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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde von 27 Beschwerdeführern gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 23. Oktober 1987, Zl. MDR-B XX-3/87 (mitbeteiligte Partei: Ü-Gesellschaft m.b.H. & Co KG), betreffend Herstellung einer Gehsteigauf- und -überfahrt, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Punkt 1.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Die Bundeshauptstadt Wien hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 13.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Auf Antrag der mitbeteiligten Partei, einer Mit- und Wohnungseigentümerin der Liegenschaft Wien 20.,
XY-Straße 93 - 95 (Einfahrt in Front AB-Gasse), erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Abteilung 28, am 9. März 1987 die Bewilligung zur Herstellung einer Gehsteigauf- und -überfahrt vor dieser Liegenschaft gemäß § 54 Abs. 9 und 13 der Bauordnung für Wien auf jederzeitigen Widerruf. Dabei wurde u.a. "bedungen":
3.)
Die Gehsteigüberfahrt ist auf die Breite der Einfahrt als 4 cm dicker geriffelter Gußasphalt auf 15 cm dicker Betonunterlage (B 225) und 10 cm mech.stab. Tragschichte herzustellen. Hiebei ist der Gußasphaltbelag sowie die Betonunterlage durch Fugen vom angrenzenden Gehsteigbelag zu trennen.
4.)
Die derzeit bestehende Befestigung des Gehsteiges der Überfahrt (Gußasphalt) kann vorläufig belassen werden. Treten jedoch Schäden auf oder wird der Gehsteig umgebaut, so ist die im Punkt 3) angegebene Herstellungsart auszuführen.
5.)
Jedem Eigentümer der Liegenschaft obliegt die dauernde Instandhaltung der Auffahrt und der Überfahrt. Im Falle der Nichteinhaltung dieser Verpflichtung wird die Bewilligung widerrufen werden.
In einer dagegen erhobenen Berufung machte der Hausverwalter namens anderer Miteigentümer des Hauses Wien, XY-Straße 93 - 95, geltend, daß ihnen als Parteien keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sei.
Parteistellung komme ihnen schon deshalb zu, weil nach Punkt 5.) des Bescheides JEDER Eigentümer der Liegenschaft zur dauernden Instandhaltung der Auf- und Überfahrt verpflichtet werde.
Unter Punkt 1.) des angefochtenen Bescheides wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Hiezu führte sie aus, daß Gehsteigangelegenheiten nicht solche seien, auf die § 63 der Bauordnung für Wien anzuwenden sei, wonach einem Ansuchen um Baubewilligung die Zustimmung sämtlicher Miteigentümer anzuschließen sei. Gründe, wonach die Bewilligung zur Gehsteigauf- und -überfahrt zu versagen wäre, seien durch die Berufung der Miteigentümer nicht hervorgekommen. Das Ansuchen um Bewilligung könne jedoch unabhängig vom Eigentum an der hinter dem Gehsteig liegenden Liegenschaft von demjenigen eingebracht werden, der dieser Bewilligung bedürfe.
Mit der Berufung der Beschwerdeführer und anderer Miteigentümer war auch ein Antrag auf "Aufhebung" des Bescheides verbunden. Auf Grund des darin enthaltenen Vorbringens widerrief der Magistrat der Stadt Wien, MA-Abt. 28, die der mitbeteiligten Partei erteilte Bewilligung zur Herstellung einer Gehsteigauf- und -überfahrt vor der schon genannten Liegenschaft.
Dagegen berief die mitbeteiligte Partei. Auf Grund dieses Rechtsmittels behob die belangte Behörde unter Punkt 2.) des angefochtenen Bescheides den Widerrufsbescheid. Dabei wies sie darauf hin, daß eine gegen jederzeitigen Widerruf erteilte Bewilligung zur Gehsteigauf- und -überfahrt nur aus sachlichen Gründen widerrufen werden könne. Als sachlicher Grund komme eine Änderung der Verkehrssituation in Frage oder der Entfall des Erfordernisses des Beladens oder Entladens von Fahrzeugen auf der Liegenschaft. Da ein derartiger Grund nicht gegeben sei, sei der erstinstanzliche Bescheid zu beheben gewesen.
