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40 Verwaltungsverfahren;Norm
B-VG Art20 Abs1Leitsatz
Mangelnde Präjudizialität des §47 Abs2 erster Satz VStG (betreffend die Zulässigkeit der Erstellung von Computerstrafverfügungen) - Einstellung des Prüfungsverfahrens in diesem Umfang, auch hinsichtlich der darauf gestützten Bestimmungen der Polizeistrafverordnungen; keine Präjudizialität des §58 Abs3 AVG Verfassungsrechtliche erforderliche Merkmale des Bescheides einer Verwaltungsbehörde: rechtsverbindliche Entscheidung einer Verwaltungsangelegenheit durch Gestaltung oder Feststellung der Rechtssphäre individuell bestimmter Personen sowie sichergestellte Erkennbarkeit derartiger Verwaltungsakte; Erfordernisse für die Rechtswirksamkeit von Bescheiden insbesondere Strafverfügungen, die unter Anwendung automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden; §47 Abs2 zweiter Satz VStG und §18 Abs4 letzter Satz werden nicht als verfassungswidrig aufgehobenSpruch
I. Das Gesetzesprüfungsverfahren wird hinsichtlich §47 Abs2 erster Satz des Verwaltungsstrafgesetzes, BGBl. Nr. 172/1950, idF BGBl. Nr. 176/1983, eingestellt.
Das Verordnungsprüfungsverfahren wird hinsichtlich der Worte "sowie gemäß §36 lite KFG 1967" in §3, "§24, Abs1 lita," in §5 sowie hinsichtlich der §§8, 11 und 12 der V der Bundespolizeidirektion Wien vom 12. Jänner 1984, mit der einzelne Tatbestände von Verwaltungsübertretungen bestimmt und die jeweils zu verhängenden Strafen im vorhinein festgesetzt werden, Z P 1886/18/a/83, eingestellt.
II. §47 Abs2 zweiter Satz des Verwaltungsstrafgesetzes, BGBl. Nr. 172/1950, idF BGBl. Nr. 176/1983, und §18 Abs4 letzter Satz des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 172/1950, idF BGBl. Nr. 199/1982, werden nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Beim VfGH ist zu A6/86 eine auf Art137 B-VG gestützte Klage anhängig, in welcher vorgebracht wird, daß dem Kläger mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien vom 16. April 1986, Z Cst 3205/FD/86, zur Last gelegt worden sei, eine Verwaltungsübertretung nach §36 lite KFG 1967 begangen zu haben, weshalb gegen ihn in Anwendung des §47 VStG 1950 eine Geldstrafe verhängt worden sei. Da die dem Kläger zugestellte Bescheidausfertigung weder die leserliche Beifügung des Namens dessen, der die Erledigung genehmigt habe, noch die Unterschrift des genehmigenden Behördenorgans oder eine Beglaubigung trage und auch die im Verwaltungsstrafakt erliegende Erledigung keine Unterschrift des den Bescheid genehmigenden Behördenorgans aufweise, sei gegen den Kläger ein rechtswirksamer Bescheid überhaupt nicht erlassen worden, sodaß er die - rechtsirrtümlich - geleistete Zahlung der Geldstrafe rückgefordert habe. Mangels Zahlung begehre der Kläger, den beklagten Bund urteilsmäßig zur Rückleistung des von ihm bezahlten Betrages zu verhalten.
Der beklagte Bund wendete ein, daß die Strafverfügung im Einklang mit der Rechtslage erlassen worden sei. Ausfertigungen mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung bedürften gemäß §18 Abs4 vierter Satz AVG 1950 weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung; die Regelung enthalte auch keine Vorschrift, in welcher Form die Genehmigung eines solchen Geschäftsstückes zu erfolgen habe, insbesondere auch nicht, daß es dazu der Unterschrift des Amtsorganes bedürfte, weil eine solche nicht die einzig rechtlich zulässige Möglichkeit darstelle, in der eine Genehmigung dokumentiert werden könne. Wesentlich sei nur, daß sich aus den aktenmäßigen Unterlagen feststellen lasse, welche mit behördlichen Aufgaben ausgestattete Person den Bescheidwillen gebildet habe. Im vorliegenden Fall sei dies schon auf Grund eines im Verwaltungsstrafakt festgehaltenen Zuweisungsvermerkes leicht feststellbar. Der zuständige Referent habe auf Grund der Aktenangaben die Schlüssigkeit der gegen den Kläger erstatteten Anzeige geprüft und entschieden, daß eine Strafverfügung gemäß §47 Abs2 VStG zu erlassen sei, und damit die (vorgedruckte) Strafverfügung genehmigt. Rechtsgrundlage hiefür sei §47 Abs2 VStG 1950 iVm §3 letzter Tatbestand der im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 21. Jänner 1984 kundgemachten V der Bundespolizeidirektion Wien vom 12. Jänner 1984 (künftig: Polizeistrafverordnung). Der beklagte Bund begehre daher die kostenpflichtige Klagsabweisung.
1.2. Beim VfGH ist weiters eine auf Art137 B-VG gestützte Klage zu A9/86 anhängig, in der vorgebracht wird, daß der Kläger mit einer sogenannten Computerstrafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Floridsdorf, vom 18. April 1986, Z Cst 2751/FD/86, wegen einer Übertretung nach §20 Abs1 StVO gemäß §99 Abs3 lita StVO mit einer Geldstrafe bestraft worden sei, deren Bezahlung aus den gleichen - im vorausgehenden Rechtsfall bereits geschilderten Erwägungen ohne rechtliche Grundlage erfolgt sei, sodaß begehrt wird, den Bund zur Rückzahlung zu verurteilen.
Der beklagte Bund hat auch in diesem Falle eingewendet, daß die der Zahlung zu Grunde liegende Computerstrafverfügung, wie aus der Aktenlage erkennbar sei, genehmigt worden und damit ordnungsgemäß ergangen sei, weshalb die kostenpflichtige Klagsabweisung begehrt werde.
