TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/8 89/15/0080

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Veröffentlicht am 08.10.1990
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Index

20/08 Urheberrecht;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

UrhG §18 Abs1;
UrhG §4;
UrhG §73 Abs2;
UrhG §74 Abs1;
UStG 1972 §10 Abs2 Z16;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1991, 291;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Wetzel, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat I) vom 30. März 1989, Zl. 68-GA3BK-DHu/88, betreffend Umsatzsteuer 1983 bis 1985, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.710,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In den Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1983 bis 1985 wies der Beschwerdeführer unter anderem Entgelte von S 312.867,14 (1983), S 246.106,22 (1984) und S 119.783,89 (1985) als gemäß § 10 Abs. 2 UStG 1972 dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Umsätze aus. Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer von den Erklärungen des Beschwerdeführers ausgehend fest. Im Zuge einer beim Beschwerdeführer durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung nahm das Finanzamt unter anderem die Verfahren betreffend die Umsatzsteuer für 1983 bis 1985 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf. Den neuen Sachbescheiden legte es auf Grund der Ergebnisse der abgabenbehördlichen Prüfung gegenüber den bisherigen Bescheiden gekürzte Vorsteuerbeträge zu Grunde; bei den der Besteuerung unterzogenen Entgelten bzw. die Verteilung auf die Steuersätze betreffend nahm es keine Änderungen vor.

In der gegen die Sachbescheide erhobenen Berufung begehrte der Beschwerdeführer, Entgelte von S 683.867,90 (1983), S 1,261.536 (1984) und S 1,487.487,27 (1985) dem ermäßigten Steuersatz zu unterziehen. Er führte aus, es handle sich dabei um Umsätze aus Filmvorführungen (Video). Diese fielen gemäß § 10 Abs. 2 Z. 16 UStG 1972 unter den ermäßigten Steuersatz.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab. Begründend führte sie aus, der Beschwerdeführer betreibe einen Videoverleih und Videovorführungen. Strittig sei der Umsatzsteuersatz für die Entgelte von Videovorführungen in Einzelkabinen. Herrschende Lehrmeinung sei, daß eine Filmvorführung im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 16 UStG 1972 die öffentliche Wiedergabe eines Films gleichzeitig für eine größere Anzahl von Personen voraussetze. An diesem Merkmal fehle es im vorliegenden Fall.

Die vorliegende Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 2 Z. 16 UStG 1972 in der im Streitzeitraum jeweils geltenden Fassung ermäßigt sich die Steuer für die Filmvorführungen auf 8 (10) von Hundert.

Das Umsatzsteuerrecht definiert den Begriff der "Filmvorführungen" nicht eigenständig. Regelungsgegenstand der zitierten Vorschrift ist die Verwertung von Urheber- und verwandten Schutzrechten an Filmen auf der Umsatzendstufe; im Zusammenhalt damit erstreckt Z. 17 der zitierten Vorschrift die Ermäßigung auf die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus urheberrechtlichen Vorschriften ergeben. Die Auslegung der zitierten Vorschriften hat sich wegen dieser rechtlichen Anknüpfung an der urheberrechtlichen Rechtslage zu orientieren (vgl. zum inhaltlich entsprechenden § 12 Abs. 2 Nr. 7 lit. b dUStG 1980: BFH 29. November 1984, BFHE 142,319).

Das Urheberrechtsgesetz (UrhG) verwendet den Begriff des Filmes im Rahmen der Begriffsbestimmung der (urheberrechtlich geschützten) Werke der Filmkunst (§ 4). Danach versteht das Gesetz unter Werken der Filmkunst (Filmwerken) Laufbildwerke, wodurch die den Gegenstand des Werkes bildenden Vorgänge und Handlungen entweder bloß für das Gesicht oder gleichzeitig für Gesicht und Gehör zur Darstellung gebracht werden, ohne Rücksicht auf die Art des bei der Herstellung oder Aufführung des Werkes verwendeten Verfahrens. Urheberrechtlich nicht schutzfähige filmische Erzeugnisse nennt das Gesetz (§ 73 Abs. 2 UrhG) Laufbilder (kinematographische Erzeugnisse). Diese unterliegen, unbeschadet der urheberrechtlichen Vorschriften zum Schutze von Filmwerken, den für Lichtbilder geltenden Vorschriften.

Unter "Film" (als Oberbegriff für Filmwerke und Laufbilder im Sinne der oben dargelegten Begriffsbestimmungen des Gesetzes) sind somit den Eindruck eines bewegten Bildes vermittelnde Bild- bzw. Bild-Tonfolgen zu verstehen (vgl. zur entsprechenden deutschen Rechtslage z.B. Schricker, Urheberrecht6 § 2 Rz 117 und vor § 88 ff Rz 20; v. Hartlieb, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts2 116, Fromm/Nordemann, Urheberrecht6, vor § 88 Rz 1).

Das Gesetz stellt nicht auf das bei der Bild- bzw. Bild-Tonaufzeichnung verwendete Trägermaterial ab. Das bei der Aufnahme bzw. Wiedergabe verwendete Verfahren betreffend nimmt § 73 Abs. 2 UrhG - in Form eines Verweises auf Abs. 1 dieser Vorschrift durch das Wort "derart" - auf ein photographisches bzw. der Photographie ähnliches Verfahren Bezug. Im Zusammenhalt mit der Begriffsbestimmung des § 4 UrhG, wonach es auf die Art des bei der Herstellung oder Aufführung des Werkes verwendeten Verfahrens nicht ankommt, ergibt sich aber, daß mit dieser Erwähnung ebenfalls nicht auf das Aufnahmeverfahren, sondern auf das Ergebnis, nämlich die Herstellung eines "Filmes" im Sinne des oben dargelegten Begriffes, Bezug genommen wird.

Auch solche Filmwerke bzw. Laufbilder, die nicht mittels eines photochemischen, sondern mittels elektromagnetischer oder anderer, dem Gesetzgeber des Urheberrechtsgesetzes 1936 nicht bekannter Methoden aufgezeichnet werden, einschließlich der auf "Videokassetten" gespeicherten bewegten Bild-Tonfolgen ("Videogramme") sind daher unter den Begriff "Film" zu subsumieren (vgl. zur entsprechenden deutschen Rechtslage z.B. Schricker aaO vor § 88 ff Rz 21, v. Hartlieb aaO 409).

Unter "Filmvorführungen" im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 16 UStG 1972 können daher (auch) Vorführungen von Filmen (Filmwerken und Laufbildern) verstanden werden, die auf Videokassetten aufgezeichnet sind.

Unter "Vorführungen" sind nach der Begriffsbildung des Urheberrechts (vgl. § 18 Abs. 1, 74 Abs. 1 UrhG) ÖFFENTLICHE Aufführungen (Vorführungen) zu verstehen. Eine Aufführung ist nach dem herrschenden Öffentlichkeitsbegriff dann öffentlich, wenn der Zutritt im wesentlichen jedermann freisteht, die Aufführung also nicht von vornherein auf einen in sich geschlossenen, nach außen begrenzten Kreis von Teilnehmern abgestimmt ist, aber auch dann, wenn die Veranstaltung zwar nicht allgemein zugänglich, der bestimmte oder bestimmbare Teilnehmerkreis aber nicht durch solche Beziehungen verbunden ist, die seine Zusammenkunft als eine solche der Privatsphäre erscheinen lassen. Letzteres trifft dort zu, wo der Kreis der Teilnehmer durch ein persönliches Band verbunden und durch wechselseitige Beziehungen untereinander oder zum Veranstalter nach außen abgegrenzt ist (vgl. Dittrich, Urheberrecht - MGA2 § 18 E 1). Die räumliche Gemeinsamkeit der Personen, denen Werke vorgeführt werden, ist nicht entscheidend, weil es darauf ankommt, daß der Öffentlichkeit ein WERK zugänglich gemacht wird, und nicht auf das Zugänglichmachen des gemeinsamen RAUMES, wo es gehört und gesehen werden kann (vgl. OGH 17. Juni 1986 "Hotel - Video", JBl. 1986, 655 mwN). Es kommt auch nicht darauf an, daß die Werkvermittlung gleichzeitig stattfindet, sofern moderne technische Speicherungs- und Übertragungssysteme mit Hilfe eines Vervielfältigungsstückes die sukzessive Erfassung eines solchen Personenkreises ermöglichen (OGH 27. Februar 1987 "Sexshop" WBl. 1987, 127).

All dies trifft auch bei der Vorführung von Filmen zu, die nicht Filmwerke im Sinne des § 4 UrhG, sondern lediglich Laufbilder im Sinne des § 73 Abs. 2 dieses Gesetzes darstellen (vgl. OGH WBl. 1987, 127).

Eine Einschränkung der Begünstigung auf Filmvorführungen, die in Kinos (Film- bzw. Lichtspieltheatern) stattfinden, kann dem Gesetz nicht entnommen werden. Dieses stellt auch nicht auf den Inhalt der Darbietungen ab; die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (145 Blg. NR XIII. GP) legen in diesem Zusammenhang dar, daß es nicht Sinn und Zweck einer allgemeinen Verbrauchsteuer sein könne, in bezug auf die einzelnen Leistungen qualitative Unterscheidungen zu treffen.

Es liegen somit "Filmvorführungen" im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 16 UStG 1972 vor, wenn zentral abgespielte Videofilme den Kunden eines "Sexshop" bzw. einer "Videopeepshow" nach Münzeinwurf auf Vorführgeräten in Einzelkabinen über Drahtleitungen sichtbar gemacht werden.

Die belangte Behörde, die die Anwendbarkeit der zitierten Vorschrift wegen des Fehlens einer Wiedergabe für eine größere Anzahl von Personen zur gleichen Zeit verneint hat, hat somit die Rechtslage verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989150080.X00

Im RIS seit

08.10.1990

Zuletzt aktualisiert am

26.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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