TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/20 90/06/0100

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.09.1990
beobachten
merken

Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/06 Bodenreform;

Norm

ABGB §523;
AVG §8;
BauO Tir 1978 §29 Abs3;
BauO Tir 1978 §30 Abs3;
BauO Tir 1978 §31 Abs8 idF 1989/010;
BauRallg;
B-VG Art15 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
StGG Art2;
WWSGG §35 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des C gegen den Bescheid der Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 29. Mai 1990, Zl. MD-4215/1990 (mitbeteiligte Partei: Ing. A), betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen der Beschwerde und dem Inhalt des damit vorgelegten angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 4. April 1990 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der Parteistellung in einem Verfahren über die Erlangung einer Baubewilligung für den Mitbeteiligten abgewiesen. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung als unbegründet ab. Der vom Beschwerdeführer in seiner Berufung vertretenen Ansicht, aus § 29 Abs. 3 der Tiroler Bauordnung ergebe sich, daß neben Bauwerber, Eigentümer und Nachbarn auch sonst Parteien oder Beteiligte vorhanden sein müßten, weil sie der Bauverhandlung beizuziehen seien, hielt die Behörde entgegen, daß damit nicht etwa Servitutsberechtigte und dgl., sondern allenfalls sogenannte "Verfahrensparteien", wie etwa das Arbeitsinspektorat oder der Landesgrundverkehrsreferent, zu verstehen seien. Die Belastung durch die Dienstbarkeit der Weideberechtigung, auf die sich der Beschwerdeführer berufe, bedeute nicht, daß ein Grundstück im Hinblick auf die im § 4 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung genannten Kriterien für die vorgesehene Bebauung nicht geeignet sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Das Einschreiten des Beschwerdeführers und seine Parteistellung werde darauf gestützt, daß er Alleineigentümer des geschlossenen Hofes in EZ 90.009 des Grundbuches A sei, und diese Liegenschaft der Weideinteressentschaft A zugehöre bzw. daß zugunsten dieser Liegenschaft ein Weiderecht im Sinne des WWSG (Tiroler LGBl. Nr. 21/1952) bestehe. Dieses Weiderecht beziehe sich auch auf das Grundstück, auf welchem die beabsichtigten Baumaßnahmen ausgeführt werden sollten.

Hierüber hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung, auf die schon die belangte Behörde mit Recht verwiesen hat, ergibt sich die Beteiligung an einer Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses (§ 8 AVG 1950) und damit die Parteistellung nur im Zusammenhang mit den in Betracht kommenden materiell-rechtlichen Verwaltungsvorschriften (vgl. etwa die zu Nr. 3 ff. zu § 8 AVG 1950 bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

3. Auflage, wiedergegebenen Erkenntnisse). Dies wird auch vom Beschwerdeführer anerkannt, doch meint er, daß eine auf einem Gesetz beruhende Dienstbarkeit anders als eine rechtsgeschäftlich eingeräumte zu beurteilen wäre. Damit verkennt er das Wesen einer Baubewilligung. Mit dieser wird nämlich keineswegs in Rechte dritter Personen am Grundstück eingegriffen, sondern dem Antragsteller lediglich eine baupolizeiliche Erlaubnis erteilt. Ob der Beschwerdeführer nach der gegebenen rechtlichen Situation von der Baubewilligung Gebrauch machen kann, hat die Baubehörde nicht zu beurteilen. Es ist daher nicht verständlich, inwiefern durch eine Baubewilligung ein Weiderecht zum Erlöschen gebracht werden könnte, kann der Dienstbarkeitsberechtigte doch jederzeit im Rechtsweg die Unterlassung der Bauführung ungeachtet einer bestehenden Baubewilligung durchsetzen (§ 523 ABGB).

Der Beschwerdeführer geht aber auch fehl, wenn er versucht, aus § 29 Abs. 3 der Tiroler Bauordnung für sich Rechte abzuleiten. Es ist zwar richtig, daß § 29 Abs. 3 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 43/1978 in der Fassung LGBl. Nr. 19/1984 und 10/1989 (TBO), anordnet, daß zur Verhandlung der Bauwerber, der Grundeigentümer bzw. der Bauberechtigte, der Verfasser der Planunterlagen sowie die Nachbarn "und sonstige als Parteien oder Beteiligte in Betracht kommende Personen" zu laden sind. Dies bedeutet jedoch nur, daß der Gesetzgeber für den Fall vorsorgen wollte, daß anderen als den genannten Personen in anderen Gesetzen ausdrücklich auch Parteistellung im Bauverfahren eingeräumt werden sollte, nicht aber, daß dadurch Personen, denen lediglich beschränkte Privatrechte an dem zu bebauenden Grundstück zustehen, gleichgültig auf welchem Titel sie beruhen, Parteistellung zukommen sollte. Daß solche Personen als Beteiligte beizuziehen wären, ändert am Fehlen der Parteistellung nichts.

Der Verwaltungsgerichtshof hat schließlich auch entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine Bedenken in verfassungsrechtlicher Hinsicht, daß die Einräumung der Parteistellung für die Nachbarn, nicht jedoch für den Weideberechtigten nach dem WWSG dem Gleichbehandlungsgebot widerspreche. Abgesehen von der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, daß es Sache des Landesgesetzgebers ist, welchen Personen er im Bauverfahren Parteistellung einräumt, steht demjenigen, dem am zu bebauenden Grund Rechte zustehen, im Gegensatz zu den Nachbarn ein im Rechtsweg durchzusetzender Anspruch auf Unterlassung der Bauführung zu, soweit dieser das (Weide)Recht entgegensteht.

Da sich bereits aus der Beschwerde ergibt, daß durch den angefochtenen Bescheid Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt wurden, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen RechtspersönlichkeitNachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990060100.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten