Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
EStG 1972 §19;Beachte
Besprechung in: ÖStZB 1991, 173;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 20. Juli 1989, GZ. 6/3 - 3449/88, betreffend Wiederaufnahme hinsichtlich der Umsatzsteuer und Einkommensteuer 1980 bis 1983, Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer 1980 bis 1983, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Beim Beschwerdeführer, welcher sich selbst als "Überprüfer von Gemeindeabgaben" bezeichnet, fand 1987 eine abgabenbehördliche Prüfung hinsichtlich der Jahre 1980 bis 1983 statt. Im Rahmen derselben wurden die Einkünfte des Beschwerdeführers, die bisher von der Finanzverwaltung als solche aus selbständiger Arbeit qualifiziert worden waren, als Einkünfte aus Gewerbebetrieb behandelt. Auch die vom Beschwerdeführer erklärten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wurden den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugerechnet.
Gegen die auf Grund der Feststellungen der Betriebsprüfung erlassenen Bescheide erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung. Nach Durchführung eines Vorhaltsverfahrens wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Berufung "betreffend Wiederaufnahme betreffend Umsatzsteuer 1981 und betreffend Einkommensteuer 1980, 1981 und 1982 und Umsatz- und Einkommensteuer 1981" ab, hob die "Bescheide betreffend Wiederaufnahme betreffend Umsatzsteuer 1980 und betreffend Umsatz- und Gewerbesteuer 1980 und 1983 und betreffend Einkommensteuer 1983" ersatzlos auf und änderte die "Bescheide betreffend Einkommensteuer 1980, 1981 und 1982 und Gewerbesteuer 1982" ab. Begründend führte sie im wesentlichen aus:
Unbestrittenermaßen seien hinsichtlich der Jahre 1980 bis 1982 nicht erklärte Einnahmen des Beschwerdeführers festgestellt worden.
Die Wiederaufnahme des Verfahrens für die genannten Jahre erfolge daher zu Recht. Es könne jedoch für 1980 betreffend die Umsatzsteuer und die Gewerbesteuer "nicht von hinterzogenen Einnahmen ausgegangen werden, da für die fehlenden Einnahmen Lohnzettel ausgestellt worden sind". Die für 1983 "nicht erklärten Einkünfte sind ohne steuerliche Auswirkung". In diesem Punkt sei der Berufung daher stattzugeben.
Die Einkünfte des Beschwerdeführers aus seiner Prüfertätigkeit in Gmünd, Puchberg, Weitra, Gresten, Frauenkirchen, Purkersdorf, Haag, Zwettl, St. Andrä-Wördern, Brand-Nagelberg, Heidenreichstein, Allhau und Bruck/Leitha stellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb dar. Es wäre in diesen Fällen - "soweit feststellbar" - eine stundenweise Entlohnung erfolgt; eine Bindung an eine feste Arbeitszeit sei nicht gegeben gewesen. Auch eine Eingliederung in den Betrieb der jeweiligen Gemeinde müsse auf Grund der jeweils relativ kurzen Beschäftigungsdauer verneint werden.
Die Einkünfte des Beschwerdeführers aus seiner Tätigkeit in den Gemeinden Seefeld, Kadolz, Wieselburg, Drösing, Großmugl, Kaumberg, Klosterneuburg und Marbach/Donau seien auf Grund von Werkverträgen erzielt worden und "zählen unbestrittenermaßen nicht zu den Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit".
Hinsichtlich der Tätigkeit des Beschwerdeführers in Stockerau überwiege das Erscheinungsbild einer nichtselbständigen Tätigkeit. Der Beschwerdeführer habe dort vom 1. Dezember 1981 bis 30. April 1984 gearbeitet. Laut Dienstvertrag habe er ein monatliches Gehalt bekommen. Die Gemeinde Stockerau habe auch einen "Fahrtspesenersatz geleistet und Tagesdiäten angesetzt". Neben dem "Fixgehalt" spreche auch die "erhaltene Abfertigungszahlung" für das "Vorliegen nichtselbständiger Einkünfte".
Die Berufungsbehauptung, daß die Tätigkeit des Beschwerdeführers der eines Wirtschaftstreuhänders ähnlich sei, sei unrichtig. Der Hinweis auf die Beurteilung dieser Tätigkeit durch die Finanzverwaltung in früheren Jahren gehe schon deshalb ins Leere, weil das Abgabenrecht vom Grundsatz der jahresweisen Betrachtungsweise beherrscht werde.
Der Schwerpunkt der Arbeit eines Wirtschaftstreuhänders liege in der Rechtsberatung auf dem Gebiet des Steuer-, Bilanz- und Wirtschaftsrechtes. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers "als Getränkesteuerprüfer" umfasse keinen so weiten Aufgabenkreis und auch nicht die wesentliche Tätigkeit eines Wirtschaftstreuhänders.
