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32/04 Steuern vom Umsatz;Norm
PO §26;Beachte
Besprechung in:ÖStZB 1991, 289;Betreff
N gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 12. September 1989, Zl. 6/3-3233/89-04, betreffend Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für die Kalendermonate Jänner bis Juni 1988:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Briefmarkenhändler. Er erwirbt im In- und Ausland bei Auktionen, von Händlern und Sammlern sowie aus Nachlässen große Posten gültiger, nicht entwerteter österreichischer Briefmarken. Diese tauscht er bei der Post gegen Briefmarken in anderer Stückelung um, die er sodann an Unternehmen, die die Briefmarken zur Entrichtung der Postgebühren verwenden, weiterveräußert.
Im Zuge einer beim Beschwerdeführer im Jahre 1988 gemäß § 99 Abs. 2 FinStrG durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung, die unter anderem die Besteuerungsgrundlagen der Umsatzsteuer für die Jahre 1984 bis 1987 umfaßte, vertrat der Prüfer die Auffassung, daß zwar die mit Kunden des Beschwerdeführers getätigten Umsätze von "Frankaturware" gemäß § 6 Z.8 lit. b UStG 1972 steuerfrei wären, nicht aber jene Umsätze des Beschwerdeführers mit der Post, die im Umtausch von Postmarken bestünden. Dieser Auffassung des Prüfers folgend nahm das Finanzamt die Verfahren betreffend die Umsatzsteuer für die Jahre 1985 bis 1987 wieder auf, erließ neue Sachbescheide und setzte Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate Jänner bis Juni 1988 fest.
In den dagegen erhobenen Berufungen beantragte der Beschwerdeführer, seine Umsätze mit der Post aus der Umsatzbesteuerung auszunehmen. Er führte im wesentlichen aus, er betreibe den Handel mit Postwertzeichen für Frankaturzwecke. Er erwerbe postfrische Postwertzeichen von Händlern, Verlassenschaften oder Sammlern und veräußere diese an Unternehmen weiter, die einen großen Bedarf an Postwertzeichen für die Frankatur ihrer Geschäftspost hätten. Ein Teil der angekauften Briefmarken bestehe aus Werten, die nicht den derzeit auf Grund des geltenden Posttarifs gebräuchlichen Wertstufen entsprächen, sodaß der Abnehmer eine Stückelung vornehmen müßte, um seine Geschäftspost mit den den jeweiligen Beförderungstarif repräsentierenden Werten zu frankieren. Da die Abnehmer nicht bereit seien, die kostenaufwendige Stückelung der Marken vorzunehmen, tausche der Beschwerdeführer die Briefmarken bei der Post um, um ganze Bögen von Briefmarken in gängigen und von seinen Kunden nachgefragten Werten zu erhalten. Der Umtausch geschehe derart, daß ganze Bögen oder Pakete nicht gängiger Werte zurückgegeben und gegen Bögen gängiger Werte umgetauscht würden. Ebenso würden Briefmarken mit schwacher Gummierung gegen gutklebende Marken umgetauscht. Beim Umtausch von Einzelmarken gegen die benötigten Bögen würden die Einzelmarken auf Papier aufgeklebt, um die Handhabung und die Verrechnung beim Umtausch zu erleichtern.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung betreffend die Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für die Kalendermonate Jänner bis Juni 1988 als unbegründet ab. Nach Darlegung der vom Prüfer getroffenen Feststellungen und des Vorbringens des Beschwerdeführers vertrat die belangte Behörde im wesentlichen die Auffassung, unter die Befreiungsbestimmung des § 6 Z. 8 lit. b UStG 1972 fielen nur solche Briefmarken, die zu ihrer eigentlichen Zweckbestimmung umgesetzt würden; dies sei hier nicht der Fall.
Mit der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 6 Z.8 lit. b UStG 1972 sind unter anderem die Umsätze von inländischen amtlichen Wertzeichen steuerfrei.
Zu dieser Vorschrift wird in der Literatur die Auffassung vertreten, steuerfrei seien die Umsätze von inländischen kursfähigen Briefmarken, und zwar auch dann, wenn sie durch Gastwirte, Trafiken, Papiergeschäfte oder Automaten verkauft werden (Kranich - Siegl - Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer § 6 Anm 108; Dorazil - Frühwald - Hock - Mayer, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz § 6 Anm 12). Bei den von Händlern verkauften Sammlermarken handle es sich aber, auch wenn sie an sich (ungestempelt) noch zur Freimachung von Postsendungen verwendet werden könnten, nach der Absicht und Auffassung der Beteiligten nicht mehr um "amtliche Wertzeichen" im Sinne dieser Befreiungsvorschrift; die Marken seien in einem solchen Fall vielmehr Gegenstand einer Sammlertätigkeit. Sie besäßen für den Erwerber einen höheren Wert und würden von ihm nicht zu dem Zweck erworben, dem Postwertzeichen eigentlich dienen sollten (Dorazil - Frühwald - Hock - Mayer aaO). Gültige Postwertzeichen, die von einem Briefmarkenhändler als "Sammlermarken" zu einem über ihrem Nennwert liegenden Preis verkauft würden, stellten grundsätzlich Gegenstände einer Sammlertätigkeit und damit selbständige Handelswaren dar, die ihres Charakters als amtliche Wertzeichen entkleidet seien (Kranich - Siegl - Waba, aaO § 6 Anm 109).
