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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1972 §36;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde der T-GmbH gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der FLD Wien, NÖ und Bgld, Berufungssenat II, vom 6. Februar 1989, Zl. 6/2-2406/3/83, betreffend Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer für 1980, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid anerkannte die belangte Behörde einen Schulderlaß in Höhe von S 1,246.599,--, den Lieferanten im Streitjahr der ein Textilhandelsunternehmen betreibenden Beschwerdeführerin (GmbH) gewährt hatten, bzw. die dem Schulderlaß entsprechende Vermögensvermehrung nicht als Sanierungsgewinn. Der Schulderlaß erfolgte nach den Angaben der Beschwerdeführerin im Wege eines "stillen" (außergerichtlichen) Ausgleiches. Die belangte Behörde begründete ihre abweisende Entscheidung damit, daß nach ständiger Lehre und Rechtsprechung von einem Sanierungsgewinn nur bei allgemeinen Sanierungsmaßnahmen zugunsten notleidender Unternehmer gesprochen werden könne. Eine allgemeine Sanierungsmaßnahme liege nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn sämtliche oder zumindest die Mehrzahl der Gläubiger auf ihre Forderungen ganz oder teilweise zum Zwecke der Sanierung des Schuldners verzichten. Dabei werde es aber auch darauf ankommen, in welcher Größenrelation die nachgelassenen Forderungen zu den nicht nachgelassenen stünden. Wenn die Beschwerdeführerin in der Berufung gegen die Abgabenbescheide des Finanzamtes ausführe, daß die Mehrheit (mehr als die Hälfte der Lieferanten) auf einen Teil ihrer Forderungen verzichtet hätte, sei dem entgegenzuhalten, daß die von der Beschwerdeführerin mit einer Vorhaltsbeantwortung vorgelegten Lieferantenkonten lediglich eine Anzahl von 43 Gläubigern, die zumindest auf einen Teil ihrer Forderungen verzichtet hätten, auswiesen. In einer Beilage zu diesen Konten führe die Beschwerdeführerin auch ergänzend aus, daß diese im Original vorgelegten Konten "ALLE die Nachlässe betreffenden Gläubigerkonten sind". Da die Anzahl der Lieferanten vor dem Schulderlaß unbestrittenermaßen 96 betrage, könne nicht von einer "verzichtenden MEHRHEIT" von Lieferanten gesprochen werden. Zu der in der Berufung und in der der Vorhaltsbeantwortung beigelegten Lieferantenaufstellung zum 1. Jänner 1980 bzw. 31. Dezember 1980 angeführten Gesamtreduzierung der Gläubiger (Lieferanten) von 96 auf 20 sei insbesondere auszuführen, daß diese Reduzierung der Lieferantenzahl nicht ausschließlich auf Grund der Forderungsnachlässe zum Zwecke der Sanierung, sondern - wie auch aus den vorgelegten Konten ersichtlich - auch aus anderen Gründen wie Retourwaren, Preisnachlässe, Berichtigungen u.dgl., aber wohl auch Bezahlung erfolgt sei.
Im Zuge des gegenständlichen Gläubigernachlasses sei auf einen Gesamtforderungsbetrag (aller nachlassenden Gläubiger) von S 1,246.599,13 verzichtet worden. Die aushaftenden Verbindlichkeiten aus Warenlieferungen und Leistungen hätten vor dem Schulderlaß (31. Dezember 1979) S 6,223.887,60 betragen. Die Lieferanten hätten also von der in der Bilanz zum 31. Dezember 1979 aushaftenden Schuld (ohne Bankverbindlichkeiten) rund 20 % nachgelassen. Das Verhältnis der nachgelassenen Forderungen zu den nicht nachgelassenen betrage also 1 : 5; zudem seien die Bankverbindlichkeiten im Zuge der Sanierungsmaßnahme unberücksichtigt geblieben.
