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44 Zivildienst;Norm
ZDG §2 Abs1Leitsatz
Keine Glaubhaftmachung der Gewissensgründe; keine Verletzung des durch §2 Abs1 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung, insbesondere nicht durch einen Verfahrensfehler gravierender Natur; das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit iSd Art14 StGG bezieht sich nur auf religiöse Fragen; keine Bedenken gegen §6 Abs2; keine unrichtige zusammensetzung der ZDOK - keine Entzug des gesetzlichen Richters; System der Glaubhaftmachung von Gewissensgründen verstößt nicht gegen das rechtsstaatliche Prinzip - Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 war keine Gesamtänderung der BundesverfassungSpruch
Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDOK) wies mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 9. Juli 1987, Z144 813/2-ZDOK/4/87, den - unter Bezugnahme auf §2 Abs1 Zivildienstgesetz, BGBl. 679/1986 (ZDG), gestellten - Antrag des Bf. auf Befreiung von der Wehrpflicht gemäß §2 Abs1 iVm §6 Abs1 leg.cit. ab.
Dieser Bescheid ist wie folgt begründet:
"Der Antragsteller und nunmehrige Berufungswerber hat im wesentlichen - kurz zusammengefaßt - folgendes vorgebracht:
1. In der Begründung des Antrages:
Es sei ihm erziehungsbedingt ein inneres Bedürfnis, Menschen zu helfen und im Mitmenschen niemals einen Feind, sondern immer einen Freund zu sehen. Er lehne den Dienst beim Bundesheer mit der Waffe ab, weil man dabei gegen einen Feind 'programmiert' werde. Man müsse den Umgang mit der Waffe gegen einen angenommenen Gegner trainieren. Den Gedanken, morgen womöglich einen Freund töten zu müssen, könne er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren. Er finde es auch verantwortungslos, Geld in Waffen zu stecken. Nur alle Menschen miteinander könnten ohne Geld und Waffen an ein Ziel kommen. Das dabei erübrigte Kapital könnte in Entwicklungsländern anderen Menschen helfen.
Er habe sich immer schon bemüht, älteren und kränklichen Menschen beim Einkaufen, bei Reparaturen und der Wohnungsreinigung behilflich zu sein.
2. In der mündlichen Verhandlung vor der Zivildienstkommission:
Er könnte eine Kriegsführung niemals unterstützen, er trete für gewaltlose Verteidigungsformen ein. Man dürfe im einzelnen gegnerischen Soldaten keinen Feind sehen und die staatliche Verwaltung nicht aus der Hand lassen. Da man im Leben positiv denken müsse, denke er nicht daran, jemals Soldat zu werden. Jeder Mensch habe ein Recht zu leben. Beim Zivildienst könne er Menschen helfen, beim Bundesheer bewirke er das Gegenteil.
Der Vater des Antragstellers gab als Vertrauensperson an, in jugoslawischer Gefangenschaft Furchtbares erlebt zu haben und nach Familiengründung auf die Kinder stets dahingehend eingewirkt zu haben, daß sie zueinender lieb und freundlich sowie hilfsbereit sein sollten.
3. Im schriftlichen Rechtsmittelvorbringen:
Der Zivildienst sei für ihn eine sinnvollere Möglichkeit als der Wehrdienst, da er Gewalt aus innerster Überzeugung ablehne. Gewalt könnte niemals ein außerordentliches Mittel in außerordentlichen Situationen sein. Er sei davon überzeugt, daß gewaltfreie Verteidigung effektiver und zielführender wäre. Verschiedene diesbezügliche Versuche hätten weit weniger Zerstörung als vergleichbare Kriege mit sich gebracht und seien letztlich eine bessere Lösung.
4. In der mündlichen Verhandlung vor der Zivildienstoberkommission:
Jeder Mensch sei für ihn ein Freund mit dem Recht auf Leben; er würde es daher niemals über sich bringen, gegen einen anderen Menschen eine Waffe zu richten. Da ein gegnerischer Soldat auch nicht aus sich heraus handle, könne selbst dessen Gewaltanwendung nichts an seiner Grundeinstellung ändern. Auch ein Terrorist habe sicherlich ein Motiv, das ihn zu seiner Handlung veranlasse.
