TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/20 89/06/0182

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.09.1990
beobachten
merken

Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §60;
BauG Vlbg 1972 §55 Abs1;

Betreff

D gegen Vorarlberger Landesregierung vom 11. August 1989, Zl. VIIa-411.191, betreffend Übertretung des Vorarlberger Baugesetzes

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 14. April 1988 wurde dem Beschwerdeführer die Baubewilligung zur Aufstockung sowie zum Umbau eines in X bestehenden Geschäftshauses u.a. unter der Auflage erteilt, daß die westseitigen Balkone flüchtig mit der Nordwand abzuschließen und die Nordseite entsprechend dem genehmigten Deckplan auszuführen sei. Mit Bescheid vom 1. Juni 1988 in der Fassung des Bescheides vom 13. Juni 1988 verfügte die Bezirkshauptmannschaft Bludenz die Einstellung der Bauarbeiten hinsichtlich der konsenswidrigen Anbringung eines Balkons bzw. einer Ausgangstüre und eines Fensters an der Nordseite.

Mit Straferkenntnis vom 26. Mai 1989 sprach die Bezirkshauptmannschaft u.a. zu 2) aus, der Beschwerdeführer habe am 15. Oktober 1988 beim vorhin erwähnten Geschäftshaus das Bauvorhaben entgegen dem baurechtlichen Bewilligungsbescheid ausgeführt, indem die Balkonverkleidung ausgeführt worden sei und habe dadurch u.a. eine Übertretung gemäß § 55 Abs. 1 lit. b des Vorarlberger Baugesetzes in Verbindung mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 14. April 1988 begangen; gemäß § 55 Abs. 2 leg. cit. werde eine Geldstrafe von S 30.000,-- (Ersatzarreststrafe von 14 Tagen) verhängt. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11. August 1989 hat die Vorarlberger Landesregierung diese Berufung abgewiesen und das Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß die übertretene Gesetzesvorschrift zu lauten habe:

"§ 55 Abs. 1 lit. b Baugesetz 1972 iVm dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 14. April 1988, II-631/88".

In der Begründung dieses Bescheides heißt es, bei der am 15. Oktober 1988 angebrachten Balkonverkleidung handle es sich um eine (vom Beschwerdeführer nicht bestrittene) Planabweichung. Bei der mündlichen Verhandlung vom 5. Oktober 1988 über die Bewilligung von anderen bereits vorgenommenen Planabweichungen habe der Sachverständige für Baugestaltung zu der damals bereits ausgelieferten, jedoch noch nicht angebrachten Balkonverkleidung in Anwesenheit des Beschuldigten die Stellungnahme abgegeben, diese sei als "Tiroler Hosenladen" zu bezeichnen und keinesfalls an diesem Objekt anzubringen. Der Beschwerdeführer sei von Behördenvertretern mehrfach aufgefordert worden, die Balkonbrüstung nicht anzubringen; er habe in seiner Einvernahme vom 22. November 1988 eingestanden, er sei am 5. Oktober 1988 informiert worden, daß die Balkonverkleidung nicht angebracht werden dürfe. Bereits mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 20. Juni 1988 sei der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 55 Abs. 1 lit. b des Baugesetzes schuldig erkannt worden; dieses Straferkenntnis habe Planabweichungen am selben Bauvorhaben, welche nach Erteilung der Baubewilligung mit Bescheid vom 14. April 1988 durchgeführt worden seien, zum Gegenstand gehabt. Über den Beschuldigten sei hiefür eine Geldstrafe von S 500,-- verhängt worden. Das Vorbringen, die Anbringung der Balkonverkleidung sei aus Sicherheitsgründen erfolgt, könne nicht berücksichtigt werden, da der Beschwerdeführer dafür zu sorgen gehabt hätte, daß die aufgestockten Geschoße vor Anbringung der genehmigten Balkone nicht benützt würden.

Bei der Strafbemessung habe die Behörde als erschwerend gewertet, daß dem Beschuldigten bereits aufgrund der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vom 5. Oktober 1988 bekannt gewesen sei, daß die Anbringung der Balkone eine bewilligungspflichtige Planabweichung darstelle, deren Genehmigungsfähigkeit zudem in Frage gestanden sei. Er habe die Tat daher vorsätzlich und unter Mißachtung ausdrücklicher Ermahnungen seitens der Behördenvertreter begangen. Insbesondere die Stellungnahme des Sachverständigen in dieser mündlichen Verhandlung sei so eindeutig gewesen, daß dem Beschwerdeführer habe klar sein müssen, daß mit einer nachträglichen Genehmigung der Balkonverkleidung nicht unbedingt habe gerechnet werden können. Angesichts dieses Sachverhaltes hätten keine mildernden Umstände ausfindig gemacht werden können. Als besonders erschwerend sei der Umstand zu werten, daß bereits mit Straferkenntnis vom 20. Juni 1988 im Zuge desselben Bauvorhabens über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe habe verhängt werden müssen, die offenbar nicht ausgereicht habe, abschreckend genug zu wirken. Weiters scheine auch im Hinblick auf die Abhaltung anderer von der Begehung solcher Taten die Verhängung einer hohen Strafe gerechtfertigt. Es handle sich bei der hier vorliegenden Übertretung baurechtlicher Vorschriften um die gröbliche Mißachtung eines Baubewilligungsbescheides und daher keinesfalls um ein vernachlässigbares Delikt. Demgegenüber würden die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten nicht entscheidend strafmildernd in das Gewicht fallen.