Die Tätigkeit eines solchen sei gegenüber der des Beschwerdeführers "sowohl von der Ausbildung als auch vom Aufgabenkreis her deutlich höher qualifiziert". Dies finde auch in der gegenüber einem Wirtschaftstreuhänder wesentlich niedrigeren Entlohnung des Beschwerdeführers seinen Ausdruck.
Die Einkünfte des Beschwerdeführers, die nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zählten, seien daher gewerbesteuerpflichtig.
Der Berufung gegen den "Wiederaufnahmebescheid betreffend Umsatzsteuer 1980 sowie betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1983 und gegen die Umsatz- und Gewerbesteuerbescheide 1980 und 1983 und gegen den Einkommensteuerbescheid 1983" sei daher Folge zu geben und die angeführten Bescheide aufzuheben gewesen.
Die Berufung gegen die "Wiederaufnahmsbescheide betreffend Einkommensteuer 1980 sowie betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1981 und 1982 und gegen den Umsatz- und Einkommensteuerbescheid 1981 war abzuweisen".
Die Bescheide betreffend Einkommensteuer 1980, 1981, 1982 sowie Gewerbesteuer 1982 seien abzuändern gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, er habe in den Streitjahren Einkünfte aus selbständiger Arbeit und - aus Dienstverhältnissen zu verschiedenen Gemeinden - Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen. Weiters vermeint er, daß hinsichtlich der Umsatzsteuer 1981 kein tauglicher Wiederaufnahmsgrund gegeben gewesen und hinsichtlich der Einkommensteuer 1980 Bemessungsverjährung eingetreten sei. Schließlich weist er darauf hin, daß die Einkünfte aus seiner Tätigkeit für die Gemeinde Stockerau zwar von der belangten Behörde richtig als solche aus nichtselbständiger Arbeit qualifiziert, dieselben jedoch dem ungeachtet "bei der Berechnung der Umsatz- und Gewerbesteuer 1982 nicht aus der Bemessungsgrundlage ausgeschieden" worden seien.
Demgegenüber ist die belangte Behörde der Ansicht, der Beschwerdeführer habe in den Streitjahren Einkünfte aus Gewerbebetrieb und lediglich aus seinem Dienstverhältnis zur Gemeinde Stockerau Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. Sie steht ferner auf dem Standpunkt, daß sehr wohl ein Wiederaufnahmsgrund hinsichtlich der Umsatzsteuer 1981 vorliege und vermeint - allerdings in klaren Worten erstmals in der Gegenschrift - sie nehme bezüglich der Einkommensteuer 1980 "Hinterziehungsabsicht" an, sodaß davon ausgegangen werden müsse, daß eine Bemessungsverjährung noch nicht eingetreten sei.
Für zutreffend erklärt sie allerdings die Rüge des Beschwerdeführers, "daß die Einkünfte aus dem Dienstverhältnis Stockerau im Jahre 1982 zu Unrecht bei der Umsatz- und Gewerbesteuer angesetzt wurden". Diesbezüglich vertritt auch sie die Auffassung, daß der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet sei.
Zu den angeführten einzelnen Streitpunkten ist folgendes auszuführen:
1. Was zunächst die grundsätzliche Frage danach anlangt, ob der Beschwerdeführer in den Streitjahren - sieht man von den auch erzielten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit vorerst ab - Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder Einkünfte aus selbständiger Arbeit hatte, so stützt der Beschwerdeführer seine Auffassung - nämlich daß seine Einkünfte solche aus selbständiger Arbeit darstellen - zum einen auf eine nicht in Streit stehende Entscheidung der belangten Behörde betreffend die Vorjahre aus dem Jahre 1982, und zum andern auf die von ihm behauptete und konkret nicht widerlegte Tatsache, daß sich die Art seiner Tätigkeit in den Jahren, auf welche sich die Beschwerde bezieht, gegenüber den vorangegangenen Jahren nicht geändert hätte.
Nun ist zwar der belangten Behörde beizustimmen, wenn sie darauf hinweist, daß "das Abgabenrecht vom Grundsatz der jahresweisen Betrachtungsweise beherrscht wird". Es muß aber wohl doch verlangt werden, daß, wenn die Finanzverwaltung von einem Jahr auf das andere ihre Ansicht über die Art der Einkünfte, welche ein Steuerpflichtiger aus einer gleichen Tätigkeit erzielt, ändert, sie diese ihre Ansicht ausreichend klar und eindeutig begründet.
