Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
KJBG 1987 §11 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Großmann und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kral, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 11. Mai 1989, Zl. Ge-37.849/7-1989/Pan/Lb, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des KJBG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang des Schuldspruches sowie des Straf- und Kostenausspruches wegen der Übertretung nach § 11 Abs. 2 KJBG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land (BH) vom 25. April 1988 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe, wie anläßlich einer Kontrolle durch die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich am 9. April 1987 festgestellt worden sei, in Ansehung des Jugendlichen W. L. mehrere Bestimmungen des KJBG nicht eingehalten. Im einzelnen habe die Beschwerdeführerin folgende Vorschriften des "KJBG, BGBl. Nr. 599/1987" übertreten:
1) § 11 Abs. 1, weil der Jugendliche im Zeitraum von Montag, 4. Mai 1987, bis Sonntag, 31. Mai 1987 (vier Wochen), durchwegs länger als im zulässigen Höchstausmaß von 10 Stunden täglich beschäftigt worden sei;
2) § 11 Abs. 2, weil der Jugendliche in dem zu 1) genannten Zeitraum länger als im zulässigen Höchstausmaß von 40 Stunden wöchentlich beschäftigt worden sei;
3) § 14 Abs. 2, weil dem Jugendlichen für die geleisteten Überstunden in diesem Zeitraum keine Mehrarbeitsvergütung bezahlt worden sei;
4) § 15, weil dem Jugendlichen an den meisten Tagen nach einer Dauer der Arbeitszeit von mehr als 4 1/2 Stunden keine halbstündige Ruhepause gewährt worden sei;
5) § 16, weil nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit dem Jugendlichen an den meisten Tagen keine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 12 Stunden gewährt worden sei;
6) § 17 Abs. 2, weil der Jugendliche an den meisten Tagen auch nach 22 Uhr beschäftigt worden sei; und
7) § 19, weil dem Jugendlichen keine wöchentliche ununterbrochene Freizeit von 43 Stunden gewährt worden sei. Über die Beschwerdeführerin wurden deshalb gemäß § 30 leg. cit. zu den Spruchpunkten 1) bis 7) Geldstrafen in der Höhe von
S 4.000,--, S 3.000,--, S 10.000,--, S 5.000,--, S 5.000,--,
S 10.000,-- und S 5.000,-- (Ersatzarrest in der Dauer von 4 Tagen, 3 Tagen, 10 Tagen, 5 Tagen, 5 Tagen, 10 Tagen und 5 Tagen) verhängt. Ferner wurde der von der Beschwerdeführerin zu zahlende Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens bestimmt.
Der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin gab der Landeshauptmann von Oberösterreich (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 11. Mai 1989 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 keine Folge und bestätigte das Straferkenntnis mit der Maßgabe, daß der einleitende Satz des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses wie folgt zu lauten hat: "Sie haben trotz der am 9. April 1987 durchgeführten Kontrolle durch ein Organ der Kammer für Arbeiter und Angestellte den Jugendlichen W. L." ..... Weiters wurde ein offensichtlicher Schreibfehler berichtigt. Unter einem wurde die Beschwerdeführerin zur Leistung des gesetzlich vorgesehenen Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens verpflichtet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht, "entgegen den Bestimmungen der §§ 11, 14, 15, 16, 17, 18, 19 und 30 KJBG nicht bestraft zu werden, und auf fehlerfreie Handhabung des bei Festlegung der Strafe auszuübenden Ermessens gemäß § 19 VStG in Verbindung mit § 30 KJBG" verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit wird von der Beschwerdeführerin zunächst hinsichtlich der ihr angelasteten Übertretung des § 11 Abs. 2 KJBG eingewendet, daß einerseits die genannte Vorschrift des KJBG nur eine Sonderregelung enthalte und andererseits die Überschreitung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit ein alternatives Mischdelikt darstelle, über das nur eine Strafe verhängt werden dürfe.
§ 11 Abs. 1 und 2 KJBG in der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Fassung der Novelle vom 28. April 1982, BGBl. Nr. 229, deren Wortlaut in der Wiederverlautbarung des KJBG vom 18. Dezember 1987, BGBl. Nr. 599, unverändert geblieben ist, lautet wie folgt:
"(1) Die tägliche Arbeitszeit der Jugendlichen darf 8 Stunden, ihre Wochenarbeitszeit 40 Stunden nicht überschreiten, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt wird.
(2) Die nach Abs. 1 zulässige Wochenarbeitszeit kann zur Erreichung einer längeren Freizeit, die mit der Wochenfreizeit zusammenhängen muß, abweichend von der nach Abs. 1 zulässigen täglichen Arbeitszeit verteilt werden. Weiters kann durch Kollektivvertrag zugelassen werden, daß die nach Abs. 1 zulässige Wochenarbeitszeit auf die Werktage abweichend von der nach Abs. 1 zulässigen täglichen Arbeitszeit aufgeteilt wird. Durch Kollektivvertrag kann ferner zugelassen werden, daß die Wochenarbeitszeit innerhalb eines mehrwöchigen Zeitraumes so verteilt wird, daß die im wöchentlichen Durchschnitt die nach Abs. 1 zulässige Dauer nicht übersteigt."
Schon aus dem Wortlaut des Abs. 1 der zitierten Vorschrift ergibt sich, daß damit die zulässige Dauer der täglichen Arbeitszeit und der Wochenarbeitszeit geregelt wird. Es handelt sich dabei um zwei unterschiedliche Begriffe, die, vergleicht man die weiteren Bestimmungen des KJBG, durch den Gesetzgeber in mehrfacher Hinsicht eine unterschiedliche Regelung erfahren.