Da weder die quantitative Mehrheit (das sei die zahlenmäßige Mehrheit der Gläubiger) noch die qualitative Mehrheit (Verhältnis der nicht nachgelassenen zu den zum Zwecke der Sanierung nachgelassenen Forderungen) der Gläubiger auf ihre Forderung bzw. einen Teil ihrer Forderungen verzichtet hätten, liege im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und der Lehre (Hinweis auf Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2, § 36 Tz 5) eine allgemeine Sanierungsmaßnahme nicht vor.
Den Ausführungen der Beschwerdeführerin, daß die Sanierung des Unternehmens erfolgte, da das Warenlager von 1979 auf 1980 um S 1,854.000,--, die Verbindlichkeiten jedoch nur um S 600.000,-- gestiegen seien, wäre zu entgegnen, daß die Sanierung geeignet sein müsse, das notleidende Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen. Wie der Aktenlage zu entnehmen sei, habe die Gesellschaft (Beschwerdeführerin) auch in den dem Streitjahr folgenden Jahren Verluste erwirtschaftet (1981 S 586.278,--, 1982 S 865.647,-- und 1983 S 903.816,--). Trete die Ertragsfähigkeit nicht ein, dann sei dies ein starkes Indiz dafür, daß die Eignung der getroffenen Maßnahmen, die Sanierung herbeizuführen, tatsächlich nicht gegeben gewesen sei (Hinweis auf Nolz, Probleme der Sanierungsgewinne im Ertragsteuerrecht, in Festschrift für Egon Bauer zum 65. Geburtstag, Seite 197).
Die Beschwerdeführerin erhob gegen den angefochtenen Bescheid zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, doch lehnte dieser Gerichtshof deren Behandlung mit Beschluß vom 28. November 1989, B 488/89, ab. In der hierauf dem Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde machte die Beschwerdeführerin für das hg. Verfahren inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 441/72 fügte der Gesetzgeber als Ersatz für die bisherige Sanierungsgewinnregelung des § 12 Z. 3 als neuen Abs. 5 die Bestimmung in § 22 KStG 1966 ein, daß vor Anwendung der Steuersätze jene Einkommensteile auszuscheiden sind, die durch Vermehrungen des Betriebsvermögens infolge eines gänzlichen oder teilweisen Erlasses von Schulden zum Zwecke der Sanierung entstanden sind. Gleichartige Vorschriften enthalten (auf Grund des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 442/72) § 11 Abs. 3 GewStG 1953 sowie § 36 EStG 1972, BGBl. Nr. 440. Die Vermehrungen des Betriebsvermögens infolge eines gänzlichen oder teilweisen Erlasses von Schulden zum Zwecke der Sanierung werden auch, wie die Überschrift zu § 36 EStG 1972 zeigt, als "Sanierungsgewinn" bezeichnet. Solche Sanierungsgewinne behandelte die Rechtsprechung schon vor dem Jahre 1972 auch außerhalb des Anwendungsbereiches des Körperschaftsteuergesetzes begünstigt (im wesentlichen als nicht steuerpflichtig, näheres siehe insbesondere Weinzierl, Der Sanierungsgewinn im Einkommensteuerrecht, FJ 9/78). Der belangten Behörde ist zuzubilligen, daß der Verwaltungsgerichtshof für die begünstigte Behandlung des Sanierungsgewinnes in der Regel eine allgemeine Sanierungsmaßnahme, nämlich die Bereitschaft sämtlicher oder zumindest der Mehrheit aller Gläubiger forderte, auf ihre Forderungen ganz oder teilweise zum Zwecke der Sanierung des Schuldners zu verzichten; mehrere Entscheidungen des Gerichtshofes lassen allerdings auch erkennen, daß der Verwaltungsgerichtshof selbst bei einem Forderungsverzicht nur durch einen einzelnen Gläubiger das Vorliegen eines Sanierungsgewinnes nicht ausschloß. Diese Rechtsprechung ist im hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1978, Zlen. 1396, 2345/75, Slg. Nr. 5267/F, wiedergegeben. Auch das bereits über die Rechtslage nach dem Jahre 1972 absprechende Erkenntnis Slg. Nr. 5267/F schloß nicht aus, daß der Forderungsverzicht selbst nur eines einzelnen Gläubigers einen Sanierungsgewinn darzustellen vermag. Dies könne aber nur für einen Schulderlaß gelten, der in seiner Wirkung einer allgemeinen Sanierungsmaßnahme gleichkomme, also entsprechend dem Wesen und der Zielsetzung einer solchen Sanierungsmaßnahme objektiv geeignet erscheine, die Sanierung des Schuldners tatsächlich herbeizuführen.