1.3. In einer weiteren auf Art137 B-VG gestützten, zu A10/87 protokollierten Klage wird vorgebracht, daß der Kläger mit vier sogenannten Computerstrafverfügungen der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Hietzing, vom 1. Oktober 1984, Z Cst 3620/HG/84, wegen einer Übertretung des §20 Abs2 StVO; vom 3. März 1986, Z Cst 627/HG/86, wegen einer Übertretung des §23 Abs2 StVO; vom 28. März 1986, Z Cst 703/HG/86, wegen einer Übertretung nach §20 Abs2 StVO und vom 6. August 1986, Z Cst 2587/HG/86, wegen einer weiteren Übertretung des §20 Abs2 StVO mit Geldstrafen bestraft worden sei. Diese Strafverfügungen stellten keine Bescheide dar, weil weder die zugestellten Strafverfügungen noch die in den Akten enthaltenen Ausfertigungen vom Genehmigenden unterfertigt seien und es auch in den jeweiligen Ausfertigungen an der Beisetzung des Namens des Genehmigenden fehle, sodaß begehrt werde, das beklagte Land Wien zur Rückleistung der zu Unrecht vereinnahmten Beträge urteilsmäßig zu verhalten.
Auch in dieser Rechtssache wird von der beklagten Partei die Klagsabweisung begehrt, weil die in Frage stehenden Computerstrafverfügungen ordnungsgemäß ergangen seien.
1.4. Schließlich wird in einer weiteren auf Art137 B-VG gestützten, zu A11/87 protokollierten Klage vorgebracht, daß der Kläger mit vier sogenannten Computerstrafverfügungen der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Meidling, vom 4. Dezember 1985, Z Cst 5731/ML/85, wegen einer Übertretung nach §8 Abs4 StVO; vom 24. Dezember 1985 wegen einer Übertretung der §§20 Abs1 und 52 Z10a StVO; vom 14. Feber 1986, Z Cst 45/ML/86, wegen einer Übertretung des §24 Abs1 lita StVO und vom 9. April 1986, Z Cst 919/ML/86, wegen einer Übertretung des §24 Abs1 lita StVO mit Geldstrafen bestraft worden sei. Auch in diesem Falle fordert der Kläger die Rückzahlung der auf öffentlich-rechtlichen Nicht- bzw. Scheintiteln beruhenden Beträge und begehrt, das Land Wien zur Rückzahlung zu verurteilen.
Das beklagte Land Wien hat die Klagsabweisung begehrt, weil die in Frage stehenden Strafverfügungen ordnungsgemäß ergangen seien.
2. Der VfGH ging davon aus, daß alle vorerwähnten Klagen zulässig seien und damit auf die Klagebegehren meritorisch einzugehen sei. Er hielt - vorläufig - für streitentscheidend, ob es sich bei den Strafverfügungen um rechtswirksame Bescheide handle, oder - wie in den Klagen behauptet - um Nichtbescheide. Ausgehend davon, daß die Strafverfügungen im ADV-Verfahren hergestellt wurden und "Cst-Zahlen" aufweisen, ging der VfGH weiters davon aus, daß es sich bei diesen um Ausfertigungen nach §18 Abs4 letzter Satz AVG 1950 idF BGBl. 199/1982 iVm §47 Abs2 VStG 1950 idF BGBl. 176/1983 handle. Bei der Beratung der Rechtsfälle entstanden ob der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen Bedenken, sodaß in den Rechtssachen A6/86 am 17. März 1987, A9/86 am 19. März 1987, A10/87 am 13. Juni 1987 und A11/87 am 13. Juni 1987 beschlossen wurde, Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Gesetzesstellen einzuleiten.
Der VfGH hat in den eben zitierten Erledigungen weiters beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG die jeweils zu Grunde liegenden Stellen der Polizeistrafverordnung, nämlich zu A6/86 die Worte "sowie gemäß §36 lite KFG 1967" in §3, zu A9/86 die Worte "§24 Abs1 lita," in §5, zu A10/87 §§11 und 12 sowie zu A11/87 ebenfalls die Worte "§24 Abs1 lita," in §5 und §11, von Amts wegen auf deren Gesetzmäßigkeit zu prüfen.
3. Die in Frage stehenden Bestimmungen - soweit in Prüfung gezogen, sind sie hervorgehoben - lauten:
§47 VStG 1950, BGBl. 172/1950, idF BGBl. 176/1983:
"(1) Wird von einem Gericht, einer Verwaltungsbehörde oder von einer den Schutz des §68 des Österreichischen Strafgesetzes 1945, ASlg.Nr. 2, genießenden Person auf Grund ihrer eigenen dienstlichen Wahrnehmung oder eines vor ihnen abgelegten Geständnisses eine Verwaltungsübertretung angezeigt, so kann die Behörde ohne weiteres Verfahren durch Strafverfügung die verwirkte Strafe festsetzen, es sei denn, daß sie eine Freiheitsstrafe von mehr als dreitägiger Dauer oder eine 2000 S übersteigende Geldstrafe zu verhängen findet. In der Strafverfügung kann auch auf den Verfall beschlagnahmter Gegenstände oder ihres Erlöses erkannt werden, wenn der Wert der beschlagnahmten Gegenstände 500 S nicht übersteigt.
(2) Die Behörde kann durch V zur Verfahrensbeschleunigung einzelne Tatbestände von Verwaltungsübertretungen bestimmen, für die sie unter Verwendung automationsunterstützter Datenverarbeitung durch Strafverfügung eine unter Bedachtnahme auf §19 Abs1 in der V im vorhinein festgesetzte Geldstrafe bis zu 1000 S verhängen darf. Derart ausgefertigte Strafverfügungen bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung."
§18 Abs4 AVG 1950, BGBl. 172/1950, idF BGBl. 199/1982:
"(4) Alle schriftlichen Ausfertigungen müssen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, daß die Ausfertigung mit der Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist. Das Nähere wird durch V geregelt. Bei telegraphischen, fernschriftlichen oder vervielfältigten Ausfertigungen genügt die Beisetzung des Namens des Genehmigenden; eine Beglaubigung durch die Kanzlei ist nicht erforderlich. Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung."
Die Polizeistrafverordnung vom 12. Jänner 1984, Z P 1886/18/a/83:
"Auf Grund des §47 Abs2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1950, BGBl. Nr. 172, in der Fassung des BG BGBl. Nr. 176/1983, wird verordnet:
§1
Bei Verwendung automationsunterstützter Datenverarbeitung ist für die im folgenden bestimmten Tatbestände von Verwaltungsübertretungen, sofern die Tat nicht unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen wurde, die jeweils festgesetzte Strafe mittels Strafverfügung zu verhängen.
§2
Eine Geldstrafe von 1000 S, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit Arrest von 60 Stunden, ist bei Verwaltungsübertretungen gemäß
§9 Abs2,
§16 Abs1 lita,
§19 Abs4,
§38 Abs1 litb,
§38 Abs5 und
§§38 Abs5 in Verbindung mit 38 Abs2 a und 38
Abs1 litb StVO
sowie gemäß
§99 Abs3,
§99 Abs4 und
§99 Abs5, 1. Satz KFG 1967
zu verhängen.
