TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/24 89/10/0185

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Veröffentlicht am 24.09.1990
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Index

L81506 Umweltschutz Steiermark;
L81516 Umweltanwalt Steiermark;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
AVG §69 Abs1 litb;
AVG §69 Abs1;
AVG §8;
UmweltschutzG Stmk 1988 §6;
UmweltschutzG Stmk 1988 Abschn3 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Stadtgemeinde A (Stadtwerke A) gegen Steiermärkische Landesregierung vom 27. Juli 1989, GZ.: 6-375/III Ki 75/46-1989, betreffend einen Antrag des Umweltanwaltes des Landes Steiermark auf Wiederaufnahme eines naturschutzrechtlichen Verfahrens

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte mit Schriftsatz vom 21. Dezember 1987 (eingelangt beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung am 22. Dezember 1987) den Antrag auf naturschutzrechtliche Bewilligung der Kraftwerksstufen 2 ("B") und 3 ("C") des Wasserkraftprojektes "D". Mit Bescheid vom 17. April 1989 erteilte die Steiermärkische Landesregierung (belangte Behörde) der Beschwerdeführerin gemäß § 6 Abs. 3 lit. c, Abs. 4 lit. a, und Abs. 7 des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes 1976 - NSchG 1976, LGBl. Nr. 65 i.d.F. LGBl. Nr. 79/1985, die naturschutzrechtliche Bewilligung für die Errichtung der Wasserkraftanlagen "KW C und KW B" des Wasserkraftprojektes "D" nach Maßgabe der mit einem behördlichen Sichtvermerk versehenen Planunterlagen sowie unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen und Bedingungen. Dieser Bescheid, der auch dem Umweltanwalt des Landes Steiermark (in der Folge: Umweltanwalt) zugestellt wurde, ist in Rechtskraft erwachsen.

In der Folge beantragte der Umweltanwalt mit Eingabe vom 26. Juni 1989 bei der belangten Behörde die Wiederaufnahme des mit dem oben angeführten Bescheid rechtskräftig abgeschlossenen naturschutzrechtlichen Verfahrens.

Die belangte Behörde gab mit Bescheid vom 27. Juli 1989 dem erwähnten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 lit. b und Abs. 4 AVG 1950 statt, behob ihren Bewilligungsbescheid vom 17. April 1989 und sprach aus, daß das Ermittlungs- und Beweisverfahren wieder aufgenommen werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird einleitend vorgebracht, daß es sich im vorliegenden Fall um die Wiederaufnahme eines Verfahrens auf Antrag des Umweltanwaltes handle, daß aber zu einem derartigen Antrag nur eine Partei des wiederaufzunehmenden Verfahrens berechtigt sei. Nun komme dem Umweltanwalt gemäß § 6 des Gesetzes über die Einrichtungen zum Schutze der Umwelt (in der Folge: Umweltschutzgesetz), LGBl. Nr. 78/1988, zwar grundsätzlich Parteistellung (und das Beschwerderecht an den Verwaltungsgerichtshof) im naturschutzrechtlichen Verfahren zu, doch sei dieses Gesetz am 1. November 1988 mit der Übergangsbestimmung in Kraft getreten, daß es auf Vorhaben keine Anwendung findet, "für die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Bewilligung beantragt oder erteilt wurde" (III. Abschnitt, Abs. 2 dieses Gesetzes). Da die mit dem Bescheid vom 17. April 1989 erteilte Bewilligung bereits am 21. Dezember 1987 und somit vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes beantragt worden sei, sei dieses Gesetz für das in Rede stehende Bewilligungsverfahren nicht anwendbar. Dies habe zur Folge, daß der Umweltanwalt in diesem Verfahren keine Parteistellung habe und daß sein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens daher von der belangten Behörde als unzulässig zurückzuweisen gewesen wäre, wobei auch durch die Zustellung des Bewilligungsbescheides vom 17. April 1989 an den Umweltanwalt dieser nicht zur Partei gemacht worden sei. Wegen der mangelnden Anwendbarkeit des Umweltschutzgesetzes und der mangelnden Parteistellung des die Wiederaufnahme begehrenden Umweltanwaltes sei der in Beschwerde gezogene Bescheid rechtswidrig.

Schon dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde zum Erfolg.

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:

A) AVG 1950:

    "Wiederaufnahme des Verfahrens

    § 69 (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines

         durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist statt-

         zugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid

         nicht oder nicht mehr zulässig ist

         und

         a) ......."

    B) GESETZ VOM 21. JUNI 1988 ÜBER EINRICHTUNGEN ZUM SCHUTZE

    DER UMWELT, LGBl. für die Steiermark Nr. 78/1988,

    verlautbart am 18. Oktober 1988:

    "§ 6 Umweltanwalt

    (1) Zur Wahrung der Interessen des Umweltschutzes im Voll-

    ziehungsbereich des Landes ist von der Landesregierung

    über Vorschlag des für den Umweltschutz zuständigen

    Regierungsmitgliedes ein Umweltanwalt zu bestellen .......

    (2) In behördlichen Verfahren im Vollziehungsbereich des

    Landes, die auch eine Vermeidung einer erheblichen oder

    dauernden Beeinträchtigung von Menschen und der Umwelt zum

    Gegenstand haben, hat der Umweltanwalt Parteistellung im

    Sinne des § 8 AVG 1950 sowie das Recht, gegen den das Ver-

    fahren abschließenden Bescheid Beschwerde an den Verwal-

    tungsgerichtshof zu erheben ......

III. Abschnitt

Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen

(1) Dieses Gesetz tritt mit dem der Verlautbarung folgenden Monatsersten in Kraft.

(2) Das Gesetz findet auf Vorhaben keine Anwendung, für die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits eine Bewilligung beantragt oder erteilt wurde."

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß das in Rede stehende Vorhaben jedenfalls schon vor dem Inkrafttreten des Gesetzes über Einrichtungen zum Schutze der Umwelt

(1. November 1988) beantragt worden war und daher dieses Gesetz auf das Verfahren, das über das genannte Vorhaben durchgeführt wurde, keine Anwendung findet. Damit aber war der Umweltanwalt weder Partei in dem mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 17. April 1989 abgeschlossenen Verfahren, noch war er nach den Bestimmungen des § 69 Abs. 1 AVG 1950 berechtigt, einen Antrag auf Wiederaufnahme des seinerzeit, mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens zu stellen. An diesem Ergebnis vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß ihm seinerzeit der Bescheid der belangten Behörde vom 17. April 1989, mit welchem der Beschwerdeführerin das von ihr am 21. Dezember 1987 beantragte Vorhaben bewilligt wurde, zugestellt worden war.

Die belangte Behörde hätte daher den vom Umweltanwalt gestellten Antrag auf Wiederaufnahme des eingangs angeführten Verfahrens bei der gegebenen Sach- und Rechtslage mangels Berechtigung zur Erhebung desselben ohne weiteres Verfahren zurückweisen müssen. Da sie in offenbarer Verkennung der Rechtsanlage über den vom Umweltanwalt gestellten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens meritorisch entschieden und dem Antrag stattgegeben hat, war der in Beschwerde gezogene Bescheid schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONInhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989100185.X00

Im RIS seit

24.09.1990

Zuletzt aktualisiert am

16.02.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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