Zu der dem § 6 Z. 8 lit. b UStG 1972 die Steuerbefreiung der Umsätze von inländichen amtlichen Wertzeichen betreffend gleichlautenden Vorschrift des § 4 Abs. 1 Z. 8 UStG 1959 vertrat Bundy (Das Umsatzsteuergesetz 266 f) die Auffassung, unter die inländischen amtlichen Wertzeichen fielen unter anderem Briefmarken, soweit sie kursfähig seien und zu ihrer eigentlichen Zweckbestimmung umgesetzt würden. Sämtliche seit dem 10. Dezember 1947 von der österreichischen Postverwaltung aufgelegten Briefmarken seien noch kursgängig. Bereits entwertete oder vor dem genannten Stichtag im Inland aufgelegte Briefmarken sowie sämtliche ausländischen Briefmarken seien immer Handelsware. Die Feststellung im Einzelfall, ob die an sich noch kursgängige Briefmarke zur Freimachung oder als Handelsware umgesetzt werde, sei am Umsatzgeschäft selbst kaum zu erkennen. Weil nun Verschleißstellen und Postverwaltung in der Regel die Briefmarken als Einzelstück oder in Bogen umsetzen und weil im Wirtschaftsleben das "Wertzeichen" bei der Verschleißstelle oder auch der Postverwaltung unmittelbar und nicht beim Briefmarkenhändler erworben werde, die Briefmarke als Handelsware aber in der Regel beim Briefmarkenhändler - mitunter auch bei der Postverwaltung - unmittelbar gekauft werde, habe die Verwaltungsübung auf Grund der wirtschaftlichen Betrachtung der Verkehrsvorgänge einerseits und wegen der schwierigen, ja fast unmöglichen Nachweisführung beim Steuerpflichtigen andererseits sich dahingehend herausgebildet, daß die Umsätze der Verschleißstellen und der Postverwaltung immer als Umsätze inländischer amtlicher Wertzeichen und die Umsätze der Briefmarkenhändler immer als Umsätze von Handelswaren betrachtet würden.
Die zuletzt wiedergegebenen Darlegungen zeigen, daß sich der zitierte Autor mit seinen Ausführungen, Briefmarken fielen unter den Begriff des inländischen amtlichen Wertzeichens unter der Voraussetzung, daß sie (kursfähig seien und) "zu ihrer eigentlichen Zweckbestimmung umgesetzt" würden, auf die Auffassung bezieht, daß Briefmarken, die nicht zur Entrichtung der Postgebühren, sondern zu Sammlerzwecken erworben würden, ihren Charakter als amtliche Wertzeichen verloren hätten und zur Handelsware geworden wären. Zur Handelsware gewordene "Sammlermarken" würden somit nicht zu "ihrer eigentlichen Zweckbestimmung", nämlich zur Entrichtung der Postgebühren, umgesetzt.
Die belangte Behörde hat die Steuerbefreiung der strittigen Umsätze des Beschwerdeführers gestützt auf die Kommentarmeinung Bundys mit der Begründung verneint, daß die Briefmarken nicht zu ihrer eigentlichen Zweckbestimmung umgesetzt worden wären. Maßgeblich für die Anwendbarkeit der Befreiungsvorschrift ist jedoch nur, daß es sich bei den umgesetzten Briefmarken um inländische amtliche Wertzeichen handelt; ein Vorgang, der - wie in den beschriebenen Fällen des Verkaufes von "Sammlermarken" durch Händler zu einem über dem Nennwert liegenden Preis - nach Meinung des Schrifttums zum Verlust des Charakters als "amtliche Wertzeichen" geführt hätte, ist im vorliegenden Fall aber nicht ersichtlich.
Nach § 26 Postordnung sind auf Papier aufgeklebte oder aufgedruckte gültige Briefmarken von den Postämtern gegen Entrichtung der Umtauschgebühr für jede Briefmarke umzutauschen. Ob in diesem Vorgang ein steuerbarer Leistungsaustausch in Form eines Tausches (§ 3 Abs. 14 UStG 1972) oder ein nicht steuerbarer Umtausch bzw. Austausch liegt, kann im vorliegenden Fall auf sich beruhen. Gegenstand eines Tausches wären - auf der Grundlage der Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde - jedenfalls "inländische amtliche Wertzeichen" im Sinne des § 6 Z. 8 lit. b UStG 1972. Die in einem "Umtausch" gemäß § 26 Postordnung der vom Beschwerdeführer erworbenen Briefmarken bestehenden Umsätze sind somit nach der zitierten Vorschrift steuerbefreit.
Der angefochtene Bescheid, der die Anwendbarkeit der Befreiungsvorschrift aus unzutreffenden Gründen verneint hat, war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989150132.X00Im RIS seit
08.10.1990Zuletzt aktualisiert am
01.01.2009