§3
Eine Geldstrafe von 800 S, im Falle ihrer
Uneinbringlichkeit Arrest von 48 Stunden, ist bei
Verwaltungsübertretungen gemäß
§7 Abs4, 2. Satz, 2. Fall,
§7 Abs5,
§9 Abs1, 1. Fall,
§16 Abs1 litc,
§16 Abs1 litd,
§§19 Abs7 in Verbindung mit 19 Abs1,
§38 Abs1 lita,
§38 Abs1 litc,
§§38 Abs5 in Verbindung mit 38 Abs2 a und 38
Abs1 lita,
§§38 Abs5 in Verbindung mit 38 Abs2 a und 38
Abs1 litc,
§52 Z. 2,
§52 Z. 4 c und
sowie gemäß
zu verhängen.
§4
Eine Geldstrafe von 600 S, im Falle ihrer
Uneinbringlichkeit Arrest von 36 Stunden, ist bei
Verwaltungsübertretungen gemäß
§7 Abs4, 1. Satz,
§7 Abs4, 2. Satz, 1. Fall,
§14 Abs2 litc,
§16 Abs2 litc,
§24 Abs1 litc, 1. Fall,
§24 Abs3 litc,
§24 Abs3 litd,
§24 Abs3 lite,
§52 Z. 1,
§52 Z. 3 a,
§52 Z. 3 b,
§52 Z. 3 c,
§52 Z. 6 a,
§52 Z. 6 b,
§52 Z. 6 c,
§52 Z. 6 d,
§52 Z. 7 a,
§52 Z. 7 b,
§52 Z. 7 d,
§52 Z. 7 e,
§52 Z. 8 a,
§52 Z. 8 b und
sowie gemäß §§102 Abs1 in Verbindung mit 4 Abs2 KFG 1967
zu verhängen.
§5
Eine Geldstrafe von 500 S, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit Arrest von 30 Stunden, ist bei Verwaltungsübertretungen gemäß
§9 Abs1, 2. Fall,
§11 Abs1,
§14 Abs2 litb,
§15 Abs2 litb,
§18 Abs3, 1. Fall,
§24 Abs1 lita,
§24 Abs1 litc, 2. Fall,
§24 Abs1 litd,
§24 Abs1 lite,
§24 Abs1 litm,
§§24 Abs1 litn in Verbindung mit 7 Abs4, 2. Satz,
3. Fall und
§§24 Abs1 litn in Verbindung mit 7 Abs4, 2. Satz,
4. Fall StVO
zu verhängen.
§6
Eine Geldstrafe von 400 S, im Falle ihrer
Uneinbringlichkeit Arrest von 24 Stunden, ist bei
Verwaltungsübertretungen gemäß
§7 Abs1,
§7 Abs4, 2. Satz, 4. Fall,
§13 Abs1,
§14 Abs2 litd,
§23 Abs3,
§24 Abs3 lita,
§24 Abs3 litb und
sowie gemäß §105 Abs8 KFG 1967
zu verhängen.
§7
Eine Geldstrafe von 300 S, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit Arrest von 18 Stunden, ist bei Verwaltungsübertretungen gemäß §23 Abs2, 1. Satz, 2. Fall StVO zu verhängen.
§8
Wurde ein Gehsteig durch Abstellen eines Kraftfahrzeuges benutzt, obwohl dies nicht auf Grund von Bodenmarkierungen zulässig war (§8 Abs4 StVO), so ist je nachdem, ob sich ein, zwei, drei, vier, fünf oder sechs Räder des Kraftfahrzeuges auf dem Gehsteig befanden, eine Geldstrafe von 300, 400, 500, 600, 800 oder 1000 S, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit Arrest von 18, 24, 30, 36, 48 oder 60 Stunden, zu verhängen.
§9
Konnten sich andere Straßenbenützer auf die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung oder den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens eines Kraftfahrzeuges deshalb nicht einstellen (§11 Abs2 StVO), weil dessen Lenker diesen Vorgang zu spät anzeigte, ist eine Geldstrafe von 500 S, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit Arrest von 30 Stunden, zu verhängen; geschah dies, weil der Lenker des Kraftfahrzeuges den Vorgang überhaupt nicht anzeigte, ist eine Geldstrafe von 600 S, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit Arrest von 36 Stunden, zu verhängen.
§10
Hat der Lenker eines Kraftfahrzeuges auf einer Straßenstrecke, die durch das Verbotszeichen 'Überholen verboten' gekennzeichnet ist, ein oder zwei mehrspurige Kraftfahrzeuge links überholt (§18 Abs2 lita StVO), ist eine Geldstrafe von 800 S, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit Arrest von 48 Stunden, zu verhängen; hat er mehr als zwei mehrspurige Kraftfahrzeuge oder eine dicht aufgeschlossene Kolonne links überholt, ist eine Geldstrafe von 1000 S, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit Arrest von 60 Stunden, zu verhängen.
§11
Hat der Lenker eines Kraftfahrzeuges eine durch Beschränkungszeichen gemäß §52 Z. 10 a StVO kundgemachte (§20 Abs1 StVO) oder die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit (§20 Abs2 StVO) überschritten, so ist je nachdem, ob die Überschreitung mindestens 20, 30, 40 oder 50 km/h betragen hat, eine Geldstrafe von 400, 600, 800 oder 1000 S, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit Arrest von 24, 36, 48 oder 60 Stunden, zu verhängen. Hat die Überschreitung mindestens 60 km/h betragen, so ist eine Bestrafung mittels Strafverfügung gemäß §47 Abs2 VStG 1950 ausgeschlossen.
§12
Hat der Lenker eines Kraftfahrzeuges dieses zum Halten oder Parken nicht am Rande der Fahrbahn (§23 Abs2, 1. Satz, 1. Fall StVO) abgestellt, so ist je nachdem, ob es in zweiter, dritter oder vierter Spur stand, eine Geldstrafe von 400, 500 oder 600 S, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit eine Arreststrafe von 24, 30 oder 36 Stunden, zu verhängen; stand das Kraftfahrzeug in noch größerer Entfernung vom Rande der Fahrbahn, ist eine Geldstrafe von 800 S, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit Arrest von 48 Stunden, zu verhängen.
