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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §7 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Domittner und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 2. März 1990, Zl. R/1-V-89179, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. A, 2. Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 17. April 1989 beantragte der Erstmitbeteiligte die Erteilung einer Baubewilligung für die Sanierung eines bestehenden Gebäudes sowie den Neubau eines Wohnhauses auf dem Grundstück Nr.50/1, KG X, (Hauptstraße n). Über dieses Ansuchen wurde am 16. Mai 1989 eine Bauverhandlung durchgeführt, diese wurde aber abgebrochen.
Mit dem am 14. Juni 1989 bei der mitbeteiligten Gemeinde eingebrachten Ansuchen beantragte der Erstmitbeteiligte die Erteilung einer Baubewilligung zur Sanierung des Hauses Hauptstraße n und zum Teilabbruch dieses Gebäudes auf der Gartenseite. Bei der "Althaussanierung" sollte unter teilweiser Erhaltung der straßenseitigen Außenmauer und des bestehenden Kellerteiles im Erdgeschoß nach Aufstellen neuer Zwischenmauern und neuer Außenmauern ein Geschäftslokal mit daneben befindlichem WC, Bad, Abstellraum und Aufenthaltsraum errichtet werden. Das Obergeschoß sollte ausgebaut und eine Wohnung bestehend aus Wohnzimmer, Kochnische, Bad und zwei Kabinetten errichtet werden. Gleichzeitig sollte ein ca. 45 m2 großer Teil des Altgebäudes gartenseitig abgebrochen werden. Über dieses Ansuchen fand am 27. Juni 1989 eine Bauverhandlung statt, zu der auch der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG 1950 geladen wurde. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der westseitig an das Projekt angrenzenden Liegenschaft. Er sprach sich während der Verhandlung gegen das Bauvorhaben aus; durch das geplante Bauvorhaben würden seine Lichtverhältnisse verschlechtert, durch die neugeschaffenen Abstellplätze ergäbe sich für ihn eine Belästigung, durch die seine Lebensqualität beeinträchtigt würde.
Mit Bescheid vom 24. Juli 1989 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Erstmitbeteiligten die beantragte Baubewilligung, die Niederschrift über die Verhandlung vom 27. Juni 1989 wurde zu einem Bestandteil des Bescheides erklärt. Die Einwendung des Beschwerdeführers betreffend die Beeinträchtigung seiner Lebensqualität wurde auf den Zivilrechtsweg verwiesen, jene hinsichtlich der Verschlechterung der Lichtverhältnisse und der Belästigung durch die Abstellplätze wurden als unbegründet abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer Berufung ein, in der er ausführte, der Bauwerber habe ein Projekt zur Verhandlung eingereicht, welches in ungefähr 20 Punkten der Niederösterreichischen Bauordnung nicht entsprochen habe; die erste Bauverhandlung (am 16. Mai 1989) habe daher abgebrochen werden müssen. Der Bauwerber habe ihm aber schriftlich mitgeteilt, daß er weiterhin die Errichtung dieses Projektes (Schleifung des Hauses bis auf einen Teil der Mauer und der Veranda, Bau einer Tiefgarage für 10 Autos und Errichtung einer Wohnhausanlage) in einzelnen Etappen betreiben werde. Dieses Vorgehen stelle eine Umgehung der Niederösterreichischen Bauordnung dar und sei daher von der Baubehörde zu unterbinden. Schon bei dem am 27. Juni 1989 abgehandelten Teilprojekt würde die Lichteinstrahlung in das Haus des Beschwerdeführers wesentlich behindert.
Mit Berufungsbescheid vom 19. September 1989 wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung wies der Beschwerdeführer lediglich darauf hin, der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde habe in seiner Sitzung vom 12. September 1989 über die Berufung entschieden, wobei der Vorsitz vom Bürgermeister an den Gemeinderat Ing. R abgegeben worden sei. Dieser sei jedoch als Obmann des Bauausschusses mehrere Male mit dieser Bauangelegenheit befaßt gewesen, daher sei eine objektive Verhandlungsleitung nicht möglich gewesen.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 2. März 1990 wies die Niederösterreichische Landesregierung die Vorstellung als unbegründet ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Einhaltung der Vorschriften des § 7 AVG 1950 verletzt, weil ein befangenes Gemeinderatsmitglied (Gemeinderat R) als Obmann des Bauausschusses das gegenständliche Projekt nicht nur im Rahmen des Bauausschusses geprüft und offenbar gewürdigt habe, sondern als Vorsitzender der Gemeinderatssitzung vom 12. September 1989 jenes Gemeinderatsmitglied gewesen sei, welches die Entscheidung des Gemeinderates über die Berufung des Beschwerdeführers ganz wesentlich und praktisch allein beeinflußt habe.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und brachte eine Gegenschrift ein, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Auch der Erstmitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift, in der er die Abweisung der Beschwerde begehrte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Aus dem vorgelegten Auszug aus dem Protokoll des Gemeinderates über die Sitzung vom 12. September 1989 geht hervor, daß zunächst der Bürgermeister und vierzehn Mitglieder des Gemeinderates an der Sitzung teilnahmen. Vor der Beratung über die Berufung des Beschwerdeführers übergab der Bürgermeister den Vorsitz an Ing. R und verließ wegen Befangenheit den Sitzungssaal. Auch der Beschwerdeführer, der Mitglied des Gemeinderates ist, verließ wegen Befangenheit in eigener Sache den Sitzungssaal. Es verblieben also dreizehn Mitglieder des Gemeinderates, nach dem Sitzungsprotokoll erfolgte die Entscheidung des Gemeinderates über die Berufung des Beschwerdeführers einstimmig.
