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L8 Boden- und Verkehrsrecht;Norm
Flächenwidmungsplan HerzogenburgLeitsatz
Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Herzogenburg vom 29.10.1979; Umwidmung von "Bauland-Wohngebiet" in "Bauland-Agrargebiet"; Möglichkeit des Weiterbestehens eines landwirtschaftlichen Betriebes in Anbetracht des durch Erk. VfSlg. 11573/1987 bereinigten §16 Abs1 Z1 Nö. ROG - keine wesentliche Änderung der Grundlagen; kleinräumige Einsprengung der Nutzungsart "Agrargebiet" in einem Wohngebiet gesetzwidrigSpruch
Die V der Stadtgemeinde Herzogenburg vom 29. Oktober 1979 über den Flächenwidmungsplan wird insoweit als gesetzwidrig aufgehoben, als sie das Grundstück 1053/1 KG Oberndorf in der Ebene als "Bauland-Agrargebiet" widmet.
Die Niederösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Herzogenburg vom 20. Juni 1983 wurde den Eigentümern des Grundstücks 1053/1 KG Oberndorf in der Ebene die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Maschinenhalle und einer straßenseitigen Einfriedung erteilt. Die von der Bf. als Anrainerin erhobene Berufung blieb erfolglos, eine Vorstellung gegen den Berufungsbescheid wies die Niederösterreichische Landesregierung als unbegründet ab.
Aus Anlaß der gegen den Vorstellungsbescheid erhobenen Beschwerde der Anrainerin hat der VfGH am 9. Oktober 1986 die Prüfung der Gesetzmäßigkeit der am 18. Juli 1980 in Kraft getretenen V des Gemeinderates der Stadtgemeinde Herzogenburg vom 29.Oktober 1979 über den Flächenwidmungsplan beschlossen, soweit sie für das genannte Grundstück 1053/1 die Widmung "Bauland-Agrargebiet" festlegt.
Der am 29. April 1976 in Kraft getretene Flächenwidmungsplan 1976 hatte für das Grundstück 1053/1 die Widmung "Bauland-Wohngebiet" festgelegt. Nachdem ein Antrag der Eigentümer um baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Schweinestalles und einer Maschinenhalle abgewiesen worden war, regten sie an, das "Bauareal" ihrer Liegenschaft in "Bauland-Agrargebiet" umzuwidmen. Dieser Anregung kam der Gemeinderat im Flächenwidmungsplan 1980 nach.
Der VfGH hatte gegen diese Umwidmung deshalb Bedenken, weil das örtliche Raumordnungsprogramm nach §22 Abs1 Z2 RaumordnungsG nur wegen wesentlicher Änderungen der Grundlagen abgeändert werden darf, solche Änderungen aber nach den Unterlagen nicht feststellbar waren und die Widmung als Agrargebiet auch sonst im Gesetz nicht gedeckt zu sein schien. Das Amt der Landesregierung habe nämlich der Gemeinde zur beabsichtigten Änderung des Planes folgendes mitgeteilt:
"Charakter und Struktur der bestehenden Bebauung und Nutzung der Parzellen ..., d.s. die Areale zweier landwirtschaftlicher Betriebe, sind in Anschauung des §14 Abs1 lit. 5 NÖ Raumordnungsgesetz so beschaffen, daß eine Umwidmung von Bauland-Wohngebiet in Bauland-Agrargebiet vom ha. Standpunkt vertretbar erschiene.
Es muß aber bereits jetzt festgehalten werden, daß auf Grund der gegebenen Nähe zu Wohngebiet eine Ausweitung des bisher gegebenen Tierbestandes bei herkömmlicher Aufstallungsformen auch nach einer eventuellen Umwidmung kaum möglich erscheint. Eine Kontaktnahme mit der Abteilung R/2 des ho. Amtes vor eventueller Beschlußfassung im Gemeinderat erscheint erforderlich."
In diesem Schreiben sei das Grundstück 1053/1 nicht als ein zu einem landwirtschaftlichen Betrieb gehöriges Areal angeführt.
In der Sitzung vom 29. Oktober 1979 habe der Gemeinderat die Einwendungen der Bf. gegen die beabsichtigte Änderung der Widmung des Grundstückes 1053/1 von "Bauland-Wohngebiet" in "Bauland-Agrargebiet" (unter Bezugnahme auf eine mit dem Amt der NÖ.Landesregierung durchgeführte Besprechung) wie folgt behandelt:
"Die Einwendungen sind abzuweisen, da es sich nicht um eine Umwidmung, sondern lediglich um eine Nutzungsänderung zum Zwecke der Sicherung der Rechte bestehender landwirtschaftlicher Betriebe bzw. um eine Anpassung an die örtlichen Gegebenheiten gemäß §16 NÖ. ROG, Nr. 8000-0 handelt, nachdem eine Aussiedlung trotz eines von der Gemeinde erstellten Vorschlages nicht möglich ist."
Die Nichtverwirklichung der bei Erlassung des Flächenwidmungsplanes 1976 in Aussicht genommenen Absiedlung der landwirtschaftlichen Betriebe aus dem als Wohngebiet gewidmeten Gebiet um das Grundstück 1053/1 schien dem VfGH keine wesentliche Änderung der Grundlagen zu sein. Die durch diese Widmung veranlaßte bauliche Entwicklung schien vielmehr die Herausnahme eines verhältnismäßig kleinen Teilbereiches als Agrargebiet vollends auszuschließen.
II. Aus Anlaß des Verordnungsprüfungsverfahrens hat der VfGH am 16. Juni 1987 die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "in Wohngebäuden untergebracht werden können und" in §16 Abs1 Z1 Nö RaumordnungsG beschlossen. Mit dem Erkenntnis G134/87 vom 10. Dezember 1987 hat er diese Wortfolge wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz aufgehoben.