§13
Diese V tritt am 1. Feber 1984 in Kraft."
4. In den Einleitungsbeschlüssen - in extenso ausgeführt zu A6/86, in den anderen Einleitungsbeschlüssen wird auf diesen Beschluß verwiesen - wurden die Überlegungen des Gerichtshofes, die ihn zur amtswegigen Einleitung der Gesetzesund Verordnungsprüfungsverfahren veranlaßten, wie folgt ausgeführt:
"4.2.1. Auf Grund des §58 Abs3 AVG 1950 - diese Bestimmung gilt gemäß §24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren - gelten für die Erlassung von Bescheiden die Vorschriften des §18 Abs4 AVG 1950. Der VfGH wertet §47 Abs2 VStG 1950 im Verhältnis zu §18 Abs4 letzter Tatbestand AVG 1950 als lex specialis, wobei aufgrund des inneren Zusammenhanges beider Regelungen die Aufhebung des zweiten Satzes des §47 Abs2 VStG 1950 die Aufhebung auch des letzten Tatbestandes des §18 Abs4 AVG 1950 nach sich zu ziehen hätte.
Die Polizeistrafverordnung stützt sich auf die Verordnungsermächtigung des §47 Abs2 VStG 1950.
4.2.2. Der VfGH meint, für die Beurteilung der im Rechtsstreit maßgeblichen Frage, ob es sich bei der Erledigung vom 16. April 1986 um einen rechtswirksamen Bescheid oder um einen Nichtbescheid handelt, die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen anwenden zu müssen, sodaß ihnen Präjudizialität im Sinne des Art140 Abs1 B-VG zukommt.
4.2.3. Aus den bereits in 4.2.2. genannten Gründen scheint auch die in Prüfung gezogene Stelle der Polizeistrafverordnung präjudiziell zu sein.
4.3. Der VfGH hegt gegen die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen folgende verfassungsrechtliche Bedenken:
In dem auf Grund eines Antrages des VwGH ergangenen Erkenntnis vom 21. Juni 1985 G37/85 erachtete der VfGH die vom antragstellenden VwGH (allein) aufgeworfenen Bedenken, §18 Abs4 AVG 1950 idF der Nov. BGBl. 199/1982 stehe im Widerspruch zu Art18 Abs1 B-VG, als nicht zutreffend, mit dem zusätzlichen Bemerken, daß die Frage, 'ob der Bundesverfassung - insbesondere etwa dem von ihr mehrfach verwendeten Begriff des Bescheides - für die Ausfertigung ohne Unterschrift oder Beglaubigung vor dem Hintergrund des Art20 B-VG irgendwelche sonstigen Erfordernisse - etwa im Bezug auf die Person (den Namen) des Genehmigenden oder die Erledigung sonst Verantwortenden - zu entnehmen sind, und ob der letzte Satz des §18 Abs4 AVG solchen Erfordernissen Rechnung trägt' nicht zu prüfen gewesen sei. Der VfGH hegt das Bedenken, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen tatsächlich im Widerspruch zu dem von der Verfassung - insbesondere in Art130 und Art144 B-VG - vorausgesetzten Bescheidbegriff stehen.
Dem VfGH scheint, daß ein Bescheid, um dem in der Verfassung verwendeten Begriff zu entsprechen, aus der Ausfertigung erkennbar auf der Willensentscheidung hinter ihm stehender, bestimmter Menschen beruhen muß. Diesen Anforderungen dürften die ersten drei Ausfertigungsarten des §18 Abs4 AVG 1950 Rechnung tragen, nicht jedoch die in Prüfung gezogene Ausfertigungsform nach dem letzten Satz des §47 Abs2 VStG 1950 (§18 Abs4 AVG 1950). Während nämlich (auch) bei telegraphischen, fernschriftlichen und vervielfältigten Ausfertigungen die Beisetzung des Namens angeordnet ist, wird derartiges bei Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, weder im §18 Abs4 letzter Satz AVG 1950 noch in §47 Abs2 VStG 1950 verlangt; die Formulierung dieser Bestimmungen legt vielmehr nahe, daß Bescheidausfertigungen nach diesen Gesetzesstellen rechtswirksam auch ohne Namensnennung ergehen können.
Unabhängig von der Frage, ob man die Anforderungen, die §18 Abs4 AVG 1950 für die ersten drei Ausfertigungsvarianten an Bescheide stellt, bei Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, für verfassungsgesetzlich geboten erachtet, bleiben Bedenken bestehen. Auch beim Einsatz einer solchen Technik und damit der Anwendung einer Methode, die mit den anderen Ausfertigungsarten nicht vergleichbar ist, scheint dem VfGH aus der Sicht des in der Verfassung verwendeten Bescheidbegriffes unabdingbar, daß es einen (kraft Gesetzes) Genehmigenden oder sonst Verantwortenden gibt, der in einer sachlich ausreichenden Nahebeziehung zur Entscheidung der jeweiligen Angelegenheit steht, in der ein Bescheid erlassen wird. Den in Prüfung gezogenen Bestimmungen scheint nun ein Bescheidbegriff zu Grunde zu liegen, dem ein die Erledigung individuell Verantwortender fremd ist (jedenfalls scheint eine Aussage, wer dies ist, zu fehlen); damit dürfte aber ein wesentliches Element ausgeschaltet sein, das die Verfassung mit dem Begriff des Bescheides voraussetzt. Zu diesem Ergebnis dürfte der Wortlaut der in Prüfung gezogenen Regelungen schon deshalb hinführen, weil weder eine Unterschrift, noch eine Beglaubigung, aber auch keine Namensnennung des hinter dem Bescheid stehenden Organwalters, auf dessen Willensentscheidung der Bescheid - einschließlich eines allenfalls darin eingeflossenen Computerprogramms - beruht, gefordert ist, schließlich aber auch keine sonstige Anordnung zu finden ist, die einen Verantwortenden für "Computerbescheide" festlegt. Ungeachtet der technisch bedingten Vorgänge bei der Herstellung von Bescheidausfertigungen mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung dürfte dies aus der Sicht des von der Verfassung verwendeten Bescheidbegriffes jedoch unabdingbar sein.
4.4. Für den Fall, daß die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen aufgehoben werden sollten, entbehrte die in Prüfung gezogene Verordnungsstelle ihrer gesetzlichen Grundlage; sie wäre schon aus diesem Grunde als gesetzwidrig aufzuheben.
