TE Vwgh Erkenntnis 1990/9/25 90/08/0061

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Veröffentlicht am 25.09.1990
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §68 Abs1;

Betreff

AC und BC gegen den Spruch I des Bescheides des Landeshauptmannes von Steiermark vom 29. Jänner 1990, Zl. 5-226 C 54/26-90, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Steiermärkische Gebietskrankenkasse).

Spruch

Der angefochtene Spruch I des Bescheides des Landeshauptmannes von Steiermark vom 29. Jänner 1990 wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat den Beschwerdeführern Aufwendungen von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Vorgeschichte des vorliegenden Beschwerdefalles ist aus dem Erkenntnis vom 14. Dezember 1979, Zl. 677/76, ersichtlich:

Danach hatte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse mit Bescheid vom 30. August 1971 ausgesprochen, daß die Zweitbeschwerdeführerin zum Erstbeschwerdeführer (ihrem Bruder) seit 1. Juli 1959 in keinem die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigungsverhältnis stehe; die seit 1. Juli 1959 bestehende Pflichtversicherung sei zu stornieren. Die belangte Behörde hat dem gegen diesen Bescheid von den Beschwerdeführern erhobenen Einspruch stattgegeben und für den Zeitraum vom 1. Juli 1959 bis 25. Juli 1965 die Pflicht-, für den Zeitraum vom 26. Juli 1965 bis 30. August 1971 hingegen eine Formalversicherung der Zweitbeschwerdeführerin festgestellt. Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl die mitbeteiligte Partei als auch die Beschwerdeführer Berufung an den Bundesminister für soziale Verwaltung, der mit Bescheid vom 22. Jänner 1976 den Einspruchsbescheid dahin abänderte, daß eine Versicherungspflicht der Zweitbeschwerdeführerin zum Erstbeschwerdeführer (wie schon im erstinstanzlichen Bescheid) ab 1. Juli 1959 verneint und der Ausspruch der belangten Behörde über die Formalversicherung aufgehoben wurde. Dieser Bescheid wurde mit dem bereits zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1979, Zl. 677/76, aufgehoben.

Nach dem im zweiten Rechtsgang schließlich ergangenen, die Vollversicherungspflicht der Zweitbeschwerdeführerin ab 1. Juli 1959 bejahenden Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung (jetzt: Bundesminister für Arbeit und Soziales) vom 22. März 1982 übermittelte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse dem Erstbeschwerdeführer am 27. Oktober 1982 die Aufstellung über eine Beitragsnachverrechnung im Betrag von S 121.956,69. Die Beschwerdeführer erhoben gegen diese Beitragsnachverrechnung Einwendungen, worin sie (u.a.) zusammengefaßt geltend machen, daß bis 31. Jänner 1971 alle Beiträge bezahlt worden, jedoch die weitere Beitragszahlung nur deshalb unterblieben sei, weil die Zweitbeschwerdeführerin mit Bescheid der mitbeteiligten Partei aus der Pflichtversicherung "mit Wirkung vom 1. Juli 1959 ausgeschlossen" worden sei. Zumindest "bis zum Zeitraum 27. Oktober 1980" sei gemäß § 68 Abs. 1 ASVG Verjährung eingetreten. Eine Meldepflichtverletzung liege nicht vor; selbst dann seien aber sämtliche Beiträge "vor dem 27.10.1977 (fünfjährige Frist)" verjährt. Seit

30. November 1979 bestehe eine weitere Tätigkeit der Zweitbeschwerdeführerin bei einem anderen Dienstgeber. Die Zweitbeschwerdeführerin habe überdies während des Verfahrens eine private Krankenversicherung abschließen und dafür einen Betrag von S 54.698,60 aufwenden müssen, der "kompensando eingewendet" werde. Die Vorschreibung eines Krankenversicherungsbeitrages hätte frühestens ab dem 1. April 1982, also nach Rechtskraft des (im zweiten Rechtsgang ergangenen) Bescheides des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 22. März 1982 erfolgen dürfen. In einer weiteren Eingabe übermittelte der Beschwerdevertreter der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse eine Erklärung der beiden Beschwerdeführer, wonach die Zweitbeschwerdeführerin "seit Ende November 1979" nicht mehr bei dem Erstbeschwerdeführer beschäftigt sei.

Daraufhin erließ die mitbeteiligte Partei am 7. April 1983 einen Bescheid mit folgendem Spruch:

Gemäß § 410 Abs. 1 Z. 7 in Verbindung mit §§ 44, 49 Abs. 1 und 2, 51, 54 und 68 ASVG sowie § 62 AlVG in der jeweils geltenden Fassung sowie unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetzes, BGBl. Nr. 235/1962, und des Mindestlohntarifes für Hausgehilfen und Hausangestellte im Sprengel des Einigungsamtes Graz in den jeweils geltenden Fassungen wird ausgesprochen, daß für Frau BC Sozialversicherungsbeiträge und Nebenumlagen für die Zeit vom 1.1.1972 bis 30.11.1979 nach dem Anspruchslohn nachzuentrichten sind. Die Höhe der nachzuentrichtenden Beiträge ergibt sich aus den Nachverrechnungen vom 27. Oktober 1982 unter Bedachtnahme auf die Mitteilungen über die Rückverrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen und Nebenumlagen für die Zeit vom 1.7. 1959 bis 31.12.1971 und vom 1.12.1979 bis 31.8.1982. Die erwähnten Beitragsnach- und Rückverrechnungen stellen wesentliche Bestandteile dieses Bescheides dar. Verjährung im Sinne des § 68 ASVG ist nicht eingetreten."