Die mitbeteiligte Gemeinde hat in ihrer Stellungnahme an die Vorstellungsbehörde mitgeteilt, daß der Bauausschuß, dessen Vorsitzender Ing. R ist, mit dem Ansuchen vom 12. Juni 1989 nicht befaßt war. Daß Ing. R als Vorsitzender der Gemeinderatssitzung vom 12. September 1989 dasjenige Gemeinderatsmitglied gewesen sei, das die Entscheidung des Gemeinderates über die Berufung des Beschwerdeführers ganz wesentlich und praktisch allein beeinflußt habe, ist eine Spekulation des Beschwerdeführers. Der Hinweis in der Beschwerde, Ing. R sei von Beruf Baumeister und könne die vorliegende Bausache auch wegen seines Berufes nicht derart unbefangen beurteilen, wie dies für ein Gemeinderatsmitglied, welches nicht dem Berufsstand der Baumeister angehöre, möglich gewesen sei, ist nicht geeignet, eine Befangenheit darzutun, ließe doch ein derartiges Verständnis des Begriffes "Befangenheit" nur den Schluß zu, daß Personen, die schon auf Grund ihres Berufes einen gewissen Sachverstand einbringen, von allen Entscheidungen, die dieses Fachgebiet berühren, ausgeschlossen wären. Überdies hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. Februar 1972, Zl. 256/71, ausgeführt, die Mitwirkung eines befangenen Mitgliedes des Gemeinderates könnte nur dann einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellen, wenn der Gemeinderat bei Abwesenheit des befangenen Mitgliedes nicht beschlußfähig gewesen wäre oder wenn ohne dessen Stimme die für die Beschlußfassung nach der Gemeindeordnung erforderliche Stimmenmehrheit nicht zustandegekommen wäre. Beides trifft auf den vorliegenden Fall nicht zu.
Der Beschwerdeführer weist darauf hin, daß der Erstmitbeteiligte bereits am 17. April 1989 um eine Baubewilligung angesucht habe. Mit Ansuchen vom 12. Juni 1989 habe er neuerlich die Sanierung des Hauses beantragt. Das neu eingereichte Projekt unterscheide sich von dem ersten nur unwesentlich. Es sei bloß der ursprünglich auch projektierte Neubau eines Wohnhauses (Ü) von der mitbeteiligten Partei fallengelassen worden. Da im Ergebnis im Abbrechen der Bauverhandlung eine materiell-rechtliche Ablehnung der Baubehörde erster Instanz erblickt werden müsse, hätte die belangte Behörde bereits die Verfahrenseinleitung wegen entschiedener Sache verweigern müssen.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen: Die Niederösterreichische Bauordnung sieht in ihrem § 100 Abs. 5 für die Erteilung einer Baubewilligung einen schriftlichen Bescheid vor, der dem Bewilligungswerber sowie allen anderen Parteien zuzustellen ist. Daß über ein erstes Ansuchen bereits ein Baubewilligungsbescheid ergangen sei, hat nicht einmal der Beschwerdeführer behauptet. Überdies hat der Verwaltungsgerichtshof in einhelliger Rechtsprechung (so auch in dem vom Beschwerdeführer angeführten Beschluß vom 8. November 1983, Zl. 81/05/0146) dargetan, daß es einem Bauwerber freisteht, sich für ein und dasselbe Grundstück mehrere Projekte bewilligen zu lassen. Schließlich könnte auch nicht davon ausgegangen werden, daß der Entfall eines ursprünglich projektiert gewesenen Neubaues eines Wohnhauses als unwesentliche Änderung dieses Bauprojektes angesehen werden könnte.
In der Beschwerde wird auch gerügt, die Baubehörde hätte entsprechende Sachverständigengutachten über die tatsächlich zu erwartenden Belastungen aus dem Abstellen von Kraftfahrzeugen einholen müssen. Nun hat der Beschwerdeführer aber weder in seiner Berufung noch in der Vorstellung eine Rechtsverletzung im Zusammenhang mit den zu erwartenden Immissionen aus dem Abstellen von Kraftfahrzeugen geltend gemacht. Da die Berufung und die Vorstellung des Beschwerdeführers keine Ausführungen hinsichtlich zu erwartender Immissionen enthielten, bestand für den Gemeinderat und in der Folge für die Vorstellungsbehörde keine Veranlassung, auf diesen, im Verwaltungsverfahren unangefochten gebliebenen Punkt einzugehen.
Da sich sohin die Beschwerde insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Diverses BauRallg11/4Verfahrensbestimmungen Befangenheit offenbare UnrichtigkeitenBefangenheit von SachverständigenBaubewilligung BauRallg6Befangenheit innerhalb der GemeindeverwaltungBefangenheit der Mitglieder von KollegialbehördenEinfluß auf die SachentscheidungIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990050079.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
01.06.2010