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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Großmann und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des N. gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 23. April 1990, Zl. 3/07-6.991/6-1990, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des KJBG und des Berufsausbildungsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Bestätigung des Spruchpunktes I des Straferkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, im Umfang der Bestätigung der Spruchpunkte II und III wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.680,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Aufgrund einer mit Schreiben vom 28. Juni 1989 von der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg erstatteten Anzeige (eines Antrages auf Einleitung eines Strafverfahrens) erließ der Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg unter dem Datum 17. November 1989 gegenüber dem nunmehrigen Beschwerdeführer ein Straferkenntnis, mit dessen Schuldspruch diesem angelastet wurde, er habe es "als handelsrechtlicher Geschäftsführer der M. GesmbH in Salzburg, L.-Straße 11, und somit als das gemäß § 9 VStG 1950 zur Vertretung nach außen berufene Organ für diese zu verantworten, daß im genannten Betrieb
"I. a) der Lehrling A.B. vom 11. April bis August 1989 zwischen 41 und 45 Stunden pro Woche beschäftigt wurde
b) der Lehrling S.F. vom 11. April 1989 bis 5.5.1989 45-46 Std. pro Woche beschäftigt wurde
c) der Lehrling G.L. vom 11. April 1989 bis 5.10.1989 durchschnittlich 43 Std. pro Woche beschäftigt wurde
d) der Lehrling F.M. vom 11. April 1989 bis September 1989 zwischen 44 und 46 Stunden pro Woche beschäftigt wurde
e) der Lehrling R.T. vom 11. April bis 5.10.1989 durchschnittlich 43 - 44 Std. pro Woche beschäftigt wurde,
obwohl die Wochenarbeitszeit der Jugendlichen 40 Std. nicht überschreiten darf.
II. der Lehrling S.F. am 30.5.1989 von Ihnen mit den Worten 'Du VolltrottelÜ Du KrüppelÜ Du ArschlochÜ Ich bring Dich umÜ Ich hau Dir das Genick abÜ Ich häng' Dich aufÜ' beschimpft und somit erheblich wörtlich beleidigt wurde.
III. a) der Lehrling S.F. vom 11. April bis 5.5.1989 jeden Freitag die Toilettanlagen, den Aufenthaltsraum und das Stiegenhaus sowie 4 - 5 mal Fenster in der Werkstätte reinigen mußte.
b) der Lehrling F.M. vom 11. April bis September 1989 an Freitagen den Aufenthaltsraum reinigen mußte.
c) der Lehrling R.T. vom 11. April bis Juli 1989 jeden Freitag den Aufenthaltsraum, jeden zweiten Freitag auch die Toilettanlagen reinigen mußte, obwohl der Lehrherr den Lehrling nur zu solchen Tätigkeiten heranzuziehen hat, die mit dem Wesen der Ausbildung vereinbar sind."
Der Beschwerdeführer habe dadurch folgende Verwaltungsübertretungen begangen (Rechtsvorschriften verletzt): Zu I.a) bis e) jeweils § 30 iVm § 11 Abs. 1 KJBG; zu
II. § 30 iVm § 22 KJBG; zu III.a) bis c) § 32 Abs. 1 lit. d iVm § 9 Abs. 2 Berufsausbildungsgesetz (BAG). Es wurden deshalb über ihn folgende Strafen verhängt: Zu I.a) bis e) gemäß § 30 KJBG jeweils S 18.000,-- (jeweils sechs Tage Ersatzfreiheitsstrafe); zu II. gemäß § 30 KJBG S 3.000,-- (zwei Tage Ersatzfreiheitsstrafe); zu III.a) bis c) gemäß § 32 Abs. 1 lit. d BAG jeweils S 4.000,-- (jeweils zwei Tage Ersatzfreiheitsstrafe). Ferner wurde der vom Beschwerdeführer zu leistende Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens festgesetzt (§ 64 VStG 1950).
2. Über die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung entschied der LH von Salzburg (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 23. April 1990 gemäß § 51 Abs. 4 VStG 1950 dahingehend, daß dieser keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis "als rechtens vollinhaltlich bestätigt" werde. U.e. wurde der vom Beschwerdeführer zu leistende Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens bestimmt (§ 64 Abs. 2 VStG 1950).
Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde nach wörtlicher Wiedergabe des Berufungsvorbringens aus: Es werde festgestellt, daß der Beschwerdeführer die in der Anzeige vom 28. Juni 1989 angeführten Übertretungen nicht in vollem Umfang bestreite (Hinweis auf die "Niederschrift über die Vernehmung eines Beschuldigten" vom 25. Oktober 1989). Im Anschluß an die darauf folgende vollständige Wiedergabe des § 12 Abs. 2 KJBG wird zum einen festgehalten, daß "alle diese Gründe" - womit auf die Z. 1 bis 3 der vorzitierten Bestimmung Bezug genommen wird - "aufgrund der Art des Betriebes (Metallbau) nicht gegeben (scheinen)", zum anderen darauf hingewiesen, daß bei einer anderen Verteilung der Arbeitszeit zur Einarbeitung von Fehlzeiten jedenfalls die Tagesarbeitszeit von neun Stunden nicht überschritten werden dürfe, diese neun Stunden jedoch in sämtlichen Fällen "laut Anzeige der Arbeiterkammer und den Aufzeichnungen des Arbeitsinspektorates" überschritten worden seien. Die von den Übertretungen betroffenen Lehrlinge hätten "bekanntgegeben", daß sie zu den inkriminierten berufsfremden Arbeiten herangezogen worden seien. Wenn im Zuge des Berufungsverfahrens "die Lehrlinge" ihre Angaben nunmehr relativierten, so habe dies "gemäß der 'Drucktheorie', siehe Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, nur eingeschränkten Aussagewert". Daß die Sanitäranlagen und Aufenthaltsräumlichkeiten auch durch S. P. gereinigt würden, werde nicht angezweifelt; allerdings sei dies erst in den letzten vier Monaten der Fall gewesen (Hinweis auf die Aussage des Beschwerdeführers vom 25. Oktober 1989). - Im restlichen Teil der Begründung befaßte sich die belangte Behörde mit der Frage der Strafbemessung.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde, verbunden mit dem Begehren, den bekämpften Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und mitgeteilt, daß sie "im Rahmen einer Gegenschrift auf die ausführliche Begründung des angefochtenen Bescheides, welcher nach ha. Auffassung in rechtlicher Hinsicht nichts mehr hinzugefügt werden kann", verweist. Die Beschwerde erweise sich als zur Gänze unbegründet.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die Beschwerde der belangten Behörde zum Vorwurf, sie habe gegen die ihr obliegende Begründungspflicht verstoßen, und zwar insofern, als sie sich mit dem Berufungsvorbringen nicht auseinandergesetzt und darüber hinaus in keiner Weise dargelegt habe, weshalb sie der Ansicht sei, daß der Beschwerdeführer die ihm angelasteten Übertretungen begangen habe. Diese Rüge ist berechtigt.
1.2.1. Was zunächst den von der belangten Behörde bestätigten Schuldspruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses unter Spruchpunkt II ("erhebliche wörtliche Beleidigung" des Lehrlings S. F.) anlangt, so hat der Beschwerdeführer diese ihm zur Last gelegte Tat in seiner Berufung nicht nur kategorisch in Abrede gestellt, sondern für die Richtigkeit seiner Verantwortung auch mehrere Zeugen zum Beweis dafür angeboten. Die belangte Behörde hat im Wege der Erstinstanz diese Beweise zwar aufgenommen, es jedoch nicht für erforderlich erachtet, sich im angefochtenen Bescheid mit dem Ergebnis dieser Beweisaufnahme auseinanderzusetzen. Dieser Mangel ist wesentlich, zumal die besagten Zeugenaussagen den Standpunkt des Beschwerdeführers zu stützen scheinen.
1.2.2. Zu dem im bekämpften Bescheid aufrecht erhaltenen Punkt III des erstinstanzlichen Schuldspruches (Übertretung des § 9 Abs. 2 BAG) hat sich die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides ausschließlich auf die im Verfahren vor der Behörde erster Instanz gemachten Angaben der betroffenen Lehrlinge gestützt. Dies ungeachtet des ausführlichen, das ihm vorgeworfene Verhalten bestreitenden Berufungsvorbringens des Beschwerdeführers, aber auch seiner Angaben vor der Strafbehörde erster Instanz am 25. Oktober 1989, daß er für die Reinigungsarbeiten seit ca. vier Monaten, also seit Juni 1989, S. P. angestellt habe - einer Erklärung, die von dem als Zeugen vernommenen E. H. jedenfalls im Ergebnis bestätigt worden ist (vgl. Niederschrift vom 8. Februar 1990). Wenn sie den Hinweis auf die Tätigkeit des S. P. damit abtut, daß dieser erst in den letzten vier Monaten die Reinigungsarbeiten besorgt habe, so übersieht sie, daß der Beschwerdeführer laut III.b) und c) des (bestätigten) Straferkenntnisses es zu verantworten habe, daß die dort genannten Lehrlinge "bis September 1989" bzw. "bis Juli 1989" näher bezeichnete Reinigungsarbeiten zu verrichten gehabt hätten. Die von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang noch angebrachte Bemerkung, "die Lehrlinge" hätten zwar im Berufungsverfahren ihre Angaben relativiert, dies habe jedoch "gemäß der 'Drucktheorie', siehe Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, nur eingeschränkten Aussagewert", geht, abgesehen von ihrer Unbestimmtheit, deshalb ins Leere, weil im Verfahren über die Berufung gegen das Straferkenntnis vom 17. November 1989 nicht "die Lehrlinge" (also die im Schuldspruch angeführten), sondern vier von diesen verschiedene Personen, darunter der bereits erwähnte E. H., einvernommen worden sind (vgl. dazu die Niederschriften vom 7. Februar und 8. Februar 1990).
