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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
AbgÄG 1984 Abschn1 Art2 Z3;Beachte
Besprechung in:ÖStZB 1991, 288;Betreff
N gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat I) vom 18. September 1989, Zl. 6/1-1162/85-03, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1977 bis 1982
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Facharzt. In den Streitjahren (1977 bis 1982) war er sowohl selbständig als auch unselbständig, auch als Leiter einer Abteilung einer Universitätsklinik, tätig. In seinen Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre wies er unter anderem die Honorare, die er von in die Sonderklasse der Krankenanstalt aufgenommenen Patienten vereinnahmte ("Sondergebühren"), als steuerpflichtige Umsätze aus.
Das Finanzamt veranlagte den Beschwerdeführer in den Streitjahren antragsgemäß zur Umsatzsteuer. Im Jahre 1984 wurde beim Beschwerdeführer eine abgabenbehördliche Prüfung vorgenommen, die zu verschiedenen Beanstandungen führte. Das Finanzamt nahm unter anderem die Verfahren betreffend die Umsatzsteuer 1977 bis 1982 wieder auf und erließ neue Sachbescheide, in denen es auch die strittigen Sondergebühren als steuerpflichtige Umsätze behandelte. In seiner nur gegen die Sachbescheide erhobenen Berufung begehrte der Beschwerdeführer unter anderem, die Sondergebühren, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht der Umsatzsteuer unterlägen, als umsatzsteuerfrei zu behandeln.
Der über diese Berufung ergangene Bescheid der belangten Behörde vom 1. April 1987 wurde mit dem hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1988, Zl. 87/13/0116, hinsichtlich der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer für die Jahre 1977 bis 1982 aufgehoben.
Mit der nun angefochtenen Berufungsentscheidung änderte die belangte Behörde die Bescheide betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer für die Jahre 1977 bis 1982 ab; die Sondergebühren behandelte sie dabei als umsatzsteuerpflichtig. Begründend führte sie nach ausführlicher Darlegung der Rechtslage aus, nach der auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwendenden Vorschrift des § 2 Abs. 6 UStG 1972 seien die Entgelte der Ärzte für die Behandlung von Pfleglingen der Sonderklasse der Umsatzsteuer zu unterziehen.
Die vorliegende Beschwerde wendet sich ausdrücklich "nur gegen jene Teile des angefochtenen Bescheides, die die Umsatzsteuer der Jahre 1977 bis 1982 betreffen und sich auf die umsatzsteuerpflichtigen Vorgänge bei der Behandlung der Sondergebühren beziehen". Der Beschwerdeführer erachtet sich durch die unrichtige Anwendung des § 303 Abs. 4 BAO und die Anwendung des § 2 Abs. 6 UStG 1972 entgegen der Vorschrift des Art. II Z. 1 Abgabenänderungsgesetz 1984 in seinen Rechten bezüglich der Rechtskraft von durch ordentliche Rechtsmittel nicht mehr anfechtbaren Bescheiden verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der dem § 2 UStG 1972 durch Abschnitt III Art. I Z. 1 des am 21. Dezember 1984 im Bundesgesetzblatt kundgemachten Abgabenänderungsgesetzes (AbgÄG) 1984 (BGBl. Nr. 531) angefügte Abs. 6 lautet:
"Als Unternehmer gilt auch ein in einem Dienstverhältnis zu einer Krankenanstalt stehender Arzt, soweit er in Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit Entgelte vereinnahmt, die gemäß § 22 Abs. 1 Z. 1 lit. b des Einkommensteuergesetzes 1972 zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit zählen."
§ 22 Abs. 1 Z. 1 lit. b letzter Satz EStG 1972 in der Fassung des AbgÄG 1984 lautet:
"Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit zählen auch die Entgelte der Ärzte für die Behandlung von Pfleglingen der Sonderklasse (einschließlich ambulatorischer Behandlung), soweit diese Entgelte nicht von einer Krankenanstalt im eigenen Namen vereinnahmt werden."