Gegen beide Bescheidpunkte richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach Abs. 9 des die Gehsteigherstellung regelnden § 54 der Bauordnung für Wien in der Fassung der Novelle Nr. 18/1976 (BO) bedürfen die Auffahrten von der Fahrbahn auf den Gehsteig sowie die Gehsteigüberfahrten zur Einfahrt in eine Liegenschaft bzw. zur Ausfahrt aus einer Liegenschaft der Bewilligung der Behörde. Die Bewilligung für eine Gehsteigauf- und -überfahrt darf nur erteilt werden, wenn auf der Liegenschaft Stellplätze nach dem Wiener Garagengesetz bestehen oder zugleich errichtet werden. Die Bewilligung darf nur gegen jederzeitigen Widerruf erteilt werden, wenn die Gehsteigauf- und -überfahrt für das Beladen und Entladen von Fahrzeugen auf der Liegenschaft geschaffen wird. Die Bewilligung ist zu versagen, wenn Sicherheits- oder Verkehrsrücksichten, insbesondere die Rücksichten auf benachbarte Straßenkreuzungen und die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs oder die Höhenlage der anschließenden Fahrbahn oder andere öffentliche Rücksichten entgegenstehen.
Nach § 9 Abs. 7 der u. a. auf Grund des § 54 Abs. 13 BO erlassenen Verordnung der Wiener Landesregierung vom 17. Februar 1981, LGBl. Nr. 14 in der Fassung LGBl. Nr. 22/1984, mit der nähere Vorschriften über die Beschaffenheit der Gehsteige und ihrer baulichen Anlagen erlassen werden, ist die Übernahme von Gehsteigauf- und -überfahrten ausgeschlossen. Ihre Erhaltung in einwandfreiem baulichen und verkehrssicheren Zustand obliegt dauernd dem Eigentümer (Miteigentümer) eines Neu-, Zu- oder Umbaues im Bauland.
Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde hat die belangte Behörde richtig erkannt, daß es sich bei der nach § 54 Abs. 9 BO zu erteilenden Bewilligung nicht um eine Baubewilligung im Sinne des § 60 handelt, für die nach § 63 Abs. 1 lit. c die Zustimmung des Eigentümers (aller Miteigentümer) schon als Beleg des Ansuchens erforderlich ist. Dies ändert jedoch nichts daran, daß auf Grund des Antrages EINES Miteigentümers allein die Baubehörde - auf Grund der zitierten Verordnungsstelle zu Recht - die ÜBRIGEN Miteigentümer gegen deren Willen nicht mit einer sie sonst nicht treffenden Erhaltungspflicht bezüglich der Gehsteigauf- und -überfahrt belasten darf. Aus diesem notwendigen Zusammenhang zwischen Antragstellung (Zustimmung) und Übernahme einer zusätzlichen Belastung ergibt sich nicht nur die Parteistellung der übrigen Miteigentümer der Liegenschaft, sondern auch deren materielles Zustimmungsrecht, weil sonst auf gesetzlich nicht gedeckte Weise in ihr Eigentum eingegriffen würde. Die Beschwerdeführer wurden daher durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht, ohne ihre Zustimmung nicht mit einer zusätzlichen Erhaltungspflicht belastet zu werden, verletzt; insofern war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Hingegen ist nicht ersichtlich, welche Widerrufsgründe bestehen. Daß eine Bewilligung von vornherein nicht einmal auf Widerruf hätte erteilt werden dürfen, ist noch kein Widerrufsgrund. Auch die Beschwerdeführer können in ihrer Beschwerde derartiges nicht dartun. Insoweit war daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, insbesondere deren Art. III. Der Ersatz von Bundesstempel war nur im erforderlichen Ausmaß zuzuerkennen.
Schlagworte
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ECLI:AT:VWGH:1990:1987050200.X00Im RIS seit
11.07.2001