Ferner hat die belangte Behörde im Zusammenhang mit der Strafbemessung festgestellt, daß der Beschwerdeführer verheiratet ist und zwei Kinder hat. Er sei Eigentümer des Wohnhauses in X, Haus Nr. 170. Er beziehe netto inklusive Familienbeihilfe S 14.116,--. Weiters beziehe er an Mieteinnahmen von der Gemeinde X S 6.600,-- und von der Raiffeisenbank X S 5.065,-- monatlich; an Darlehensrückzahlungen habe er insgesamt S 2,3 Mio zu leisten; dabei sei zu berücksichtigen, daß diesen Rückzahlungen entsprechende Mieteinnahmen entgegenstehen, sodaß angesichts der Schwere der Verwaltungsübertretung von der Angemessenheit der verhängten Geldstrafe auszugehen sei.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 55 Abs. 1 lit. b des Vorarlberger Baugesetzes begeht eine Verwaltungsübertretung, wer Vorhaben entgegen den auf Grund dieses Gesetzes durch Verordnung erlassenen Vorschriften, entgegen der Baubewilligung oder entgegen Auflagen gemäß § 32 ausführt.

Der Beschwerdeführer bestreitet auch in der Beschwerde nicht den ihm angelasteten (vorsätzlichen) Verstoß gegen den Inhalt der Baubewilligung. Er behauptet unter Bezugnahme auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren vielmehr, er habe das (inkriminierte) Balkongeländer deshalb unbedingt anbringen müssen, um vor allem seine minderjährigen Kinder vor Schaden zu bewahren. In seiner Berufung habe er ausgeführt, daß Architekt A, Bürgermeister B und Vizebürgermeister C der Gemeinde X dazu einzuvernehmen gewesen wären, daß dem Beschwerdeführer seitens des Bezirkshauptmannes Dr. E bzw. des Dr. F zugesichert worden sei, die von ihm beantragte Genehmigung der Planabweichung werde erteilt werden, weshalb ihm subjektiv ein verwaltungsstrafrechtlicher Vorwurf nicht gemacht werden könne. Ferner macht der Beschwerdeführer geltend, im Rahmen der Strafbemessung hätte bei Beurteilung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit die Familienbeihilfe außer Betracht bleiben müssen. Auch habe die belangte Behörde die Höhe der monatlichen Darlehensrückzahlungen in der Höhe von S 2,3 Mio nicht festgestellt. Alle diese Einwände hat der Beschwerdeführer auch in seiner zu hg. Zl. 90/10/0004 protokollierten Beschwerde gegen einen (dasselbe Delikt betreffenden) Strafbescheid nach dem Vorarlberger Landschaftsschutzgesetz vorgebracht; in dem in dieser Beschwerdesache mittlerweile ergangenen Erkenntnis vom 18. Juni 1990, hat der Verwaltungsgerichtshof eingehend dargelegt, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht mit Erfolg aufzuzeigen vermochte. Diese Überlegungen gelten im vorliegenden Fall in gleicher Weise; auf die Begründung des zitierten Erkenntnisses wird daher verwiesen.

Der Beschwerdeführer rügt weiters, der angefochtene Bescheid sei unvollständig und in der Begründung nicht nachvollziehbar; insbesondere weise er keine rechtliche Beurteilung auf und es sei offenkundig, daß zumindest eine volle Seite der Bescheidbegründung fehle.

Tatsächlich endet die Seite 5 der vom Beschwerdeführer beigeschlossenen (und ihm offenkundig zugestellten) Bescheidausfertigung mit folgenden Zeilen:

"3.2. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich:

Gemäß § 55 Abs. 1 lit. b Baugesetz begeht eine Verwaltungsübertretung,"

während Seite 6 der Bescheidausfertigung mit dem Satz beginnt:

"stellten Sachverhalt ist davon auszugehen, daß dieser Straftatbestand erfüllt ist".