Auch auf dem Boden der Lehre und der deutschen Rechtsprechung kann der Forderungsverzicht nur eines einzelnen Gläubigers oder bloß einiger Gläubiger einen Sanierungsgewinn bilden (Urteile des Bundesfinanzhofes vom 25. Oktober 1963, I 359/60 S, BStBl 1964 III Seite 122, und vom 26. November 1980, I R 52/77, BStBl 1981 II Seite 181, weiters Jiresch-Langer, Körperschaftsteuergesetz 1966, Seite 121, Ruppe, Die Unternehmenssanierung aus der Sicht der Ertrags- und Umsatzbesteuerung, in Rechtsprobleme der Unternehmenssanierung, herausgegeben von Ruppe, Mirre-Dreutter, Das Körperschaftsteuergesetz2, Seite 572, Nolz, aaO, Seite 196, Hofstätter-Reichel, Kommentar zur Einkommensteuer, § 36 EStG 1972 Tz 3, und Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, aaO, Seite 746). Nach Ruppe, Nolz, Hofstätter-Reichel und Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg muß es sich allerdings beim einzigen auf seine Forderungen verzichtenden Gläubiger um den Hauptgläubiger handeln. Nolz, aaO, wirft die Frage auf, ab welchem Anteil an den Verbindlichkeiten von einem Hauptgläubiger die Rede sein könne; er lehnte eine schematische Anwendung einer 50 %-Grenze ab und meint, daß die jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu untersuchen seien. Dieser Auffassung schließt sich der Verwaltungsgerichtshof an, wobei er im Sinne seines Erkenntnisses Slg. Nr. 5267/F, von Jiresch-Langer, aaO, und Mirre-Dreutter, aaO, als für die Prüfung des Einzelfalls maßgebliches Kriterium die Eignung des Schulderlasses zur Sanierung des Schuldners ansieht. Wenn Schulden in einem Ausmaß nachgelassen werden, daß der Erlaß zur Sanierung des Schuldners geeignet ist, dann bildet die durch den Erlaß eingetretene Vermögensvermehrung unter Bedachtnahme auf den normativen Gehalt des § 22 Abs. 5 KStG 1966, die Sanierung einer Körperschaft nicht durch Steuerleistungen zu gefährden, einen Sanierungsgewinn, auch wenn nur ein einzelner Gläubiger durch seinen Schulderlaß zur Sanierung beiträgt. Nichts anderes kann gelten, wenn zwar nicht ein einzelner, sondern mehrere Gläubiger, die aber nicht die Mehrheit der Gläubiger ausmachen, Schulden erläßt. Auch wenn eine Minderheit Schulden nachläßt, führt der für die Sanierung des Schuldners geeignete Schulderlaß zu einem Sanierungsgewinn. Der gegenteiligen Auffassung, die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegt, kann sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anschließen. Er hält es auch für verfehlt, einem Schuldnachlaß bzw. der durch ihn eingetretenen Vermögensvermehrung die Eigenschaft eines Sanierungsgewinnes abzusprechen, weil die nachgelassenen Schulden nur 20 % der vorher aushaftenden Verbindlichkeiten betragen. Das Gesetz begünstigt ausdrücklich auch den teilweisen Erlaß von Schulden; reicht ein teilweiser - wenn auch nur 20 %iger - Schulderlaß zur Sanierung aus, dient auch er im Sinne des Gesetzes dem Zwecke der Sanierung. Sollte die belangte Behörde jedoch aus dem Verhältnis der