Ihm komme es darauf an, anderen Menschen zu helfen. Sollte er im Rahmen des Bundesheeres genötigt sein, auf einen anderen Menschen zu schießen, würde dies eine schwere Gewissensnot bewirken. Aufgrund seiner Erziehung habe er erkannt, daß Gewalt immer zu Gegengewalt führe. Darstellungen von Gewalt im Fernsehen hätten ihn stets schockiert.
Wenn es nach ihm ginge, würde das Land ohne Gewaltanwendung verteidigt. Als Methoden nenne er Streiks, die Nichtzusammenarbeit mit dem Gegner und alle Maßnahmen, die diesem zeigten, daß er von der Bevölkerung nicht akzeptiert werde. Den einzelnen Soldaten sollte nicht feindselig begegnet werden.Er versuche friedlich und in Ausübung der Nächstenliebe zu leben, Jesus, der seinem Henker noch am Kreuz verziehen habe, sei für ihn ein Vorbild. Im Bekanntenkreis vertrete er seine Ansichten und versuche, sie im Gespräch weiterzugeben.
W K, der Vater des Berufungswerbers, ergänzte zu seinen Angaben vor der Zivildienstkommission, daß sein Sohn christlich erzogen worden sei und dabei besonderer Wert auf friedliches Verhalten gelegt wurde. Er pflichtet der Einstellung seines Sohnes bei.
Die Berufung ist nicht begründet.
Gemäß §2 Abs1 ZDG können nur jene Wehrpflichtige über ihren Antrag von der Wehrpflicht befreit werden, die es aus schwerwiegenden, glaubhaften Gewissensgründen ablehnen, Gewalt gegen andere Menschen (im Rahmen des Wehrdienstes) anzuwenden, und die daher bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissenskonflikte gerieten. Der Antragsteller hat die von ihm behaupteten Gewissensgründe gemaß §6 Abs2 ZDG darzulegen und glaubhaft zu machen.
Wenn man den Ausbildungsstand des Rechtsmittelwerbers mit in Rechnung stellt, kann in der von ihm in der Berufungsverhandlung auf die Frage nach seinen persönlichen Gewissensgründen aufgestellten Behauptung, er sehe in jedem Menschen einen Freund mit dem Recht auf Leben und mit der später auf Befragen abgegebenen Erklärung, Jesus, der immer friedlich gewesen sei und seinen Henkern noch am Kreuz verziehen habe, sei für ihn ein Vorbild, die taugliche Behauptung von Gewissensgründen im Sinne des §2 Abs1 ZDG erblickt werden.
Es ist dem Antragsteller aber auch in der Berufungsverhandlung nicht gelungen, seiner gesetzlichen Glaubhaftmachungsverpflichtung im Sinne des §6 Abs2 ZDG genüge zu tun.
Ausschlaggebend hiefür war, daß er in keiner Phase des Verfahrens dem Senat den Eindruck vermittelte, auf der Basis einer gefestigten inneren Einstellung im Zusammenhang mit der Frage der Gewaltanwendung im Rahmen des Wehrdienstes Waffengewalt gegen Menschen grundsätzlich und vorbehaltlos abzulehnen und sonach im Falle der Präsenzdienstleistung tatsächlich in schwere Gewissensnot zu geraten. Er erweckte vielmehr den Anschein eines Menschen, der sich bisher mit der gesamten Materie nur recht oberflächlich befaßte und der noch nicht zu einer gefestigten Gewissensbildung im Sinne der nach §2 Abs1 ZDG verlangten Voraussetzungen für eine Befreiung vom Wehrdienst gelangt ist.
Infolge der komplexen, zahlreiche auch intuitiv verlaufende Wertungsvorgänge in sich schließenden Natur der freien Beweiswürdigung können die Erwägungen, die den Senat zu dieser Ansicht geführt haben, nur grob umrissen werden, zumal sich die Ausdrucksbewegungen während der Parteienaussage kaum in Worte fassen lassen, dennoch aber zur Entscheidungsfindung gewiß einen wesentlichen Beitrag leisten, und zwar auch dann, wenn der betreffende Zivildienstwerber - wie vorliegend - keine massiven Zeichen der Unsicherheit und Unglaubwürdigkeit von sich gibt (vgl. hiezu beispielsweise VfGH B376/82, B128/83 und B304/83).
