligten bezahlten, in Rede stehenden Kreditzinsen als Betriebsausgaben anzuerkennen sind, weil der diesen Zinsen zugrundeliegende Kredit ausschließlich für betriebliche Zwecke aufgenommen und verwendet wurde. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf die auch vom beschwerdeführenden Präsidenten konkret nicht bestrittene Tatsache, daß einerseits der betreffende Kontokorrentkredit laut Kreditvertrag ausdrücklich zur "Deckung der Betriebsausgaben" aufgenommen wurde und andererseits die laufenden Betriebsausgaben des Mitbeteiligten im fraglichen Zeitraum derart angestiegen seien, daß auch die vorgenommenen Erhöhungen des Kreditrahmens dieser Entwicklung entsprochen hätten. Ausdrücklich führt die belangte Behörde auch aus, daß diese Kreditmittel tatsächlich "betrieblicher Verwendung zugeführt worden wären".
Dazu wird im angefochtenen Bescheid dezidiert festgestellt, daß die Finanzierung der in Rede stehenden privaten Kapitalanlage des Mitbeteiligten (Bezahlung der Versicherungsprämie), wie sich aus dem Betriebseinnahmenkonto ergebe, "ausschließlich aus Eigenmitteln (Privatentnahmen) erfolgte".
Bei dieser Sachlage und unter Berücksichtigung der oben dargestellten Rechtsauffassung, von welcher abzugehen der Gerichtshof auch im Beschwerdefall keine Veranlassung sieht, kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie zu dem Schluß gelangte, daß der Grund für die Aufnahme des strittigen Kontokorrentkredites ein betrieblicher war, die durch ihn dem Mitbeteiligten zur Verfügung gestellten Mitteln von diesem auch tatsächlich betrieblich verwendet wurden, weshalb dieser Kredit eine Betriebsschuld darstellt und die für ihn bezahlten Zinsen als Betriebsausgaben zu behandeln waren. Der Umstand, daß der Mitbeteiligte gleichzeitig auch Entnahmen tätigte, mit deren Hilfe er teilweise auch die in Rede stehende private Kapitalanlage finanzierte, ist im Hinblick auf die gegebene Sachlage ohne Relevanz. Dies gilt umsomehr, als der beschwerdeführende Präsident nicht vermochte, den sachlichen Feststellungen und rechtlichen Überlegungen der belangten Behörde wirklich konkrete, durchschlagende Argumente entgegenzustellen.
Da demnach der angefochtene Bescheid nicht mit der behaupteten Rechtswidrigkeit belastet ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989130112.X00Im RIS seit
28.12.2000