Im Prüfungsverfahren wird auch zu erörtern sein, ob eine allfällige Aufhebung im Sinne des Art139 Abs3 B-VG über die präjudizielle Stelle hinaus in Betracht kommt.
4.5. Die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen dürften daher verfassungswidrig sein, die in Prüfung gezogene Verordnungsstelle gesetzwidrig sein."
5. In den Prüfungsverfahren wurden hiezu folgende Äußerungen erstattet:
5.1. Seitens der Bundesregierung:
"I.
Zum Umfang der Präjudizialität:
Wie dem Unterbrechungsbeschluß des VfGH zu entnehmen ist, hat der VfGH das Bedenken, daß Bescheide, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden (ohne Unterschrift und ohne Beglaubigung ausgefertigte Bescheide), im Widerspruch zum vorausgesetzten Bescheidbegriff der Bundesverfassung stehen, weil aus der Ausfertigung nicht erkennbar sei, daß ein solcher Bescheid auf der Willensentscheidung einer hinter ihm stehenden, bestimmten Person beruhe.
Unter dem Gesichtspunkt derartiger Bedenken wird aber die Zulässigkeit der Computerstrafverfügung als solcher, d.h. die Verwendung der automationsunterstützten Datenverarbeitung für den Ausdruck derartiger Strafverfügungen, nicht in Frage gestellt. Lediglich gegen die Form, in der derzeit die Ausfertigung solcher Bescheide gesetzlich geregelt ist, wenden sich die Bedenken des VfGH. Aus diesem Grund ist die Bundesregierung der Auffassung, daß im vorliegenden Verfahren lediglich der §47 Abs2 letzter Satz VStG als präjudiziell angesehen werden kann, nicht jedoch der erste Satz dieser Bestimmung, zumal dieser erste Satz unabhängig vom zweiten Satz angewendet werden kann.
Aufgrund der vorstehenden Überlegungen ist die Bundesregierung ferner der Auffassung, daß die in Prüfung gezogenen Worte der V der Bundespolizeidirektion Wien vom 12. Jänner 1984, mit der einzelne Tatbestände von Verwaltungsübertretungen bestimmt und die jeweils zu verhängenden Strafen im vorhinein festgesetzt werden, im vorliegenden Verfahren nicht präjudiziell sind.
Das Verordnungsprüfungsverfahren wäre sohin ebenso wie das Gesetzesprüfungsverfahren zu §47 Abs2 erster Satz VStG einzustellen.
II.
In der Sache selbst:
Der VfGH hegt gegen die in Prüfung gezogene Bestimmung des letzten Satzes des §18 Abs4 AVG und den letzten Satz des §47 Abs2 VStG das Bedenken, daß diese Bestimmungen im Widerspruch zu dem von der Verfassung vorausgesetzten Bescheidbegriff stehen. Der von der Verfassung vorausgesetzte Bescheidbegriff scheine zu verlangen,
a) daß aus der Ausfertigung erkennbar sein müsse, daß der Bescheid auf der Willensentscheidung bestimmter Menschen beruhe, weshalb die ohne Namensnennung erfolgende Ausfertigung mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung verfassungsrechtlich bedenklich sei.
b) daß der Bescheidbegriff einen Genehmigenden oder sonst Verantwortenden voraussetze, der in einer sachlich ausreichenden Nahebeziehung zur Entscheidung in der jeweiligen Angelegenheit stehe, dies aber bei der Ausfertigung mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung offenbar nicht der Fall sei, da keine Namensnennung erfolge, den in Prüfung gezogenen Bestimmungen also ein Bescheidbegriff zugrunde liege, dem ein die Erledigung individuell Verantwortender fremd ist.
Dem ist entgegenzuhalten:
1. Durch das Bundesverfassungsgesetz vom 15. Mai 1975, BGBl. Nr. 302, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz idF von 1929 durch Bestimmungen über die Erweiterung der Zuständigkeit des VwGH und des VfGH geändert wird, wurden die einschlägigen Bestimmungen, nämlich Art130 und 144 B-VG, wesentlich geändert.
Bis zum Inkrafttreten dieses Bundesverfassungsgesetzes bestand in der Rechtssprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes hinsichtlich des Bescheidbegriffes eine unterschiedliche Rechtssprechung. Während der VfGH auch nach der Rechtslage vor dem 1. Juli 1976 davon ausging, daß der Begriff 'Bescheid' im Sinne des Art144 B-VG auch die sogenannten faktischen Amtshandlungen umfasse, hat der VwGH die Übernahme dieser Rechtsauffassung in seine Rechtssprechung abgelehnt. Die erwähnte Änderung des Bundesverfassungsgesetzes hat den Art130 und 144 B-VG in der Weise geändert, daß die sogenannten faktischen Amtshandlungen, die durch die Worte 'Ausübung unmittelbarer (verwaltungs)behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt' umschrieben wurden, eindeutig der Entscheidungsbefugnis der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes unterstellt wurden, insbesondere auch durch die Einfügung eines Art131a B-VG. Dies erfolgte in der Weise, daß der Begriff des Bescheides dem Begriff der 'faktischen Amtshandlungen' gegenüber gestellt wurde, beide behördlichen Tätigkeiten aber demselben Rechtsschutz unterstellt wurden. Mit dieser verfassungsgesetzlichen Maßnahme wurde somit der Begriff der 'faktischen Amtshandlung' aus dem Bescheidbegriff - in der ihm vom VfGH beigelegten Bedeutung - herausgelöst. Seither ist der verfassungsrechtliche Bescheidbegriff nicht mehr identisch mit jenem vor dem 1. Juli 1976.
Die B-VG-Nov. BGBl. Nr. 302/1975 ist aber auch deshalb von Bedeutung, da durch die dargelegte Änderung der einschlägigen Bestimmungen der Verfassung der von der Verfassung 'vorausgesetzte Bescheidbegriff' nicht nach der Rechtslage des Jahres 1925, sondern nach der Rechtslage zum 1. Juli 1976, d.h. dem Inkrafttreten der erwähnten Nov., zu beurteilen ist.
Es kann mit Recht davon ausgegangen werden, daß der Bundesverfassungsgesetzgeber bei der Beschlußfassung über dieses Bundesverfassungsgesetz vom 15. Mai 1975, BGBl. Nr. 302, von jenem Bescheidbegriff ausgegangen ist, den die Rechtslage zum damaligen Zeitpunkt kannte. Seit dem Beginn der 70iger Jahre wurden aber - entsprechend der technischen Entwicklung zunehmend Regelungen getroffen, wonach die Ausfertigungen von Bescheiden, die in Lochkartentechnik oder in einem ähnlichen Verfahren hergestellt werden, weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung bedürfen. Die Rechtsvorschriften, die Ausfertigungen dieser neuen Art vorsahen, sind bei Mannlicher Quell, Das Verwaltungsverfahren, Wien 1975, S. 203, angeführt.