Nach § 22 Abs. 1 VStG 1950 sind die Strafen dann nebeneinander zu verhängen, wenn jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt. Strafdrohungen schließen einander dann aus, wenn nicht jedes Tatbild für sich allein und beide gleichzeitig verwirklicht werden können, also die Verwirklichung des einen Tatbestandes die Verwirklichung des anderen zwingend nach sich zieht. Daß diese Voraussetzungen im Beschwerdefall nicht gegeben sind, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Insbesondere in dem Erkenntnis vom 30. Mai 1989, Zl. 88/08/0168, mit dem der Gerichtshof über dieselbe Rechtsfrage bei Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (AZG) betreffend die Überschreitung der höchstzulässigen täglichen Arbeitszeit und Wochenarbeitszeit zu entscheiden hatte, hat er ausgesprochen, daß die genannten Voraussetzungen nicht gegeben sind. Die tägliche Arbeitszeit ist zwar ein Teil der Wochenarbeitszeit; wird aber die höchstzulässige Tagesarbeitszeit überschritten, so hat dies noch keineswegs zur zwangsläufigen Folge, daß damit auch die höchstzulässige Wochenarbeitszeit nicht eingehalten wird, und umgekehrt. Der Umstand, daß die kontinuierliche Überschreitung der zulässigen Tagesarbeitszeit in einer Woche zur Folge haben kann, daß es auch zur Überschreitung der Wochenarbeitszeit kommt, bedeutet nicht, daß beide strafbaren Handlungen lediglich als einzige Tat zu ahnden sind (vgl. auch die in diesem Erkenntnis angeführte weitere Rechtsprechung des Gerichtshofes). Da die Regelung der höchstzulässigen Tages- und Wochenarbeitszeit im AZG vollinhaltlich den Bestimmungen des KJBG entspricht, ist die Aussage des genannten Erkenntnisses auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Die Beschwerdeausführungen können den Verwaltungsgerichtshof nicht veranlassen, in dieser Rechtsfrage von seiner Ansicht abzugehen.
Der Beschwerde ist jedoch darin beizupflichten, daß der Schuldspruch der Beschwerdeführerin gemäß § 11 Abs. 2 KJBG rechtswidrig erfolgt ist. Die belangte Behörde hat den der Beschwerdeführerin angelasteten Tatbestand der Überschreitung der höchstzulässigen Wochenarbeitszeit als Übertretung des § 11 Abs. 2 KJBG qualifiziert, obwohl die höchstzulässige Wochenarbeitszeit in § 11 Abs. 1 KJBG geregelt ist und durch § 11 Abs. 2 leg. cit. lediglich unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit eingeräumt wird, die zulässige Wochenarbeitszeit anders zu verteilen. Da die belangte Behörde insoweit die Rechtslage verkannt hat, belastete sie den Schuldspruch sowie den Straf- und Kostenausspruch, soweit sich diese auf die Übertretung des § 11 Abs. 2 KJBG beziehen, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Bezüglich der der Beschwerdeführerin angelasteten Übertretung nach § 14 KJBG ist ihr im Verwaltungsstrafverfahren erstattetes und in der Beschwerde wiederholtes Vorbringen, es sei für geleistete Überstunden im fraglichen Zeitraum Mehrarbeitsvergütung durch Naturalleistung erbracht worden, nicht zielführend. Zutreffend wurde schon von der belangten Behörde darauf hingewiesen, daß § 14 KJBG eine Entlohnung für Überstunden in Naturalien nicht vorsieht. Soweit die Beschwerdeführerin neuerlich auf die Bestimmung des § 8 KJBG zur Stützung ihrer Ansicht hinweist, ist ihr entgegenzuhalten, daß es sich dabei um eine Vorschrift handelt, die nur für Kinder und nicht für Jugendliche Geltung hat.
Auch die von der Beschwerdeführerin vertretene Ansicht, die belangte Behörde habe das ihr nach § 19 VStG 1950 zustehende Ermessen bei Festsetzung der Strafen rechtswidrig ausgeübt, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen. Von der Beschwerdeführerin werden die über sie verhängten Geldstrafen allein deshalb als unangemessen hoch bezeichnet, weil sie ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei weitem übersteigen würden. Dieser Einwand führt deshalb nicht zum Erfolg, weil es die Beschwerdeführerin unterlassen hat, dazu in ihrer Beschwerde substantiiertes Vorbringen zu erstatten.
Die von der Beschwerdeführerin letztlich erhobene Verfahrensrüge ist auch nicht berechtigt. Von der Beschwerdeführerin werden in diesem Zusammenhang im wesentlichen Ermittlungen zur Frage der Naturalentlohnung vermißt. Da die Frage der Naturalentlohnung, wie bereits ausgeführt worden ist, für die Entscheidung des Beschwerdefalles ohne rechtliche Bedeutung ist, geht dieses Vorbringen ins Leere. Von der Beschwerdeführerin wird aber auch ganz allgemein die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft, ohne im einzelnen anzuführen, in welchen Punkten auf Grund welcher Beweisergebnisse die belangte Behörde zu anderen Sachverhaltsfeststellungen gelangen hätte können. Auch dieses Vorbringen ist somit nicht geeignet, aufzuzeigen, daß der belangten Behörde eine Verletzung von Verfahrensvorschriften anzulasten ist.
Nach dem Gesagten war der bekämpfte Bescheid in dem im Spruch dieses Erkenntnisses angeführten Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (§ 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG). Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990190100.X00Im RIS seit
08.10.1990