Nach Abschnitt I Art. II Z. 3, Abschnitt III Art. II Z. 1 AbgÄG 1984 sind die oben zitierten Vorschriften in allen Fällen anzuwenden, in denen die Abgabe nicht rechtskräftig festgesetzt ist. Dazu wird in den Erläuternden Bemerkung zur Regierungsvorlage (420 Blg. NR XVI GP) ausgeführt, es sei im Interesse der Rechtssicherheit und einer gleichmäßigen steuerlichen Behandlung derartiger Leistungen erforderlich, daß die Bestimmungen in allen nicht rechtskräftigen Veranlagungsfällen angewendet werden.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß im zeitlichen Geltungsbereich des Abgabenänderungsgesetzes 1984 die vom Arzt im Zusammenhang mit der Behandlung von Klassepatienten vereinnahmten Sondergebühren der Umsatzsteuer unterliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1986, Zl.85/15/0319). Er vertritt jedoch die Auffassung, § 2 Abs. 6 UStG 1972 sei im vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abgabenänderungsgesetz 1984 seien nämlich die strittigen Abgaben bereits rechtskräftig festgesetzt gewesen. Daran könne auch die Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO nichts ändern. Durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Jänner 1984, Zl. 83/15/0113, 0114, ergebe sich für die hier maßgebliche Rechtslage vor dem Abgabenänderungsgesetz 1984, daß Sondergebühren nicht der Umsatzsteuer unterlägen. Der Beschwerdeführer sei daher berechtigt, für die Streitjahre die auf Sondergebühren entfallende, von ihm seinerzeit irrtümlich abgeführte Umsatzsteuer rückzufordern.
Soweit der Beschwerdeführer (im Rahmen des Beschwerdepunktes) eine unrichtige Anwendung des § 303 Abs. 4 BAO geltend macht und sich somit offenbar gegen die Rechtmäßigkeit der Wiederaufnahme wendet, ist ihm zu erwidern, daß einerseits Wiederaufnahms- und neuer Sachbescheid jeder für sich einer Berufung zugänglich ist und andererseits jeder dieser Bescheide für sich in Rechtskraft erwachsen kann (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung 737 und die dort angeführte hg. Rechtsprechung). Der Beschwerdeführer hat seine Berufung unmißverständlich auf die neuen Sachbescheide beschränkt; nur diese waren somit Gegenstand des angefochtenen Bescheides. Es ist ihm daher verwehrt, sich im Beschwerdeverfahren gegen die Rechtmäßigkeit der Wiederaufnahme zu wenden. Nur der Vollständigkeit halber sei bemerkt, daß für den Beschwerdeführer selbst mit einer Beseitigung der Wiederaufnahmsbescheide im Ergebnis nichts gewonnen wäre. In diesem Falle käme es zu einem Wiederaufleben der früheren Sachbescheide (vgl. Stoll aaO 734 und die dort angeführte hg. Rechtsprechung), in denen die strittigen Sondergebühren - erklärungsgemäß - ebenfalls als umsatzsteuerpflichtig behandelt wurden.
Zu prüfen ist im vorliegenden Fall daher lediglich, ob die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides davon auszugehen hatte, daß ein Fall vorliegt, in dem die Abgabe nicht rechtskräftig festgesetzt ist.
Dabei ist entscheidend, daß die Wiederaufnahme durch das Finanzamt zur gänzlichen Beseitigung jenes Bescheides führte, der das nunmehr wiederaufgenommene Verfahren seinerzeit zum Abschluß brachte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 1988, Zl. 87/13/0096; Stoll aaO 729). Wegen der völligen Beseitigung der Abgabenbescheide aus dem Rechtsbestand war daher im maßgeblichen, nach dem Inkrafttreten des Abgabenänderungsgesetzes 1984 liegenden Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Abgabe nicht (geschweige denn rechtskräftig) festgesetzt. Nach der Vorschrift des Abschnittes III Art. II Z. 1 AbgÄG 1984 hat die belangte Behörde somit zu Recht auf den vorliegenden Sachverhalt § 2 Abs. 6 UStG 1972 angewendet.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989150146.X00Im RIS seit
08.10.1990Zuletzt aktualisiert am
02.10.2014