Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde der N-Aktiengesellschaft gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 13. Februar 1990, Zl. VI/1-605-1990, betreffend Untersagung der Gewerbeausübung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 13. Februar 1990 wurde die am 24. Juli 1989 im Sinne des § 46 Abs. 3 GewO 1973 erstattete Anzeige der Beschwerdeführerin, welche Inhaberin einer Gewerbeberechtigung, lautend auf das Handelsgewerbe gemäß § 103 Abs. 1 lit.b Z. 25 GewO 1973, beschränkt auf den Kleinhandel im Standort Wien 11, A-Gasse 3, sei, über die Ausübung dieses Gewerbes in der weiteren Betriebsstätte im Standort X, Hauptstraße 65, gemäß § 345 Abs. 9 GewO 1973 nicht zur Kenntnis genommen und die Ausübung des eingeschränkten Handelsgewerbes in der angeführten weiteren Betriebsstätte untersagt. Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage aus, mit Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 29. November 1989 sei der Beschwerdeführerin die beantragte Genehmigung zur Errichtung des Verkaufsgebäudes in X, Hauptstraße 65, gemäß § 77 Abs. 1 zweiter Satz verweigert worden, da sich ein Teil dieser Betriebsanlage in der Widmungskathegorie "Bauland-Wohngebiet" befinde, es sich um eine unteilbare Betriebsanlage handle und daher die Bestimmungen des Burgenländischen Raumordnungsgesetzes in Verbindung mit dem Flächenwidmungsplan der Gemeinde X der Errichtung dieser Betriebsanlage entgegenstünden. Dieser Bescheid sei zufolge Berufung der Beschwerdeführerin nicht in Rechtskraft erwachsen und die Angelegenheit derzeit beim Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten anhängig. Wie die Beschwerdeführerin unter diesen Umständen zur Ansicht gelange, ihr gegenüber liege eine Betriebsanlagengenehmigung der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vor, sei unerfindlich. Tatsächlich sei dieser Genehmigungsbescheid nicht in Rechtskraft erwachsen. Von der Beschwerdeführerin sei auch nicht glaubhaft gemacht worden, daß das gegenständliche Gewerbe wenigstens zum Teil auch ohne den Betrieb der in Rede stehenden Anlage ausgeübt werden könne. Es dürfe als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, daß für die Ausübung des gegenständlichen Gewerbes durch die Beschwerdeführerin die Benützung der Lager- und Verkaufsräume der umstrittenen Betriebsanlage unerläßlich sei. Eine Ausübung selbst des eingeschränkten Handelsgewerbes ohne Benützung der Lager- und Verkaufsräume der Betriebsanlage sei unmöglich und widerspreche den Erfahrungen des täglichen Lebens. Es stünde somit der Ausübung des in Rede stehenden Gewerbes die Bestimmung des § 15 Abs. 2 GewO 1973 entgegen, wonach in einem Fall wie dem vorliegenden die rechtskräftige Genehmigung der Betriebsanlage, in welcher das Gewerbe ausgeübt werden solle, vor der Gewerbeanmeldung vorliegen müsse.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltunsgsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem subjektiven öffentlichen Recht auf Ausübung des Handelsgewerbes gemäß § 103 Abs. 1 lit. b Z. 25 GewO 1973, beschränkt auf den Kleinhandel in der weiteren Betriebsstätte im Standort X, Hauptstraße 65, verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringt die Beschwerdeführerin vor, im Betriebsanlagengenehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vom 8. März 1989 seien auf Seite 12 jene Personen und Behörden angeführt, denen der Bescheid zugestellt worden sei. Die im Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 29. November 1989 angeführten "Berufungswerber" seien in der Zustellverfügung des genannten Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf nicht angeführt, sodaß die Beschwerdeführerin davon ausgehen müsse, daß diesen Personen der Bescheid nicht zugestellt worden sei. Daraus folge wiederum, daß die im Bescheid vom 29. November 1989 angeführten Berufungswerber nicht als Partei, sondern allenfalls als "übergangene Parteien" zu beurteilen seien. Dies habe zur Folge, daß der Betriebsanlagengenehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf zwar der Beschwerdeführerin gegenüber, möglicherweise jedoch nicht gegenüber allfällig übergangenen Parteien in Rechtskraft erwachsen sei. Die im Bescheid vom 29. November 1989 angeführten Berufungswerber hätten die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vom 8. März 1989 beantragen müssen, um zur Einbringung der Berufung legitimiert zu werden. Da der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf dem Berufungswerber nicht zugestellt worden sei, sei der Landeshauptmann von Burgenland zur Berufungsentscheidung im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950 nicht berechtigt gewesen. Eine Behebung des erstinstanzlichen Bescheides hätte nur nach § 68 Abs. 3 und/oder Abs. 4 AVG 1950 erfolgen können, was jedoch nicht geschehen sei. Es sei ferner davon auszugehen, daß die Baubehörde durch ihren Bescheid vom 24. Jänner 1989 rechtswirksam die Bestimmungen der §§ 14 und 20 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes und sohin die Einhaltung des Flächenwidmungsplandes vollzogen habe. In dem genannten Bauverfahren sei die Frage der Zulässigkeit des Geschäftsgebäudes unter dem Gesichtspunkt der §§ 14 Abs. 3 und § 20 Burgenländisches Raumplanungsgesetz als Hauptfrage beurteilt worden. Die Berufungsbehörde, die primär Gewerbevorschriften und lediglich als Vorfrage Bauvorschriften vollziehe, wäre sohin verpflichtet gewesen, ihrem Bescheid die rechtskräftige Entscheidung der Baubehörde unter dem Gesichtspunkt des § 14 Abs. 3 und § 20 Abs. 1 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes zugrundezulegen. Der Berufungsbehörde sei auch unter dem Gesichtspunkt des § 77 Abs. 1 GewO 1973 die neuerliche Prüfung der Vollziehung des Flächenwidmungsplanes im Bezug auf Größe der Verkaufsfläche und Warenangebot verwehrt gewesen, weil in diesen Fragen Bau- und Gewerbebehörde die Zulässigkeit des Bauvorhabens nicht nach verschiedenen Gesichtspunkten, sondern nach gleichen Gesichtspunkten zu beurteilen hätten. Gegenstand der Überprüfung nach den genannten Bestimmungen durch die Berufungsbehörde seien lediglich die Größe der Verkaufsfläche und das Warenangebot, nicht jedoch allfällige Emissionen, die eine unterschiedliche Beurteilung erfordern würden.
Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun.
Gemäß § 46 Abs. 2 GewO 1973 darf ein Gewerbe in einer weiteren Betriebsstätte innerhalb wie außerhalb der Gemeinde des Standortes ausgeübt werden, wenn die Ausübung im Standort der weiteren Betriebsstätte zulässig (§ 15) und nicht von vornherein durch einen Nachsichtsbescheid örtlich beschränkt worden ist.
Nach § 15 Z. 2 leg. cit. darf eine gewerbliche Tätigkeit nicht ausgeübt werden, wenn Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der hierauf gegründeten Verordnungen dieser Tätigkeit entgegenstehen; die etwa erforderliche Genehmigung der Betriebsanlage (§ 74) muß bei der Anmeldung des Gewerbes oder der Erteilung der Konzession aber noch nicht vorliegen, sofern das Gewerbe wenigstens zum Teil auch ohne den Betrieb dieser Anlage ausgeübt werden kann.
Zufolge § 345 Abs. 9 leg. cit. hat die Behörde, bei welcher eine Anzeige wie die vorliegende erstattet worden ist, wenn die jeweils geforderten gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind - unbeschadet eines Verfahrens nach §§ 366 ff - dies mit Bescheid festzustellen und die Maßnahme oder die Tätigkeit, die Gegenstand der Anzeige ist, zu untersagen.
Die Beschwerdeführerin zieht in der Beschwerde nicht mehr in Zweifel, daß das Fehlen einer gewerbebehördlichen Genehmigung ihrer Betriebsanlage in X ein Untersagungsgrund im Sinne der zuletzt zitierten Gesetzesstelle wäre; sie vertritt jedoch den Standpunkt, eine solche Genehmigung liege vor.
Dieser Rechtsansicht vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen.
Nach den übereinstimmenden Sachverhaltsdarstellungen im angefochtenen Bescheid und in der Beschwerde wurde der Beschwerdeführerin mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vom 8. März 1989 die gewerbebehördliche Genehmigung der in Rede stehenden Betriebsanlage erteilt. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 29. November 1989 wurde dieser Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 dahingehend abgeändert, daß der Beschwerdeführerin die beantragte Genehmigung dieser Betriebsanlage verweigert wurde. Über die gegen diesen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde noch nicht entschieden.
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 hat die Berufungsbehörde, von den hier nicht in Betracht kommenden Fällen einer Zurückweisung der Berufung bzw. einer Entscheidung nach Abs. 2 abgesehen, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgmäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Ein im Verwaltungsverfahren ergangener Berufungsbescheid hat die Wirkung, daß der erstinstanzliche Bescheid in der Berufungsentscheidung aufgegangen ist und diese Berufungsentscheidung, sobald sie erlassen und solange sie aufrecht ist, der alleinige und ausschließliche Träger des Bescheidinhaltes ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Februar 1981, Zl. 81/09/0013, und die dort zitierte Vorjudikatur). Solange die Berufungsentscheidung nicht im Rechtsmittelweg oder durch Erkenntnis des Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshofes beseitigt wurde, tritt diese Wirkung unabhängig davon ein, ob die Entscheidung der Berufungsbehörde mit dem Gesetz in Einklang steht oder nicht.
Es braucht daher im vorliegenden Fall nicht weiter untersucht zu werden, ob jenen Personen, über deren Berufung der Landeshauptmann von Burgenland den die Betriebsanlagengenehmigung verweigernden Bescheid vom 29. November 1989 erließ, tatsächlich ein Berufungsrecht zustand. Denn auch im Fall der Verneinung dieser Frage könnte dies im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage nichts daran ändern, daß durch den zuletzt zitierten Bescheid der Genehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf in der Berufungsentscheidung aufgegangen ist und somit eine rechtskräftige (§ 78 Abs. 1 GewO 1973) gewerbebehördliche Genehmigung dieser Betriebsanlage im maßgeblichen Zeitpunkt nicht bestand.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher in der Rechtsansicht der belangten Behörde, der Ausübung des in Rede stehenden Gewerbes in der angemeldeten weiteren Betriebsstätte stehe die Bestimmung des § 15 Abs. 2 GewO 1973 entgegen, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erkennen.
Die Beschwerde erweist sich somit als nicht berechtigt, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen Rechtsnatur und Rechtswirkung der BerufungsentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990040075.X00Im RIS seit
25.09.1990