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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VStG §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Großmann und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 28. April 1989, Zl. Vd-16.318/6, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als Arbeitgeber des Walter E. zu verantworten, daß dieser als Lenker des Lkw-Zuges mit dem genannten Kennzeichen in der Zeit vom 19. Mai 1987, 6.36 Uhr, bis 20. Mai 1987, 2.21 Uhr,
1) Lenkzeiten und sonstige Arbeitszeiten am Fahrzeug zugebracht und dabei die gemäß § 16 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz zulässige Einsatzzeit von 12 Stunden um 7 Stunden und 45 Minuten überschritten habe, 2) den Lkw-Zug insgesamt 10 Stunden und 5 Minuten gelenkt und dabei die gemäß § 14 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz zulässige Lenkzeit von 8 Stunden um 2 Stunden und 5 Minuten überschritten habe, 3) entgegen den Bestimmungen des § 15 Abs. 3 Arbeitszeitgesetz während einer ununterbrochenen Lenkzeit von mehr als 4 Stunden keine Lenkpause in der Dauer von mindestens 30 Minuten eingehalten habe, 4) nach Beendigung der Tagesarbeitszeit des 19. Mai 1987 eine Ruhezeit von nur 5 Stunden und 3 Minuten eingehalten und damit die gemäß § 12 Abs. 1 Arbeitsszeitgesetz vorgeschriebene ununterbrochene Ruhezeit von 11 Stunden um 5 Stunden und 57 Minuten unterschritten habe, und 5) bei der Kontrolle am Autobahnzollamt Brennerpaß am 20. Mai 1987 um 21.45 Uhr kein laufend geführtes persönliches Fahrtenbuch gemäß § 17 Arbeitszeitgesetz mitgeführt habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs. 1 in Verbindung mit 1) § 16 Abs. 2, 2) § 14 Abs. 2, 3) § 15 Abs. 3, 4) § 12 Abs. 1 und 5) § 17 Arbeitszeitgesetz (AZG) begangen, und es wurden über ihn gemäß § 28 Abs. 1 leg. cit. Geldstrafen von
1)
S 2.000,--, 2) S 1.500,--, 3) S 1.000,--, 4) S 1.500,-- und
5)
S 500,-- (Ersatzarreststrafen 1) bis 4) je 2 Tage und
5)
1 Tag) verhängt.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde im wesentlichen ausgeführt, vom Beschwerdeführer sei sein Verschulden bestritten worden. Sein Vorbringen sei jedoch nicht geeignet, die von ihm zu verantwortenden Verwaltungsübertretungen zu rechtfertigen. Nach § 5 Abs. 1 VStG 1950 genüge zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, zumal das Arbeitszeitgesetz über das Verschulden nichts anderes bestimme. Da überdies zum gegenständlichen Tatbestand der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehöre, ziehe schon das bloße Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder die Nichtbefolgung eines Gebotes Strafe nach sich, wenn der Täter nicht glaubhaft mache, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei. Entsprechend dieser den Beschwerdeführer treffenden Behauptungs- und Beweislast hätte er initiativ alles, was für seine Entlastung spreche, darlegen und glaubhaft machen müssen, um seine Schuldlosigkeit zu erweisen. Der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsverfahren zu seiner Rechtfertigung lediglich vorgebracht, er habe dem Arbeitnehmer Walter E. bei dessen Einstellung ein Fahrtenbuch zur Verfügung gestellt und ihn "auf die Vorschriften bezüglich Arbeitsrecht aufmerksam gemacht". Walter E. verfüge über eine Lenkerberechtigung, die es ihm erlaube, als Kraftfahrer von Lkw-Zügen im grenzüberschreitenden Güterverkehr zu arbeiten. Im Rahmen der Ausbildung zur Erlangung dieser Lenkerberechtigung würden die Kandidaten selbstverständlich auch auf die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes, auf die Ruhensbestimmungen sowie auf die Bestimmungen über die Führung von Fahrtenbüchern hingewiesen und hätten auch darüber eine Prüfung abzulegen. Es sei sohin davon auszugehen, daß sein Hinweis, Walter E. habe sich an die arbeitsrechtlichen Vorschriften zu halten, genüge, zumal der Genannte die diesbezüglichen Vorschriften gekannt habe oder zumindestens kennen hätte müssen. Der Lkw-Fahrer, der im