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ist ersichtlich, daß nicht - wie der Beschwerdeführer vermutet - eine Seite der Begründung fehlt, sondern, daß - offenbar zufolge eines Bedienungsfehlers des angewendeten Textverarbeitungsprogramms - die letzte Zeile auf der Seite 5 mit dem Wortlaut

"wer Vorhaben entgegen der Baubewiligung ausführt. Aufgrund des festge-"

in der dem Beschwerdeführer zugestellten Bescheidausfertigung verlorengegangen ist, d.h. weder auf Seite 5 unten noch auf Seite 6 oben aufscheint. Dies hat - wie dem Beschwerdeführer zuzugeben ist - zur Folge, daß die Lesbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Begründung des angefochtenen Bescheides beeinträchtigt ist. Dieser Umstand könnte jedoch nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn entgegen der Vorschrift des § 60 AVG 1950 dadurch aus dem Bescheid nicht erkennbar wäre, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt ist, daß gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen Tatbestand für zutreffend erachtet hat, sowie weiters, ob die Behörde die Grundlage ihrer Entscheidung in einem einwandfreien Verfahren gewonnen hat, und ob die von ihr gezogenen Schlüsse den Gesetzen folgerichtigen Denkens entsprechen (vgl. die bei HAUER - LEUKAUF, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens3, zu § 60 AVG unter Nr. 6 ff wiedergegebene Rechtsprechung).

Ein in diesem Sinn dem Verständnis des angefochtenen Bescheides hinderlicher Begründungsmangel liegt aber im Gegenstand nicht vor: Aus den einwandfrei lesbaren Teilen der Bescheidbegründung ist ersichtlich, von welchem Sachverhalt die Behörde ausgegangen ist, wie sie diesen Sachverhalt ermittelt und welche Strafbestimmungen sie auf diesen Sachverhalt angewendet hat. In dem in der vorgelegten Bescheidausfertigung nicht enthaltenen Begründungsteil (nämlich: der fehlenden Zeile der Begründung) hat die belangte Behörde keine Tatsachen festgestellt oder Erwägungen angestellt, wegen deren Unkenntnis der Beschwerdeführer in der Verfolgung seiner rechtlichen Interessen hätte gehindert werden können. Er konnte vielmehr - entgegen dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen - sowohl aus dem angefochtenen Bescheid allein, aber auch nach dem ihm bekannten Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens unzweifelhaft nachvollziehen, von welchen rechtlichen Überlegungen sich die Behörde hat leiten lassen. Auch das Beschwerdevorbringen zeigt, daß sich der Beschwerdeführer des Verfahrensgegenstandes und der behördlichen Erwägungen in vollem Umfang bewußt und somit in der zweckentsprechenden Verfolgung seiner Rechte durch den Ausfertigungsfehler nicht behindert war. Ein Begründungsmangel, der zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen müßte, liegt daher nicht vor.

Schließlich bringt der Beschwerdeführer - wie auch schon im Verwaltungsverfahren - neuerlich vor, daß seiner Meinung nach die Fassade, insbesondere die Balkonbrüstungen eines benachbarten Hotelgebäudes nicht konsensgemäß ausgeführt worden seien; wären sie konsensgemäß ausgeführt worden, so hätte sich auch für sein Geschäftshaus eine völlig andere Entscheidungs- und Beurteilungsgrundlage (bezogen offenbar auf die ihm im Baubewilligungsbescheid erteilten Auflagen) ergeben. In diesem Zusammenhang genügt es darauf zu verweisen, daß nicht die Rechtmäßigkeit der dem Beschwerdeführer im baurechtlichen Bewilligungsbescheid erteilten Auflagen (oder die Rechtmäßigkeit des Baueinstellungsbescheides betreffend die konsenswidrige Bauführung) Gegenstand dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist, sondern ausschließlich die Frage, ob der Beschwerdeführer im Sinne der angewendeten Strafnorm des § 55 Abs. 1 lit. b des Baugesetzes ein Vorhaben entgegen dem Inhalt der ihm erteilten Baubewilligung oder entgegen ihm erteilter Auflagen ausgeführt hat. Dies wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Ob daher die im Rahmen der Erteilung der Baubewilligung gemäß § 31 Abs. 3 des Baugesetzes zu berücksichtigenden Gesichtspunkte des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes zu anderen Auflagen im Sinne des § 32 leg. cit. geführt hätten, würde die Fassade des benachbarten Hotels anders gestaltet sein, kann daher für den Beschwerdefall auf sich beruhen.

Da der angefochtene Bescheid somit weder mit einer in der Beschwerde geltend gemachten noch vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit behaftet ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989060182.X00

Im RIS seit

20.09.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten