Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AAV §33;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Großmann und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kral, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 26. Juli 1989, Zl. 14-SV-3101/3/89, betreffend Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (mitbeteiligte Partei: TE), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau vom 10. Jänner 1989 wurde das gegen den Mitbeteiligten als Verantwortlichen aufgrund einer Anzeige des Arbeitsinspektorates für den 13. Aufsichtsbezirk vom 26. Februar 1988 wegen Übertretung des § 33 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. a VStG 1950 eingestellt, da ein strafbarer Tatbestand nicht vorliege. In der Begründung dieses Bescheides bezog sich die genannte Bezirkshauptmannschaft auf das Urteil des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 27. Juni 1988, Zl. 5 U 103/88, mit dem der Mitbeteiligte von der wider ihn erhobenen Anklage, "er habe am 15. Dezember 1987 als Verantwortlicher des Betriebes HE OHG durch Unterlassung entsprechender Einweisungen und Belehrungen, sowie durch Unterlassung des Anbringens einer entsprechenden Schutzvorrichtung an der Doppelbesäumsäge, sodaß es geschehen habe können, daß der in seinem Betrieb beschäftigte Arbeiter AG in das Rollengetriebe dieser Doppelbesäumsäge geraten sei und dadurch eine Wunde am rechten Unterarm mit Knochen- und Muskelverletzungen erlitten habe, AG fahrlässig am Körper schwer verletzt und dadurch das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 und Abs. 4 (1. Fall) StGB begangen", gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen worden ist. Die genannte Behörde leitete daraus ab, daß "da nunmehr eine Verletzung des § 33 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung auch jenen vom Gericht zu ahndenden Tatbestand bildete, von der Behörde von hinlänglichen und umfangreichen Beweisaufnahmen Abstand genommen werden konnte, zumal das Schuldverhalten ja auch seitens des Gerichtes geprüft ist". Da aus den umfangreich umschriebenen Gründen des freisprechenden Urteiles dem Mitbeteiligten ein Verstoß gegen § 33 AAV nicht anzulasten sei, habe sich die erkennende Behörde veranlaßt gesehen, ohne selbst näher auf den Sachverhalt einzugehen, das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren mangels eines konkreten Tatbildes zur Einstellung zu bringen.
Der dagegen vom Arbeitsinspektorat für den
13. Aufsichtsbezirk erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Kärnten (die belangte Behörde) keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid. Er bezog sich in der Begründung im wesentlichen auf § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ASchG) wonach Arbeitgeber von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen seien, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen sei. Im konkreten Fall sei die Tat nach dem Strafgesetzbuch zu bestrafen und daher die Zuständigkeit des Gerichtes gegeben. Infolge des Freispruches des Mitbeteiligten im gerichtlichen Strafverfahren sei das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, gemäß § 9 Abs. 2 ArbIG 1974 vom Bundesminister für Arbeit und Soziales erhobene Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Mitbeteiligte hat keine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor, nach der von ihm zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe die Verwaltungsstrafbehörde bei Beurteilung der in § 30 Abs. 2 VStG 1950 genannten Voraussetzungen nicht ausschließlich auf die in der materiell-rechtlichen Vorschrift verankerte Subsidiaritätsregelung abzustellen, sondern vielmehr den Ausgang des gerichtlichen Strafverfahrens, d.h. die Klärung der Tatbestandsverwirklichung durch das Gericht, in Betracht zu ziehen. Endet das Gerichtsverfahren mit einer Verurteilung, so sei die Verwaltungsstrafbehörde daran gebunden und habe das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. Fälle das Gericht einen Freispruch, so habe die Verwaltungsstrafbehörde die Voraussetzungen der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung jedoch eigenständig und unabhängig von der gerichtlichen Entscheidung zu prüfen. Dies habe die belangte Behörde verkannt, wenn sie die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens ausschließlich mit der sich aus der Subsidiaritätsklausel des § 31 Abs. 2 lit. p ASchG ergebenden Zuständigkeit des Gerichtes und weiters rein formal mit dem gerichtlichen Freispruch des Mitbeteiligten begründet habe. Der belangten Behörde sei weiters anzulasten, daß sie das Verwaltungsstrafverfahren entgegen der Vorschrift des § 30 Abs. 2 VStG 1950 nicht ausgesetzt habe.
Auch die belangte Behörde geht, wie der Beschwerdeführer, zutreffend davon aus, daß infolge der in der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Strafnorm (§ 31 Abs. 2 lit. p ASchG) enthaltenen Subsidiaritätsklausel ("sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist") die dem Mitbeteiligten im gegenständlichen Fall zur Last gelegte Verwaltungsübertretung (§ 33 Abs. 1 und Abs. 2 AAV) nur dann von der Verwaltungsstrafbehörde zu ahnden ist, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit des Gerichtes fallenden strafbaren Handlung bildet. Der Beschwerdeführer und die belangte Behörde stimmen auch darin überein, daß das dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verhalten, wenn es ursächlich für den Eintritt einer Körperverletzung war, den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bilden kann. Während jedoch die belangte Behörde der Meinung ist, es wäre, wenn die Zuständigkeit des Gerichtes gegeben sei, unabhängig vom Ausgang des gerichtlichen Strafverfahrens stets das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, vertritt der Beschwerdeführer gestützt auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den Standpunkt, es müsse die Frage, ob der Tatbestand einer in die Zuständigkeit des Gerichtes fallenden strafbaren Handlung erfüllt sei, nach dem Ausgang des Gerichtsverfahrens beurteilt werden.
Damit ist der Beschwerdeführer im Recht.
Aus §§ 22 und 30 VStG 1950 ergibt sich, daß eine von einer Verwaltungsbehörde zu ahnende strafbare Handlung auch dann von dieser Behörde zu verfolgen ist, wenn die Tat gleichzeitig unter einen gerichtlich strafbaren Tatbestand fällt, es sei denn, das Gesetz normiert ausdrücklich eine Ausnahme von diesem Grundsatz. Eine solche Ausnahme ist - wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - in der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Strafbestimmung des § 31 Abs. 2 lit. p ASchG enthalten, in der es heißt, die dort genannten Verwaltungsübertretungen sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung, auf die sich der Beschwerdeführer mit Recht beruft, wiederholt dargelegt, daß nur im Falle einer verurteilenden Entscheidung durch das Strafgericht eine Bindung der Verwaltungsstrafbehörde in der Frage besteht, ob ein gerichtlich zu ahnender Tatbestand vorliegt, der die Ahndung als Verwaltungsübertretung ausschließt. Bei Freispruch und Einstellung des Verfahrens, hat eine selbständige Prüfung durch die Verwaltungsstrafbehörde zu erfolgen, ob sie zur Ahndung zuständig ist (siehe Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens3, Anm. 5 zu § 30 VStG und die zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes S 664 f.).
Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage ohne eigenständige Prüfung der Frage, ob sie zur Ahndung zuständig ist, das Verfahren eingestellt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990190036.X00Im RIS seit
11.07.2001