grenzüberschreitenden Güterverkehr eingesetzt sei, disponiere seine Zeit selbst, der Dienstgeber habe keinen Einfluß darauf, ob der jeweilige Lkw-Lenker die Bestimmungen einhalte, weil er dazu in jedem Lkw selbst anwesend sein müßte. Der Beschwerdeführer als Dienstgeber habe auch keinen Einfluß darauf, ob sein Dienstnehmer, nur um das Wochenende zu Hause zu sein, die gesetzlich zulässige Einsatzzeit überschreite bzw. Ruhepausen verkürze, oder Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung, wie etwa Höchstgeschwindigkeiten, nicht beachte. Alle diese Dinge fielen in die Eigenverantwortlichkeit des Lkw-Fahrers. Nachdem Walter E. am 10. Juni 1987 neuerlich beanstandet worden sei, habe der Beschwerdeführer seine Entlassung ausgesprochen. Dieses Vorbringen des Beschwerdeführers rechtfertige jedoch nicht seine Entlastung. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reiche die bloße Erteilung von Weisungen nicht aus. Es müsse auch eine wirksame Kontrolle der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgen. Diesem Erfordernis habe der Beschwerdeführer nicht entsprochen, zumal er in seiner Berufung selbst vorgebracht habe, daß er sich mit der Erteilung von Weisungen begnügt, aber keine Kontrolle ausgeübt habe. Selbst wenn der Beschwerdeführer, wie Walter E. als Zeuge in einem anderen Verfahren ausgesagt habe, ihn einige Male gefragt habe, ob er das Fahrtenbuch ordentlich führe und ihn aufgefordert habe, die Fahrtenbücher ordentlich zu führen, widrigenfalls er entlassen werde, so könne dies allein nicht als Erfüllung der dem Dienstgeber obliegenden Verpflichtungen angesehen werden. Mit der erst im Zuge des Strafverfahrens ausgesprochenen Entlassung des Dienstnehmers habe der Beschwerdeführer nicht nachweisen können, daß er alles in seiner Macht stehende getan habe, um die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften zu erreichen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg ist zunächst auf den Einwand der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift einzugehen, die Beschwerde wäre schon deshalb zurückzuweisen, weil der Beschwerdeführer als belangte Behörde das Amt der Landesregierung und nicht den Landeshauptmann von Tirol angeführt habe. Der angefochtene Bescheid sei jedoch vom Landeshauptmann von Tirol erlassen worden.
Nun trifft es zwar zu, daß die Beschwerde gegen "das Berufungserkenntnis des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 28. April 1989" gerichtet ist, doch hat der Beschwerdeführer gleichzeitig mit seiner Beschwerde eine Kopie des angefochtenen Bescheides vorgelegt. Da sich aus dieser ergibt, daß es sich um einen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol handelt, somit aus dem angefochtenen Bescheid die belangte Behörde eindeutig hervorgeht, besteht kein Grund zur Zurückweisung der Beschwerde (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Wien 1987, auf S. 240 angeführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes).
Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, die erstinstanzliche Behörde habe elementarste Verfahrensgrundsätze außer acht gelassen und ein reines Urkundenverfahren durchgeführt. So sei nicht einmal der Beschwerdeführer einvernommen worden und auch der Dienstnehmer Walter E. sei nicht im gegenständlichen Verfahren sondern in einem Parallelverfahren als Zeuge befragt worden. Die Vernehmung des Beschwerdeführers und die des Dienstnehmers wären aber insbesondere für die Klärung der subjektiven Tatseite erforderlich gewesen. Durch das Unterbleiben der Vernehmung des Beschwerdeführers und des genannten Zeugen habe nicht geklärt werden können, aus welchen Gründen Walter E. die entsprechenden Einsatz-, Lenk-, Ruhezeiten und Lenkpausen nicht eingehalten habe, und ob dem Beschwerdeführer hieraus ein Vorwurf zu machen sei. Schließlich seien dadurch Feststellungen darüber unterblieben, ob der Beschwerdeführer dem jeweiligen Fahrer zu enge zeitliche Vorgaben gegeben habe, und anderes mehr.