Im gegebenen Fall war aber der Senat nicht bloß auf subjektive Wertungsvorschläge beschränkt. Vielmehr standen auch objektive Anhaltspunkte zur Verfügung, die der Annahme entgegenstehen, die in der Berufungsverhandlung geäußerten Gewissensgründe stellten eine gefestigte persönliche Überzeugung des Antragstellers dar. Hat er doch diese Gründe erstmals in der Berufungsverhandlung gebracht und zuvor sein Befreiungsbegehren schwergewichtig mit seinem Bestreben, Menschen zu helfen und mit Überlegungen darüber begründet, welche Vorzüge gewaltfreie Verteidigung aufweise. Daraus zog der Senat den Schluß, daß die in der Rechtsmittelverhandlung ins Treffen geführten Gründe Hochschätzung des menschlichen Lebens und das Bemühen, dem Leben Jesu nachzufolgen - nicht jenen Stellenwert einnehmen, den der Antragsteller behauptet; denn erfahrungsgemäß werden in der Person verwurzelte Überzeugungen der fraglichen Art sogleich geäußert. In diesem Zusammenhang schlägt auch der allfällige Einwand nicht durch, daß die fraglichen Gewissensgründe sich vielleicht erst kurz vor der Berufungsverhandlung herausbildeten. Denn auf die Frage, woher seine Einstellung stamme, erklärte der Berufungswerber, maßgebend hiefür sei seine Erziehung gewesen und er habe schon immer versucht, nach dem Vorbild Jesu friedlich zu leben und in der Ausübung der Nächstenliebe anderer Menschen zu helfen.
In Ansehung dieses letztangeführten Punktes fiel in der Berufungsverhandlung schließlich auf, daß das Gesamtgehaben des Antragstellers sogleich überzeugender und glaubhafter wurde, als er sein Befreiungsbegehren auch darauf zurückführte, ihm komme es darauf an, anderen Menschen zu helfen. Hieraus ergab sich für den Senat der Schluß, daß in diesem Wunsch, anderen zu helfen, die wahre Motivation der Antragstellung gelegen ist, nicht aber in den vorgegebenen Gewissensgründen.
Bei der Würdigung der Person und des Vorbringens des Antragstellers wurde mitberücksichtigt, daß er christlich erzogen und dabei besonderer Wert auf friedliches Verhalten gelegt wurde. Nicht übersehen wurde ferner, daß der Vater des Berufungswerbers - die Vertrauensperson - im Alter von 18 Jahren einrücken mußte, im Krieg furchtbares erlebte und sich anschließend in jugoslawischer Kriegsgefangenschaft befand.
All dies war aber im Sinne eines spezifischen Zusammenhanges mit der vom Zivildienstgesetz geforderten inneren Einstellung nicht gewichtig genug, den in freier Würdigung unmittelbar gewonnenen Eindruck des Senates - siehe oben - entscheidend zu verändern.
Mangels der materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer Wehrpflichtbefreiung mußte sonach der unbegründeten Berufung ein Erfolg versagt bleiben."
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Befreiung von der Wehrpflicht zur Ableistung des Zivildienstes (§2 Abs1 ZDG), volle Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art14 StGG), Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG) und ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Die ZDOK als bel. Beh. legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
II. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:
1. Die Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG besagt, daß Wehrpflichtige im Sinn des Wehrgesetzes 1978, BGBl. 150, auf ihren Antrag (und zwar nach Maßgabe des §5 Abs1 und 3 ZDG, der das Antragsrecht - in hier allerdings unerheblicher Weise beschränkt) von der Wehrpflicht zu befreien sind, wenn sie es von Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen - aus schwerwiegenden, glaubhaften Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten würden; sie sind zivildienstpflichtig. Der VfGH vertritt in seiner mit VfSlg. 8033/1977 eingeleiteten ständigen Rechtsprechung die Auffassung, daß diese Vorschrift das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung beinhaltet (vgl. auch 9985/1984, 10021/1984, 10111/1984).
2. Dieses Grundrecht wird nach der ständigen Judikatur des VfGH nicht bloß dadurch verletzt, daß die Behörde die im §2 Abs1 ZDG umschriebenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Wehrpflichtbefreiung unrichtig beurteilt; eine solche Verletzung ist - da sich der Schutzumfang des Grundrechtes auf die für den Nachweis der Voraussetzungen maßgebende Vorgangsweise der Glaubhaftmachung (Bescheinigung) miterstreckt - auch dann gegeben, wenn der Behörde wesentliche Verstöße in diesem verfahrensrechtlichem Bereich unterlaufen oder wenn sie dem Antragsteller überhaupt die Möglichkeit nimmt, das Vorliegen der materiellen (Befreiungs-) Bedingungen glaubhaft zu machen (vgl. etwa 9970/1984, 9985/1984, 10264/1984).