nachgelassenen zu den vorher aushaftenden Schulden den - nach dem Gesetz nicht entscheidenden - Schluß ziehen wollen, es hätte bezogen auf den Wert der Forderungen nicht die Mehrheit der Gläubiger (die "Forderungsmehrheit") die Schulden erlassen, so wäre dieser Schluß deshalb unzutreffend, weil der Anteil der OFFENEN Forderungen der nachlassenden Gläubiger an den gesamten offenen Forderungen bestimmt, ob die "qualitative" Mehrheit der Gläubiger (die "Forderungsmehrheit") einen Schulderlaß gewährt. Aus dem nur 20 %igen Forderungsverzicht ergibt sich nicht schon, daß ihn nur eine qualitative Gläubigerminderheit ("Forderungsminderheit") gewährte. Im übrigen vernachlässigte die belangte Behörde das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Berufung, daß sich die Sanierung über die Jahre 1979 und 1980 erstreckte und in beiden Jahren insgesamt S 2,204.616,-- nachgelassen wurden.
Wenn auch die Beschwerdeführerin mit ihren Einwänden gegen das Begründungselement des angefochtenen Bescheides, es liege mangels einer allgemeinen Sanierungsmaßnahme kein Sanierungsgewinn vor, im Ergebnis im Recht ist, kann der Beschwerde dennoch kein Erfolg beschieden sein, weil die belangte Behörde die nach dem Gesagten erforderliche Eignung des Schuldnachlasses, die Beschwerdeführerin (ihr Unternehmen) zu sanieren, ohne Rechtsirrtum in Abrede stellen durfte. Denn unbestritten blieb, daß die Beschwerdeführerin nach der angeblichen Sanierung im Jahre 1980 schon 1981 einen Verlust von S 586.278,--, 1982 einen solchen von S 865.647,-- und 1983 einen Verlust von S 903.816,--, in den der "Sanierung" folgenden drei Jahren also ingesamt Verluste von S 2,355.741,-- erlitt. Berücksichtigt man, daß laut Handelsbilanz zum 31. Dezember 1980 das Stammkapital der Beschwerdeführerin nur S 100.000,-- betrug, offene Rücklagen nicht vorhanden waren, der mit Vorjahresverlusten saldierte Gewinn von S 504.659,61 laut Berufung ohne den Schulderlaß nicht erzielt worden wäre und die Bilanzsumme nur rund 12 Mio S ausmacht, so ergibt sich im Sinne von Nolz, aaO, Seite 198, daraus tatsächlich ein starkes Indiz dafür, daß die Eignung der getroffenen Maßnahmen, die Sanierung herbeizuführen, nicht gegeben war. Das Gegenteil aufzuzeigen wäre in Anbetracht der nicht bestrittenen hohen Verluste der Beschwerdeführerin oblegen. Daß die belangte Behörde erst in einem Zeitpunkt über die Berufung entschied, in dem die Ergebnisse der Jahre 1981 bis 1983 bekannt waren, bewirkt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat vielmehr auf Umstände Bedacht genommen, die nicht nur (bei hohen Verlusten) zu Lasten, sondern auch (bei Gewinnen) zugunsten der Beschwerdeführerin ausfallen konnten und maßgebliche Entscheidungsgrundlagen für die Lösung der Frage, ob sich die Schuldnachlässe zur Sanierung eigneten, bildeten.
Zusammenfassend entspricht somit der angefochtene Bescheid der Rechtslage. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990130018.X00Im RIS seit
03.10.1990