In der Begründung dieses Bescheides führt die mitbeteiligte Partei aus, daß wegen tatsächlich erfolgter Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und Nebenumlagen für die Zweitbeschwerdeführerin für die Zeit vom 1. Juli 1959 bis 31. Dezember 1971 die entsprechende Rückverrechnung für diesen Zeitraum durchzuführen gewesen sei. Ebenso seien die über das Ende des Dienstverhältnisses 30. November 1979 hinaus vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge rückverrechnet worden. Die Nachverrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen und Nebenumlagen beziehe sich demnach ausschließlich auf den Zeitraum vom 1. Jänner 1972 bis 30. November 1979. Für diesen Zeitraum sei ein versicherungspflichtiges Dienstverhältnis vorgelegen, ohne daß hiefür Sozialversicherungsbeiträge entrichtet worden seien. Gemäß § 68 Abs. 1 ASVG verjähre das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen binnen zwei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Von einer Fälligkeit könne erst gesprochen werden, nachdem das Verfahren zur Feststellung der Versicherungspflicht der Zweitbeschwerdeführerin rechtskräftig abgeschlossen worden sei. Die Vorschreibung der Sozialversicherungsbeiträge für die Zweitbeschwerdeführerin sei unbestritten innerhalb von zwei Jahren nach Vorliegen der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung erfolgt.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Einspruch, mit welchem sie im wesentlichen ihre bereits im Verfahren vor dem Versicherungsträger erhobenen Einwendungen wiederholten. Weiters stellten die Beschwerdeführer den Antrag, ihrem Einspruch aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Mit dem Bescheid vom 29. Jänner 1990 hat die belangte Behörde dem Einspruch der Beschwerdeführer im Spruch I mit der Maßgabe keine Folge gegeben, daß der Erstbeschwerdeführer einen Betrag von S 80.371,72 zu entrichten habe; mit Spruch II wurde der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als unzulässig zurückgewiesen.

Nur gegen Spruch I dieses Bescheides richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer berufen sich u.a. darauf, daß die verfahrensgegenständlichen Beiträge von S 80.381,72 für den Zeitraum vom 1. Jänner 1972 bis 30. November 1979 gemäß § 68 ASVG verjährt seien.

Die belangte Behörde hält dem - wie schon in der Begründung des angefochtenen Spruches I des Bescheides vom 29. Jänner 1990

- entgegen, daß erst mit Erlassung des (Berufungs-)Bescheides des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 22. März 1982 die für die Nachverrechnung bedeutsame Vorfrage der Versicherungspflicht festgestellt worden sei. Nach dem letzten Satz des § 68 Abs. 1 ASVG werde die Verjährung durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige davon in Kenntnis gesetzt werde. Die Beschwerdeführer hätten (notwendigerweise) vom Feststellungsverfahren (gemeint: betreffend die Versicherungspflicht) Kenntnis haben müssen. Demnach seien die Voraussetzungen des § 68 Abs. 1 letzter Satz ASVG erfüllt und Verjährung liege nicht vor.

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen

Verfahrens ist unbestritten, daß - bezogen auf die

nachverrechneten Beiträge - nur die zweijährige Verjährungsfrist des § 68 Abs. 1 Satz 1 ASVG (in den für den Beschwerdefall maßgebenden Fassungen dieser Gesetzesbestimmung, nämlich der 21. Novelle, BGBl. Nr. 6/1968, bis 31. Dezember 1972 und der 29. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 31/1973, für den Zeitraum vom 1. Jänner 1973 bis 30. November 1979) in Betracht kommt.

Strittig ist lediglich, ob ein Unterbrechungstatbestand im Sinne des letzten Satzes des § 68 Abs. 1 leg. cit. vorliegt. Danach (in Verbindung mit dem ersten Satz der zitierten Gesetzesbestimmung) wird die Verjährung des Feststellungsrechtes (d.i.: des Rechtes auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen) durch jede zum Zweck der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 30. Jänner 1986, Slg. 12010/A, ausgesprochen und ausführlich begründet hat, ist ein die Versicherungspflicht verneinender Abspruch keine die Verjährung unterbrechende Maßnahme im Sinne des § 68 Abs. 1 letzter Satz ASVG in der hier anzuwendenden Fassung.

Auf die Begründung dieses und des - diese Rechtsauffassung bestätigenden - Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. September 1988, Zl. 86/08/0106, wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Sollte daher die Übermittlung der Beitragsnachverrechnung vom 27. Oktober 1982 an den Erstbeschwerdeführer die erste Verfahrenshandlung der mitbeteiligten Partei im Sinne des § 68 Abs. 1 letzter Satz ASVG gewesen sein, dann wären sämtliche verfahrensgegenständlichen Beiträge aus der Zeit bis 30. November 1979 nach dem ersten Satz der bezogenen Gesetzesstelle in diesem Zeitpunkt bereits verjährt gewesen. Ob und gegebenenfalls wann die mitbeteiligte Partei allenfalls schon zu einem früheren Zeitpunkt bereits Maßnahmen zum Zwecke der Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen im Sinne der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung gesetzt hat, ist nicht aktenkundig.

Der angefochtene Spruch I des Bescheides des Landeshauptmannes von Steiermark vom 29. Jänner 1990 war somit schon aus diesen Gründen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es einer Erörterung des übrigen Beschwerdevorbringens bedurfte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff ASVG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren der Beschwerdeführer auf Zuspruch der Umsatzsteuer und der Stempelgebühren mußte abgewiesen werden, da in den nach den zitierten Gesetzesstellen zuzusprechenden Pauschalbeträgen die Umsatzsteuer bereits enthalten ist und auch das verwaltungsgerichtliche Verfahren der sachlichen Abgabenbefreiung des § 110 ASVG unterliegt, weshalb Stempelgebühren nicht zu entrichten waren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990080061.X00

Im RIS seit

25.09.1990

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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