Wie der VfGH in diesem Zusammenhang schon wiederholt aussprach (VfSlg. 9785/1983, 9985/1984), zählen zu den hier wahrzunehmenden Verstößen auf verfahrensrechtlichem Gebiet auch wesentliche Fehler bei der Beweiswürdigung einschließlich der Würdigung der Parteiaussage als Bescheinigungsmittel.
3. a) Die bel. Beh. geht nun im Ergebnis richtig davon aus, daß der Antragsteller, zieht man alle seine Einlassungen im Verwaltungsverfahren gebührend in Betracht, deutlich erkennbar den Standpunkt einnahm, in Folge seiner - allgemeinen und vorbehaltlosen - Ablehnung der Anwendung von Waffengewalt in schwere Gewissensnot zu geraten, wenn er Wehrdienst leisten müsse.
Eine derartige - an sich taugliche - Behauptung muß aber, sollen die Voraussetzungen für die Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung erfüllt sein, nicht nur aufgestellt, sondern §6 Abs2 ZDG zufolge auch glaubhaft gemacht werden (vgl. zB VfSlg. 9573/1982).
b) Der Bf. sucht darzutun, daß der belangten ZDOK ein derartiger, in die Verfassungssphäre reichender Verfahrensmangel unterlaufen sei, indem er ua. die Unzulänglichkeit der Bescheidbegründung darzulegen versucht. Insbesondere sei das Parteivorbringen im allgemeinen nicht ausreichend und eingehend genug in Betracht gezogen worden.
4. Dieser Vorwurf mehrerer Verfahrensfehler qualifizierter Natur hält aber einer Nachprüfung nicht stand, auch wenn in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die Einlassungen des Bf. nicht in allen Einzelheiten eingegangen wurde. Von verfassungsrechtlich beachtlichen Verfahrensmängeln kann keinesfalls gesprochen werden.
In Wahrheit laufen die Beschwerdeausführungen nach ihrer Zielsetzung auf eine subjektive Kritik der behördlichen Beweiswürdigung hinaus, wenn die Schlußfolgerungen der ZDOK in tatsächlicher Hinsicht als unrichtig und verfehlt hingestellt werden: Abgesehen davon, daß ein nach §2 ZDG bedeutsamer grober Verstoß verfahrensrechtlicher Art im gegebenen Zusammenhang nur in einer der Lebenserfahrung oder den Gesetzen des logischen Denkens widersprechenden Beweiswürdigung der ZDOK liegen könnte (s. VfSlg. 9732/1983), was hier nicht zutrifft, ist dieses Bestreben des Bf. schon deshalb zum Scheitern verurteilt, weil es angesichts des das Kommissionsverfahren beherrschenden Prinzips der freien Beweiswürdigung (iS freier Würdigung der Bescheinigungsmittel verstanden) - das allein Gewähr für die Berücksichtigung der Einmaligkeit der Umstände jedes einzelnen Falles bietet - der in der Beschwerdeschrift ersichtlich verfochtenen Auffassung zuwider keineswegs angeht, die für die Kommissionsentscheidung in der Glaubhaftmachungsfrage maßgebenden vielschichtigen Überlegungen, soweit sie in die schriftlichen Entscheidungsgründe Eingang zu finden vermochten, ungeachtet all ihrer Zusammenhänge schrittweise in ihre Bestandteile zu zerlegen und diese - so aus dem Kontext der Kommissionsüberlegungen gelösten - Begründungsdetails in isolierter Wertung für nicht tragfähig zu erklären. Zudem kann die Gesamtheit aller Umstände, die dem zur Entscheidung berufenen Kollegialorgan die Überzeugung vom Wert und von der Aussagekraft des Bescheinigungsmaterials vermitteln, überhaupt nicht restlos untersucht werden, zumal sich vor allem das Ergebnis des persönlichen Eindrucks, den Aussagende im Zuge ihrer Befragung hinterlassen, nicht immer in voller Breite in Worte kleiden läßt (VfSlg. 9785/1983; VfGH 24. November 1983 B300/83 und B304/83).