An einer solchen Begründung fehlt es jedoch dem angefochtenen Bescheid - was in der Beschwerde sinngemäß auch gerügt wird - so gut wie gänzlich; denn ohne Darstellung einer konkret nachvollziehbaren Schlußfolgerung wird einfach die Behauptung aufgestellt, daß die Einkünfte des Beschwerdeführers aus seiner Prüfertätigkeit bei einer Reihe von Gemeinden Einkünfte aus Gewerbebetrieb darstellen und aus der Tätigkeit bei einigen anderen Gemeinden nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören.
Auch mit der Frage, ob die Tätigkeit des Beschwerdeführers der eines Wirtschaftstreuhänders ähnlich sei oder nicht, setzt sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht in genügender Weise auseinander; denn ohne die tatsächliche Tätigkeit des Beschwerdeführers eindeutig darzustellen und sich mit seinen diesbezüglich schon in der Berufung gemachten Ausführungen, wonach er in steuerlichen Rechtsfragen die Gemeinden berate, für diese Bescheide, Berufungsentscheidungen und Berufungen abfasse sowie ihnen Rechtsauskünfte hinsichtlich der Landesabgabenordnungen erteilte und sie mit der neuesten Judikatur der Höchstgerichte in Abgabensachen vertraut mache, auch nur mit einem Wort auseinanderzusetzen, wird der Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid einfach als "Getränkesteuerprüfer" abgetan.
Mit Recht wird in der Beschwerde aber auch gerügt, daß sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides konkret nicht ergibt, warum zwar die Tätigkeit des Beschwerdeführers für die Gemeinde Stockerau als im Rahmen eines Dienstverhältnisses erfolgt angesehen wird, verschiedene andere formell als Dienstverhältnisse geregelte Beziehungen aber nicht als solche Dienstverhältnisse anerkannt wurden.
In diesem Punkt erweist sich daher der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
2. Bereits in der Berufung vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, daß für den Veranlagungszeitraum 1980 Verjährung eingetreten sei. Auf diese Ausführungen wurde seitens der Finanzbehörde weder im Verwaltungsverfahren noch im angefochtenen Bescheid konkret eingegangen. Dieser enthält, nachdem in seinem Spruch der Umsatzsteuerbescheid 1980 und der Gewerbesteuerbescheid 1980 ersatzlos aufgehoben wurden, in der Begründung lediglich die Bemerkung, es könne für 1980 "hinsichtlich der Umsatz- und Gewerbesteuer nicht von hinterzogenen Einnahmen ausgegangen werden".
Erstmals in der Gegenschrift führt die belangte Behörde, die offenkundig gar nicht in Streit stellt, daß hinsichtlich des Veranlagungszeitraumes 1980 tatsächlich bereits die fünfjährige "normale" Bemessungsverjährung eingetreten gewesen sei, aus, daß "hinsichtlich der Einkommensteuer 1980 ... das Vorhandensein nicht erklärter Einkünfte nicht bestritten" werde und nach ihrer Ansicht "dafür Hinterziehungsabsicht anzunehmen" sei. Damit will die belangte Behörde offenbar zum Ausdruck bringen, daß im Falle der Einkommensteuer 1980 eine zehnjährige Bemessungsfrist Platz greife.
Da die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Verjährungsfrage überhaupt nicht eingegangen ist - eine konkrete Begründung für die Annahme der Hinterziehungsabsicht enthält nicht einmal die Gegenschrift - erweist sich der angefochtene Bescheid auch in diesem Punkt mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
Gleiches gilt auch für die Frage hinsichtlich des Vorliegens eines tauglichen Wiederaufnahmsgrundes bezüglich der Umsatzsteuer 1981; denn auch hier geht die belangte Behörde mit keinem Wort auf die schon in der Berufung enthaltenen Ausführungen ein, daß nach Ansicht des Beschwerdeführers im Hinblick auf die der Behörde vorgelegenen Lohnzettel kein tauglicher Wiederaufnahmsgrund gegeben sei. "Im besonderen" sei daher - wie in der Berufung ausgeführt wird - "der Wiederaufnahmstatbestand für Umsatzsteuer unmöglich".
3. Was schließlich die Einbeziehung der Einkünfte des Beschwerdeführers aus nichtselbständiger Arbeit auf Grund seiner Tätigkeit bei der Gemeinde Stockerau in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer und Gewerbesteuer 1982 im angefochtenen Bescheid anlangt, teilt der Gerichtshof die diesbezüglich übereinstimmende Ansicht der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, daß sich in diesem Punkt der angefochtene Bescheid als mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet erweist.
Im Hinblick darauf, daß die Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes einer Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht (vergleiche die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 582 abgedruckte hg. Judikatur), war der angefochtene Bescheid daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989130198.X00Im RIS seit
03.10.1990