Damit erweist sich auch die Begründung zu der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretung des § 9 Abs. 2 BAG (Heranziehung bestimmter Lehrlinge zu mit dem Wesen der Ausbildung unvereinbaren Arbeiten) als in mehrfacher Hinsicht mangelhaft.
1.2.3. Zu dem im Instanzenzug aufrecht erhaltenen Schuldspruch I (Überschreitung der zulässigen Wochenarbeitszeit) hat die belangte Behörde in der Begründung der angefochtenen Entscheidung vorweg festgestellt, daß der Beschwerdeführer die ihm in diesem Punkt vorgeworfenen Übertretungen "nicht in vollem Umfang bestreitet", ohne allerdings die angesichts dessen gebotenen rechtlichen Schlüsse zu ziehen. So fehlt vor allem jegliche Begründung dafür, weshalb die belangte Behörde, wenn sie in sachverhaltsmäßiger Hinsicht den Angaben des Beschwerdeführers folgte, trotzdem den diesbezüglichen Schuldspruch unverändert belassen durfte. Mit der zu dem in Rede stehenden Tatvorwurf des weiteren gewählten Argumentation, es "scheinen" im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 KJBG für die dort als zulässig erklärte Ausdehnung der täglichen Arbeitszeit um eine halbe Stunde nicht gegeben, übersieht die belangte Behörde ebenso wie mit dem daran anschließenden Hinweis, bei einer anderen Verteilung der Arbeitszeit zur Einarbeitung von Fehlzeiten dürfe jedenfalls die Tagesarbeitszeit von neun Stunden nicht überschritten werden, zu einer solchen Überschreitung sei es jedoch in sämtlichen Fällen gekommen, daß sie sich damit in Widerspruch zu Punkt I des von ihr übernommenen Schuldspruches setzt. Unter letzterem wird nämlich dem Beschwerdeführer ausschließlich zur Last gelegt, er habe eine Überschreitung der WOCHENARBEITSZEIT der Jugendlichen von 40 Stunden zu verantworten, was einen Verstoß gegen § 11 KJBG darstelle. Damit aber hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer spruchmäßig - im Gegensatz zur Begründung - nicht die Verantwortung für eine Überschreitung der gesetzlich zulässigen TÄGLICHEN ARBEITSZEIT der Jugendlichen vorgeworfen. Es handelt sich hiebei, was § 11 Abs. 1 KJBG deutlich macht, um zwei unterschiedliche Begriffe, die, betrachtet man die weiteren Bestimmungen dieses Gesetzes, in mehrfacher Hinsicht eine unterschiedliche Regelung erfahren. Jedenfalls zieht die Verwirklichung des einen Tatbildes (Überschreitung der täglichen Arbeitszeit) nicht zwingend die Verwirklichung des anderen (Überschreitung der Wochenarbeitszeit) nach sich (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag Zl. 90/19/0100).
Der aufgezeigte Widerspruch zwischen Spruch und Begründung macht den Bescheid in dem davon betroffenen Spruchumfang inhaltlich rechtswidrig (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die bei DOLP, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Wien 1987, auf S. 575 angeführten Erkenntnisse).
2.1. Aus dem Vorgesagten folgt, daß der angefochtene Bescheid in Ansehung der von ihm aufrecht erhaltenen Spruchpunkte II und III an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in Ansehung des bestätigten Spruchpunktes I an Rechtswidrigkeit seines Inhaltes - diese drängt nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in den Hintergrund - leidet.
2.2. Der bekämpfte Bescheid war somit zur Gänze, und zwar insoweit, als er die Spruchpunkte II und III des erstinstanzlichen Straferkenntnisses bestätigt hat, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG, und insoweit, als er den Spruchpunkt I des Straferkenntnisses aufrecht erhalten hat, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
3. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung die Beschwerde lediglich in dreifacher Ausfertigung einzubringen war (Eingabengebühr S 360,--).
Schlagworte
Grundsätzliches zur Rechtmäßigkeit und zur Rechtsverletzungsmöglichkeit Spruch und BegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990190325.X00Im RIS seit
08.10.1990