Es gibt keine Hinweise darauf, daß der Verfassungsgesetzgeber, dem also zum Zeitpunkt der Beschlußfassung des eingangs erwähnten Bundesverfassungsgesetzes bekannt war, daß Bescheide auch ohne Unterschrift und Beglaubigung ausgefertigt werden, diese Art der Ausfertigung nicht als Bescheid gewertet wissen wollte und damit nicht dem Rechtsschutz der Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechtes unterstellt hätte. Vielmehr muß davon ausgegangen werden, daß der Verfassungsgesetzgeber in Kenntnis dieser Rechtslage, den Begriff Bescheid in der Art und Weise verstanden hat, daß auch jene Ausfertigungen von Bescheiden, die weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung tragen, als Bescheide im Sinne des B-VG anzusehen sind. Die Bundesregierung ist daher der Auffassung, daß Bescheide, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung ausgefertigt werden und die daher weder die Unterschrift noch eine Beglaubigung tragen, keineswegs im Widerspruch zu dem von der Verfassung vorausgesetzten Bescheidbegriff stehen, eine derartige Vorgangsweise vielmehr zumindest seit dem 1. Juli 1976 als in Übereinstimmung mit der Verfassung stehend angesehen werden muß.
2. Das Bedenken des VfGH, daß ein Bescheid, um dem in der Verfassung verwendeten Begriff zu entsprechen, aus der Ausfertigung erkennbar auf der Willensentscheidung hinter ihm stehender, bestimmter Menschen beruhen müsse, kann nur unter der Voraussetzung aufrechterhalten werden, daß die äußere Erscheinung eines Bescheides (Ausfertigung) für immer jenem Stand zu entsprechen habe, der im Jahre 1925 gegeben war.
Die Regelung des §18 Abs4 AVG in der Urfassung (BGBl. Nr. 274/1925) entsprach den damaligen technischen Möglichkeiten. Dementsprechend war vorgesehen, daß entweder das zuzustellende Original der Bescheidausfertigung vom genehmigenden Beamten zu unterschreiben sei oder zu beglaubigen sei, 'daß die Ausfertigung mit der Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist'.
Wollte man von der Annahme ausgehen, der verfassungsrechtliche Bescheidbegriff erfordere, daß aus jeder Ausfertigung erkennbar ist, welcher bestimmte Mensch die im Bescheid zum Ausdruck kommende Willensentscheidung gefaßt hat, so käme dies der Auffassung gleich, daß es verfassungsgesetzlich geboten ist, für alle Zukunft auf dem bürotechnischen Stand von 1925 zu verharren. Jede Entwicklungsmöglichkeit und jeder bürotechnische Fortschritt wäre damit für die öffentliche Verwaltung verfassungsgesetzlich ausgeschlossen.
Abgesehen von den Ausführungen unter Pkt. II/1, die gegen einen derartigen verfassungsrechtlich vorausgesetzten Bescheidbegriff sprechen, ist auch kein anderer verfassungsrechtlicher Hinweis dafür zu erblicken, daß eine derartig strenge Auslegung erforderlich wäre. Vielmehr erinnert die These vom verfassungsgesetzlich vorausgesetzten Bescheidbegriff an die ständige Rechtssprechung des VfGH über die 'Versteinerung' der Inhalte der Kompetenzartikel. Aber gerade auch in seiner Rechtsprechung zur Kompetenzverteilung hat der VfGH die These entwickelt, daß eine dynamische Entwicklung der Kompetenzinhalte nicht ausgeschlossen sei. Dies müßte auch für den Bereich des verfassungsgesetzlich vorausgesetzten Bescheidbegriffes gelten.
Dafür spricht, daß sogar die ursprüngliche Fassung des AVG selbst eine Entwicklung nicht ausgeschlossen hat, die allerdings 1925 noch als Ausnahmeerscheinung galt. Im §18 Abs3 AVG wurde nämlich vorgesehen, daß die Ausfertigung eines Bescheides auch telegraphisch erfolgen dürfe, wenn die Kosten von der Partei gedeckt werden. Diese Bestimmung stand schon damals im Widerspruch zu §18 Abs4 AVG, da bei einer telegraphischen Ausfertigung weder eine eigenhändige Unterschrift auf dem Original noch eine Beglaubigung möglich ist. Daraus aber, daß das AVG schon im Jahre 1925 eine Entwicklung nicht ausschloß, die zwar damals nicht allgemein üblich, jedoch möglich war, zeigt sich, daß in der Frage der Art und Form der Ausfertigung der Gesetzgeber schon damals eine Offenheit an den Tag legte, der eine strenge Auslegung in dem Sinne, daß für Ausfertigungen lediglich der §18 Abs4 AVG in der ursprünglichen Fassung den verfassungsgesetzlichen Anforderungen entspreche, nicht gerecht wird.
Zusammenfassend kommt daher die Bundesregierung zu der Auffassung, daß weder aus einer ausdrücklichen Bestimmung des Bundes-Verfassungsgesetzes noch aus einem von der Verfassung vorausgesetzten Bescheidbegriff abzuleiten ist, daß aus der schriftlichen Ausfertigung eines Bescheides erkennbar sein müsse, auf wessen Willensentscheidung der Bescheid beruht.
III.
Der VfGH hält es aus der Sicht des in der Verfassung verwendeten Bescheidbegriffes für unabdingbar, daß es einen (kraft Gesetzes) Genehmigenden oder sonst Verantwortenden gibt, der in einer sachlich ausreichenden Nahebeziehung zur Entscheidung der jeweiligen Angelegenheit steht, in der ein Bescheid erlassen wird. Der VfGH hat das Bedenken, daß bei den in Prüfung gezogenen Bestimmungen ein Bescheidbegriff zugrunde gelegt worden sei, dem ein die Erledigung individuell Verantwortender fremd sei. Es bestehe nämlich keine Regelung, die einen Verantwortenden für 'Computerbescheide' festlege.