Die aufgehobenen Bestimmungen des RaumordnungsG sind im Verordnungsprüfungsverfahren, das den Anlaß zu ihrer Aufhebung geboten hat, nicht mehr anzuwenden (Art140 Abs7 B-VG). Es ist daher davon auszugehen, daß die ursprüngliche Widmung "Bauland-Wohngebiet" Gebiete bezeichnet,
". . . die für Wohngebäude und die dem täglichen Bedarf der dort wohnenden Bevölkerung dienenden Gebäude sowie für Betriebe bestimmt sind, welche keine, das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- oder Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können".
III. Im Verordnungsprüfungsverfahren haben die Niederösterreichische Landesregierung und die Stadtgemeinde Herzogenburg abermals darauf hingewiesen, daß die Gemeinde 1975 die Absicht hatte, die im Wohngebiet bestehenden Betriebe auszusiedeln, und in der Folge auch Maßnahmen zur Erreichung dieses Zieles gesetzt habe. Im vorliegenden Fall sei diese Absicht gescheitert. Daher habe der Gemeinderat einer möglichen Gesetzwidrigkeit der Widmung vorbeugen müssen:
"Die durch den 'Flächenwidmungsplan' 1976 festgelegte Nutzungsart 'Wohngebiet' schloß gemäß §13 Abs1 Z. 1 NÖ ROG 1976 eine Erneuerung oder Errichtung (einschließlich des Ausbaues) landwirtschaftlicher Betriebsgebäude aus. Eine sachlich gerechtfertigte Lösung hätte also - ohne Aussiedlungsprojekt zur Festlegung der Nutzungsart 'Agrargebiet' führen müssen, zumal der VfGH ausgesprochen hat, daß eine Verlagerung des Standortes gerade von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben wegen des notwendig engen räumlichen Zusammenhanges zwischen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden sich besonders einschneidend auswirkt (vgl. VfSlg. 8701).
Nun muß die NÖ Landesregierung in diesem Zusammenhang zugeben, daß allein der Wortlaut des §22 Abs1 NÖ ROG 1976 eine Möglichkeit der Korrektur nicht vorsieht. Die NÖ Landesregierung verkennt auch nicht, daß eine 'Mängelbehebung' im Hinblick auf die finale Programmierung eines örtlichen Raumplanes Gefahren im Hinblick auf die Rechtssicherheit in sich birgt. Andererseits hätte die Verneinung einer Korrekturmöglichkeit durch den Verordnungsgeber zur Folge, daß Fehler, die bei der Erlassung eines örtlichen Raumordnungsprogrammes begangen wurden, nur dann verbessert werden könnten, wenn sich zuvor die Grundlagen im betroffenen Bereich geändert haben.
Vertritt man nämlich die Ansicht, daß die Korrektur eines örtlichen Raumordnungsprogrammes nicht zulässig ist, so hat dies die Konsequenz, daß das betreffende Raumordnungsprogramm so lange mit Gesetzwidrigkeit behaftet wäre, als der VfGH die betreffende V nicht aufhebt. Die NÖ Landesregierung meint also, daß zur Auslegung des §22 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 eine Wortinterpretation allein nicht ausreicht.
Eine teleologische Interpretation dieser Bestimmung ergibt, daß sie nur tatsächliche Änderungen der Grundlagen im Auge hat. Nach Ansicht der NÖ Landesregierung ist damit die Möglichkeit einer Korrektur eines einmal unterlaufenen Fehlers im Hinblick auf Art18 Abs2 B-VG nicht ausgeschlossen. Der VfGH scheint eine solche Berichtigungsmöglichkeit - zumindest implizit - nicht auszuschließen."
IV. Die Bedenken des VfGH sind begründet:
Der von der Stadtgemeinde Herzogenburg vorgelegte Mappenausschnitt zeigt in unmittelbarer Nachbarschaft des zu einem von zwei nebeneinander liegenden bäuerlichen Anwesen gehörenden Grundstücks 1053/1 eine Reihe von Wohnhäusern, die vor allem beiderseits der hinter diesen Anwesen verlaufenden Grundstreifen - zwischen 1973 und 1979 errichtet wurden.
Unter diesen Umständen hält der VfGH die im Flächenwidmungsplan 1976 vorgesehene Nutzungsart "Wohngebiet" in Verbindung mit der damaligen Planungsabsicht der Gemeinde für unbedenklich. Daß die Absicht der Aussiedlung eines landwirtschaftlichen Betriebes bisher gescheitert ist, kann jedenfalls angesichts der Möglichkeit seines Weiterbestehens bei einer für die Wohnbevölkerung zumutbaren Betriebsform (nach der bereinigten Fassung der Z1 des §16 Abs1 ROG) nicht als eine wesentliche Änderung der Grundlagen angesehen werden, die das Interesse der inzwischen angesiedelten Wohnbevölkerung an einer mit dieser Nutzungsart verträglichen Widmung überwiegen könnte. Eine kleinräumige Einsprengung der Nutzungsart "Agrargebiet" ist unter diesen Umständen keinesfalls gesetzmäßig.
Die in Prüfung gezogene Widmung ist daher aufzuheben. Es wird Aufgabe der Gemeinde sein, die ursprüngliche Widmung wieder herzustellen oder sie im Falle einer Änderung des RaumordnungsG durch jene Widmung zu ersetzen, welche die Wirkungen der durch die Aufhebung eines Teils der Z1 des §16 Abs1 bereinigten Fassung des RaumordnungsG entfaltet.
Der Ausspruch über die Kundmachung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.
Schlagworte
Baurecht, Raumordnung, FlächenwidmungsplanEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:V82.1986Dokumentnummer
JFT_10128789_86V00082_00