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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §56;Betreff
N. gegen Landeshauptmann von Niederösterreich vom 7. Februar 1989, Zl. VII/1-V-1085/2/1-88, betreffend Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes,
Spruch
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Nichtstattgebung des Ansuchens um Nachsicht der Strafe richtet;
2. Im übrigen wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 26. Jänner 1988 wurde der Beschwerdeführer wegen der Übertretungen nach § 27 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 2 des Arbeitsruhegesetzes bestraft, weil er am 28. Februar 1987 (Samstag) als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma N. AG mit dem Sitz in W.N. in der Filiale "K., E.-Straße, 31 namentlich angeführten Arbeitnehmern die gesetzliche Wochenendruhe insofern nicht gewährt habe, als diese nach 13.00 Uhr mit Inventurarbeiten beschäftigt worden seien. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er u.a. geltend machte, daß der Filialleiter F.L. verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 VStG für die Einhaltung des Arbeitsruhegesetzes sei. Mit der Berufung wurde die Ablichtung einer Bestellungsurkunde des F.L. zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG für die von ihm geleitete Filiale Nr. nn in K., E.-Straße, vorgelegt, worin der Genannte mit seiner Unterschrift bestätigte, daß er seine Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten zur Kenntnis genommen und dieser zugestimmt habe. Sein Verantwortungsbereich sollte unter anderem auch die Einhaltung von Dienstnehmerschutzbestimmungen umfassen. Als Datum scheint vor der Unterschrift der 5. März 1986 auf. Gleichzeitig mit der Berufung stellte der Beschwerdeführer auch ein Ansuchen um Nachsicht der Strafe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 51 VStG 1950 in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis bestätigt. Dem gleichzeitig eingebrachten Ansuchen um Nachsicht der Strafe wurde nicht stattgegeben. In der Begründung wurde "zur Verantwortlichkeit" folgendes ausgeführt:
"Verantwortlich für die gegenständlichen Übertretungen ist primär gemäß § 9 (1) VStG 1950 der zur Vertretung nach außen berufene, ressortverantwortliche Vorstandsdirektor H.S. Darüber hinaus ist er für die Anordnung, die Inventur sei am 28. Februar 1987 durchzuführen und abzuschließen und der daraus resultierenden Verletzungen von Arbeitnehmerschutzbestimmungen allein verantwortlich.
In der Berufung wurde erstmalig die Behauptung vorgebracht, die Filialleiter seien gemäß § 9 VStG für die Einhaltung der Arbeitszeit- und Arbeitsruhebestimmungen verantwortlich. Gleichzeitig wurde die Zustimmungserklärung des Filialleiters L. in Kopie beigebracht. Damit ging aber die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit nicht auf den genannten Filialleiter über, weil der diesbezüglich beweispflichtige Beschuldigte (ressortverantwortliche Vorstandsdirektor) dies nicht spätestens im Verwaltungsstrafverfahren der I. Instanz geltend gemacht hatte und der Beweis nicht erbracht wurde, daß hier dem Filialleiter die nach § 9 Abs. 4 VStG geforderte, entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen war, sondern im Gegenteil durch die konkrete Inventuranordnung stark eingeschränkt bzw. aufgehoben wurde.
Daß es bei solchen Inventuren immer wieder zu Übertretungen nach dem ARG gekommen ist und kommen mußte, war dem BW bekannt. Trotzdem setzte er nicht die erforderlichen Maßnahmen, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Wochenendruhe gewährleisteten, ja nicht einmal solche, die sie ermöglichten, sondern kündigte diese nur für 1988 (neue Inventuranordnung) an.
Der Vollständigkeit halber wird noch bemerkt, daß gemäß § 9 Abs. 6 VStG die zur Vertretung nach außen berufenen Personen, trotz Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten strafrechtlich verantwortlich bleiben, wenn sie die Tat vorsätzlich nicht verhindert haben, was ebenfalls hier zutrifft."
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte. Mit Beschluß vom 26. September 1989, B 377-380/89 und Folgezahlen, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Bechwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid in seinem gesamten Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 19. November 1987, Zlen. 87/08/0176-0229, und die dort angeführte Vorjudikatur) ist eine Beschwerde des Bestraften, die sich gegen die Versagung des Gnadenrechtes gemäß § 51 Abs. 4 VStG 1950 richtet, unzulässig. Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen, soweit sie sich gegen die Nichtstattgebung des Ansuchens um Nachsicht der Strafe richtet.
Bezüglich der mit dem angefochtenen Bescheid getroffenen Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers weist dieser - unter anderem - auf die ihn von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit befreiende Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten "gemäß § 9 VStG" in der Person des Filialleiters hin. Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu. Dazu genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG insbesondere hinsichtlich der Frage der Rechtzeitigkeit der Erbringung des Zustimmungsnachweises des verantwortlichen Beauftragten auf das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1990, Zl. 90/19/0053, und insbesondere hinsichtlich der Frage der Bedeutsamkeit von betriebsinternen Weisungen für die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten auf das hg. Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 90/19/0084, zu verweisen. Beide Erkenntnisse ergingen in gleichgelagerten, denselben Beschwerdeführer betreffenden Beschwerdesachen.
Der angefochtene Bescheid war daher aus den in den angeführten Erkenntnissen ersichtlichen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 1 und 6 VwGG abzusehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Stempelgebühren konnten nur im erforderlichen Ausmaß zugesprochen werden, wobei die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu entrichtenden Stempelgebühren nicht zu berücksichtigen waren.
Schlagworte
Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff Allgemein Strafmilderungsrecht GnadenrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990190052.X00Im RIS seit
24.09.1990