Zu diesen Bedenken weist die Bundesregierung auf folgendes hin:
1. Der Schluß aus der Art der Ausfertigung, nämlich ohne Namensnennung, darauf, daß dies einen Bescheidbegriff voraussetze, dem ein die Erledigung individuell Verantwortender fremd ist, ist nicht zwingend. Dieser Schluß setzt nämlich voraus, daß der den Bescheid Verantwortende in der Ausfertigung des Bescheides selbst genannt werden muß, was aber verfassungsrechtlich nicht geboten ist, wie unter II. ausgeführt wurde.
2. Die österreichische Rechtsordnung geht von dem Gedanken aus, daß eine behördliche Erledigung, ein Bescheid, der Behörde, nicht aber einem bestimmten Menschen zuzurechnen ist. Nun gibt es in der österreichischen Rechtsordnung keine Vorschrift, die ausdrücklich und mit diesen Worten anordnen würde, daß beispielsweise ein auf der Ebene der Bezirksverwaltung ergangener Bescheid dem Bezirkshauptmann, ein auf der Ebene der Bundesministerien ergangener Bescheid einem bestimmten Bundesminister zuzurechnen sei. Vielmehr ergibt sich dies nach Lehre und Praxis aus den entsprechenden verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Organisationsvorschriften, wird also aus diesen abgeleitet, ohne ausdrücklich normiert zu sein. So wie für alle Bescheide, gilt dies auch für die sogenannten 'Computerbescheide'. Die Art der Ausfertigung von Bescheiden ist für die rechtliche Zurechnung zu einer Behörde unerheblich. Ein von einer Bezirkshauptmannschaft erlassener Computerbescheid ist daher ebenso dem Bezirkshauptmann zuzurechnen, wie eine vom Bezirkshauptmann eigenhändig unterschriebene Ausfertigung eines Bescheides.
Für den Bescheidadressaten ergibt sich daher kein Unterschied daraus, ob der Bescheid automationsunterstützt ohne Unterschrift und Beglaubigung ausgefertigt wurde oder in einer anderen Art, etwa durch die eigenhändige Unterschrift des Genehmigenden, ausgefertigt worden ist. In beiden Fällen ergibt sich die Zurechnung zur Behörde nicht aus der Ausfertigungsart und nicht aus Bestimmungen des AVG oder des VStG, sondern aus der Nennung der den Bescheid erlassenden Behörde, die auch im Computerbescheid aufscheint, und den entsprechenden verfassungsgesetzlichen und einfachgesetzlichen Organisationsvorschriften.
Dadurch ist für den Bescheidadressaten auch keinerlei Nachteil verbunden, weil ihm die Rechtsmittelmöglichkeiten ebenso gewahrt sind, wie allfällige Amtshaftungsansprüche. Denn 'Rechtsmittelgegner' ist nicht eine individuelle Person, sondern die Behörde, und was die Amtshaftung anlangt, haftet im Sinne des Art23 B-VG der Rechtsträger der Behörde.
3. Die Bedenken des VfGH gehen allerdings weiter. Den Ausführungen im Unterbrechungsbeschluß liegt offenbar die Überlegung zugrunde, daß im Falle eines Computerstrafbescheides es keinen individuellen Organwalter (keine individuell bestimmte Person) gebe, die den behördlichen Willen bilde.
Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, daß diese Frage nicht durch die angefochtenen Gesetzesstellen geregelt wird. Weder der §18 Abs4 AVG noch der §47 Abs2 regeln die Frage des Genehmigenden oder sonst Verantwortenden, der in einer sachlich ausreichenden Nahebeziehung zur Entscheidung steht. Der §47 Abs2 VStG enthält diesbezüglich überhaupt keinen Anknüpfungspunkt, sondern spricht nur von der Art der Ausfertigung der Computerstrafverfügung. Der §18 Abs4 AVG dagegen setzt einen Genehmigenden voraus, regelt aber diese Frage nicht.
Tatsächlich ist es so, daß dem Bescheidbegriff, der dem Computerbescheid zugrunde liegt, ein die Erledigung individuell Verantwortender keineswegs fremd ist, daß aber wohl die Form der Genehmigung nicht mehr unbedingt der überkommenen traditionellen Form der Genehmigung entsprechen muß.
Die technische Eigenart automationsunterstützter Datenverarbeitung, die insbesondere darin besteht, daß der Ort der individuellen Willensbildung nicht mehr mit dem Ort der Ausfertigung und Versendung eines Schriftstückes übereinstimmen muß, bedingt auch andere Genehmigungsformen. Wenn auch die Herstellung von Ausfertigungen mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung es nicht in allen Fällen ausschließt, die traditionelle Genehmigungsart weiterhin beizubehalten, d.h., daß das im Akt verbleibende Geschäftsstück vom Genehmigenden selbst unterzeichnet wird, bedingt doch in vielen Fällen die technische Natur der automationsunterstützten Datenverarbeitung und die volle Ausnützung der damit verbundenen Erleichterungen, daß andere Genehmigungsformen als zulässig erachtet werden müssen. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, seien etwa folgende Formen genannt:
a) Generelle Genehmigung eines EDV-Programmes, auf Grund dessen unter den im Programm genannten Umständen automatisch Bescheide ausgedruckt werden.
b) Listenmäßige Aufzeichnungen darüber, welche Akten von welcher Person genehmigt worden sind.
c) Einrichtung einer Art 'fester Geschäftsverteilung' bei Verwaltungsbehörden, durch die die erfolgte Genehmigung auf eine bestimmte individuelle Person bezogen werden kann.
d) Kodierte Eingaben des Genehmigungsberechtigten, die dann automationsunterstützt ausgedruckt werden.
Bei alledem handelt es sich um innerorganisatorische Maßnahmen der Behörde, die es auch erlauben, den individuell Verantwortlichen festzustellen. Es trifft daher keineswegs zu, daß der Computerbescheid einen Bescheidbegriff voraussetze oder zugrundelege, dem ein die Erledigung individuell Verantwortender fremd ist. Was nun die Verfassungsmäßigkeit dieser besonderen Formen der Genehmigung eines Bescheides anlangt, dessen individuell Verantwortlicher durchaus festzustellen ist, wenn auch nicht in der traditionellen Weise, so ist darauf hinzuweisen, daß infolge der engen Verbundenheit der technischen Notwendigkeiten mit dem Einsatz automationsunterstützter Datenverarbeitung, auch diese besonderen Genehmigungsformen jedenfalls in den Bescheidbegriff, wie ihn der Bundesverfassungsgesetzgeber ab dem 1. Juli 1976 festgelegt hat, eingegangen sind. Keinesfalls jedoch kann verlangt werden, daß der individuell Verantwortliche der Ausfertigung selbst zu entnehmen ist, da nach außen hin die Verantwortung die Behörde als solche, nicht jedoch ein Mitarbeiter dieser Behörde trägt.