Dieser Vorwurf ist schon deshalb nicht berechtigt, da einerseits vom Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren nicht die objektive Seite der ihm zur Last gelegten Delikte bestritten worden ist, und andererseits die belangte Behörde ohnehin bei Beurteilung der subjektiven Tatseite von der Verantwortung des Beschwerdeführers und seinem Vorbringen ausgegangen ist. Der Beschwerdeführer selbst vermochte nicht aufzuzeigen, was aus seiner Aussage und der des Zeugen Walter E. für den hinsichtlich der Entscheidung der Frage seiner Verantwortlichkeit maßgeblichen Sachverhalt gewonnen hätte werden können. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang ausführt, es hätte geklärt werden können, aus welchen Gründen Walter E. die entsprechenden Einsatz-, Lenk-, Ruhezeiten und Lenkpausen nicht eingehalten habe, und ob er den Fahrern zu enge zeitliche Vorgaben gegeben habe, so ist er auf sein Vorbringen im Verwaltungsstrafverfahren zu verweisen. Es bestand somit für die belangte Behörde keine Veranlassung zur Durchführung eines weiteren Ermittlungsverfahrens.
Der belangten Behörde unterlief aber auch kein Rechtsirrtum, wenn sie davon ausging, daß dem Beschwerdeführer die ihm gemäß § 5 Abs. 1 VStG 1950 obliegende Glaubhaftmachung, daß ihn kein Verschulden an den ihm angelasteten Übertretungen des AZG treffe, nicht gelungen sei.
Mit seinem Vorbringen, es könne ihm in subjektiver Hinsicht nicht der Vorwurf gemacht werden, daß sein Fahrer die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes nicht eingehalten habe, verkennt der Beschwerdeführer die bereits von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ausführlich dargestellte Rechtslage. Dies ist schon daraus zu ersehen, daß der Beschwerdeführer noch in der Beschwerde ausführt, er habe "nicht die geringste Veranlassung und keinerlei Bedenken" gehabt, "daß Herr E. die vorgeschriebenen Zeiten nicht einhalten" werde. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß der Beschwerdeführer die Fahrtenbücher der einzelnen Fahrer nicht genügend geprüft habe. Dieses Verhalten stünde in keinem Rechtswidrigkeitszusammenhang mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen. Wie ernst es der Beschwerdeführer mit der Einhaltung der einzelnen Bestimmungen des AZG nehme, sei schon daraus zu ersehen, daß er den Fahrer nach diesen Vorfällen entlassen habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits wiederholt dargelegt, daß die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zuläßt, daß sich der Arbeitgeber aller Belange und Angelegenheiten selbst persönlich annimmt; es muß ihm vielmehr zugebilligt werden, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf das Setzen von möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu beschränken, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Zu diesen Maßnahmen gehört auch eine angemessene Kontrolle. Die bloße Erteilung von Weisungen reicht nicht aus, entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle der erteilten Weisungen erfolgt (siehe etwa das hg. Erkenntnis vom 19. September 1989, Zl. 88/08/0095).
Der Beschwerdeführer hat mit seinem Vorbringen im Verwaltungsstrafverfahren und noch in seiner Beschwerde weder behauptet noch unter Beweis gestellt, daß er Maßnahmen getroffen habe, um die Einhaltung der von ihm erteilten Anordnungen und Weisungen zwecks Beachtung der Arbeitszeitvorschriften zu gewährleisten, insbesondere welche Kontrollen er eingerichtet, wie er sich laufend über die Einhaltung dieser Vorschriften informiert und welche wirksamen Schritte er für den Fall von ihm festgestellter Verstöße auf diesem Gebiet in Aussicht gestellt und unternommen habe, um Verstößen vorzubeugen. Der Beschwerdeführer ist nach wie vor in dem Rechtsirrtum befangen, es genüge zu seiner Entlastung, wenn er bei Einstellung eines Fahrers diesen auffordere, die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes einzuhalten. Wie schon ausgeführt worden ist, kann man von dem Betreiber eines größeren Unternehmens zwar nicht, wie sich der Beschwerdeführer ausdrückt, verlangen, "daß er in jedem Lkw selbst anwesend sei", er darf sich jedoch nicht darauf beschränken, Weisungen zu erteilen, ohne durch geeignete Kontrollmaßnahmen die Einhaltung der Weisungen zu überprüfen und damit zu gewährleisten.
Da in der Verantwortung des Beschwerdeführers zum Ausdruck kommt, keine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der von ihm erteilten Weisungen ausgeübt zu haben, kann der Verwaltungsgerichtshof im gegenständlichen Fall keine Rechtswidrigkeit darin erblicken, wenn die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ein Verschulden an den in Rede stehenden Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes angelastet hat.
Da sich sohin die Beschwerde als zur Gänze unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Arbeitsrecht ArbeiterschutzMängelbehebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990190099.X00Im RIS seit
08.10.1990Zuletzt aktualisiert am
01.12.2009