5. Zusammenfassend ist hier ein in die Verfassungssphäre reichender gravierender Verstoß auf verfahrensrechtlicher Ebene, insbesondere im Bereich der Beweiswürdigung, nicht zu ersehen:
Der VfGH kann der ZDOK nach Lage des Falles nicht entgegentreten, wenn sie in Prüfung und Würdigung der wesentlichen Verfahrensergebnisse, und zwar unter Bedachtnahme auf das bisherige Verhalten des Antragstellers (§6 Abs2 ZDG) sowie aufgrund seiner Argumentation im Administrativverfahren und des von ihm gewonnenen Eindrucks, in freier Beweiswürdigung zur Ansicht gelangte, daß Gewissensgründe nicht (iS des §6 Abs2 ZDG) glaubhaft gemacht wurden (vgl. hiezu die Judikatur des OGH, wonach (grundsätzlich) keine Verpflichtung besteht, die aufgrund unmittelbaren persönlichen Eindrucks gebildete Überzeugung vom Beweiswert der Angaben einer Person (näher) zu begründen; zB aus jüngerer Zeit: OGH 23. März 1982, 9 Os 38/82; 27. Juli 1982, 10 Os 86/82; s. dazu VfSlg. 9573/1982 ua.).
6. Abschließend folgt daraus, daß keine Verletzung des im §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung vorliegt.
7. Wenn der Bf. im gegebenen Zusammenhang auch das durch Art14 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrecht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit zur Unterstützung seines Beschwerdevorbringens heranzieht, so ist auf die ständige Rechtsprechung des VfGH hinzuweisen, derzufolge sich dieses Recht nur auf religiöse Fragen bezieht (s. zB VfSlg. 8033/1977, 8390/1978, 8788/1980, 8811/1980, 9339/1982), die Bestimmungen des ZDG jedoch überhaupt nicht berührt (VfSlg. 10154/1984, 10183/1984, 10674/1985).
8. Soweit der Bf. - mit weitwendigen Ausführungen darzutun versucht, die im §6 Abs2 ZDG normierte Verpflichtung von Zivildienstwerbern, ihre Gewissensgründe glaubhaft zu machen, verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, ist er ebenfalls auf die Judikatur des VfGH zur Unbedenklichkeit dieser Bestimmung zu verweisen. In der verfassungsgesetzlichen Statuierung der - vom Wehrpfichtigen zu erfüllenden - Befreiungsvoraussetzung der Nennung glaubhafter Gewissensgründe liegt zugleich auch die Verpflichtung (des Antragstellers) zur Glaubhaftmachung seiner inneren Haltung, wie sie die auf der Stufe eines einfachen BG stehende Vorschrift des §6 Abs2 ZDG in Ausführung der Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG umschreibt und festlegt (VfSlg. 10154/1984).
Der Einwand des Bf., er sei wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden, trifft darum nicht zu.
9. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985).
Zum Beschwerdevorwurf, die bel. Beh. sei gesetzwidrig zusammengesetzt gewesen, führte die ZDOK in ihrer Gegenschrift aus:
"Zur Verhandlung vom 9.7.1987 waren, wie aus den beiliegenden Ablichtungen der Rückschein und des 'Form 09' ersichtlich ist, die dort angeführten Mitglieder des Senates 4 der Zivildienstoberkommission geladen. An der Verhandlung haben sich die im Bescheid vom 9.7.1987 bezeichneten Senatsmitglieder beteiligt. Der 'vorsorglich' geltendgemachte Vorwurf der gesetzwidrigen Zusammensetzung der bel. Beh. trifft daher nicht zu. Auf §48 Abs1 Zivildienstgesetz darf in diesem Zusammenhang verwiesen werden."
Auch der VfGH vermag aufgrund der Verwaltungsakten nicht zu erkennen, daß die belangte ZDOK entgegen den Bestimmungen des ZDG zusammengesetzt war. Der von der bf. Partei in diesem Zusammenhang behauptete Verfahrensmangel besteht somit nicht. Damit wurde aber auch - entgegen dem Beschwerdevorbringen - das Grundrecht des Bf. auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) nicht verletzt.
10. Auch das Vorbringen, das System der Glaubhaftmachung von Gewissensgründen des ZDG verstoße "gegen das tragende, rechtsstaatliche Prinzip der Bundesverfassung, welches in Art18 Abs1 B-VG ihren Ausdruck gefunden" habe, ist nicht zielführend. Der VfGH ist der Ansicht, daß die Erlassung der Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG keine Gesamtänderung der Bundesverfassung war.
11. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
ZivildienstEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:B1021.1987Dokumentnummer
JFT_10128788_87B01021_00