Was nun die vom VfGH in seinem Unterbrechungsbeschluß verlangte 'sachlich ausreichende Nahebeziehung zur Entscheidung der jeweiligen Angelegenheit' durch den Genehmigenden anlangt, so zweifelt die Bundesregierung daran, ob für diesen Nahebezug ein einheitliches Kriterium gefunden werden kann, sollte überhaupt eine solche Nahebeziehung verfassungsrechtlich gefordert sein, was im Hinblick auf die Überlegungen unter Pkt. II/1 durchaus in Zweifel gezogen werden kann. Jedenfalls wird gesagt werden können, daß - wie dies in den Anlaßfällen zu diesen Gesetzesprüfungsverfahren der Fall ist - die sachliche Prüfung der Übereinstimmung des automationsunterstützt ausgedruckten Strafverfügungsbescheides mit den Angaben in der diesem Bescheid zugrundeliegenden Anzeige als eine hinreichende sachliche Nahebeziehung anzusehen ist. Andererseits wird es wohl auch als zulässig betrachtet werden können, daß in Fällen, in denen ein Leistungsbescheid (beispielsweise auf eine bestimmte Geldleistung) erlassen wird, gleichzeitig durch EDV-mäßige Vorprogrammierung die Genehmigung dafür erteilt wird, daß 14 Tage nach dem Fälligkeitstermin automatisch die Vollstreckung eingeleitet wird, falls nicht gezahlt worden ist."
Die Bundesregierung beantragt daher, die Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich §47 Abs2 erster Satz VStG und die Verordnungsprüfungsverfahren mangels Präjudizialität einzustellen, hinsichtlich der weiters in Prüfung gezogenen Bestimmungen - falls dem Einstellungsbegehren nicht entsprochen werde, hinsichtlich aller in Prüfung gezogenen Bestimmungen - auszusprechen, daß sie nicht als verfassungswidrig (gesetzwidrig) aufgehoben werden.
5.2. Die Bundespolizeidirektion Wien und die Wiener Landesregierung haben (im wesentlichen wortgleich) folgende Äußerungen erstattet:
"I. Präjudizialität
Der VfGH hat die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Worte der 'Polizeiverordnung' daraus geschlossen, daß sie auf der Verordnungsermächtigung des von einem Prüfbeschluß gemäß Art140 B-VG 1929 erfaßten §47 Abs2 VStG 1950 fußt. Die Bundespolizeidirektion Wien vermeint, daß auch bei Durchschlagen der im Einleitungsbeschluß gegen diese Gesetzesbestimmung vorgebrachten Bedenken lediglich deren letzter Satz aufzuheben wäre. In diesem Falle würde es freilich an Präjudizialität für die in Prüfung gezogenen Worte der 'Polizeiverordnung' fehlen, da - wie die seit Ende Feber 1987 gewonnene Erfahrung mit der Unterfertigung von derartigen Ausfertigungen zeigt - die freilich arbeitsaufwendigere Handhabung der Computerstrafverfügung ohne weiters möglich ist, auch wenn §47 Abs2 VStG 1950 nur aus dem derzeit 1. Satz dieser Bestimmung besteht.
Zur Feststellung, §47 Abs2 VStG 1950 sei die lex specialis zu §18 Abs4, letzter Tatbestand, AVG 1950, weist die Bundespolizeidirektion Wien darauf hin, daß es hiezu der Einbeziehung des §58 Abs3 AVG 1950 in die Betrachtung bedarf, wonach 'im übrigen auch für Bescheide die Vorschriften des §18 Abs4 leg.cit.' gelten. Nur über diese Bestimmung wird die Koppelung der für die Ausfertigung von Bescheiden geltenden Regelung mit jener für die Ausfertigung von sonstigen Erledigungen erreicht. Würde dieses Bindeglied aufgehoben, so wäre die Frage, ob die Ausfertigung von Bescheiden den Namen des Genehmigenden auszuweisen habe, nicht notwendig mit der Bestimmung über die Ausfertigung sonstiger Erledigungen verbunden. Es sollte daher erwogen werden, §58 Abs3 AVG 1950 mit der Überlegung in die Prüfung einzubeziehen, der Gesetzgeber habe es möglicherweise unterlassen, in jenem Zeitpunkt, in dem er im §18 Abs4 AVG 1950 die Verpflichtung zur Namensnennung aufhob, eine differenzierte, den verfassungsrechtlichen Anforderungen für Ausfertigungen von Bescheiden entsprechende Regelung zu treffen.
II. Bedenken des Verfassungsgerichtshofes
Der VfGH hat auch seine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Worte der "Polizeiverordnung" dahingehend umschrieben, daß diese sich auf die Verordnungsermächtigung des einem Gesetzesprüfungsverfahren unterworfenen §47 Abs2 VStG 1950 stützt. Die Bundespolizeidirektion Wien vermag nun die an sie ergangene Aufforderung, eine schriftliche Äußerung zum Gegenstand zu erstatten, nur so zu verstehen, daß ihr Gelegenheit geboten wird, sich zu den vom VfGH geäußerten Bedenken zur Verfassungsmäßigkeit der vom Prüfbeschluß gemäß Art140 B-VG 1929 erfaßten Gesetze zu äußern, da die Gesetzmäßigkeit der 'Polizeiverordnung' unter den gegebenen Umständen ausschließlich durch die Existenz dieser Normen bedingt ist.
Die Bedenken des VfGH, §18 Abs4 AVG 1950 und §47 Abs2 VStG 1950 stünden im Widerspruch zu dem von der Verfassung vorausgesetzten Bescheidbegriff, sind wie folgt zu umschreiben:
1. Es scheine erforderlich zu sein, daß aus der Ausfertigung eines Bescheides erkennbar sein müsse, er beruhe auf der Willensentscheidung bestimmter Menschen, weshalb auch eine mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellte Ausfertigung den Namen des Genehmigenden - nicht notwendig dessen Unterschrift - zu nennen hätte.
2. Den in Prüfung gezogenen Bestimmungen liege offenbar ein Bescheidbegriff zugrunde, dem ein die Erledigung individuell Verantwortender fremd sei, obwohl der Bescheidbegriff einen Genehmigenden oder sonst Verantwortenden voraussetze, der in einer sachlich