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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Großmann und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 12. Dezember 1988, Zl. Ge - 35882/4 - 1988/Pan/Lb, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, im Spruch dieses Erkenntnisses näher bezeichneten Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich (der belangten Behörde) wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er sei als handelsrechtlicher Geschäftsführer der "FB Ges.m.b.H." in deren Eigenschaft als persönlich haftende Gesellschafterin der "FB Ges.m.b.H. & Co KG", dafür verantwortlich, daß am 27. März 1986 um ca. 8.15 Uhr EF bei der Baustelle Wasserleitung E in einer 1,5 m tiefen Künette, die nicht in Fels oder felsähnlichem Gestein ausgeführt und nicht ausreichend gepölzt oder abgeböscht gewesen sei, gearbeitet habe, obwohl beim Ausheben von Künetten von mehr als 1,25 m Tiefe deren Wände unter Berücksichtigung der örtlichen Standfestigkeit des Bodens fortschreitend so abzuböschen oder zu verbauen seien, daß Arbeitnehmer nicht gefährdert werden könnten. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 61 Abs. 3 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG 1950 begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vor Eingehen auf das Beschwerdevorbringen ist zunächst die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift aufgeworfene Frage des Vorliegens der Beschwerdelegitimation zu prüfen. Die belangte Behörde hat richtig aufgezeigt, daß im Beschwerdeschriftsatz als Einschreiter die "FB
Ges.m.b.H. & Co KG" angeführt worden ist, obwohl der angefochtene Bescheid gegen den Geschäftsführer der Ges.m.b.H. gerichtet gewesen ist. Vom Beschwerdeführer wurde in einem Schriftsatz vom 17. März 1989 mitgeteilt, daß die Anführung der "FB Ges.m.b.H. & Co KG" als Einschreiter irrtümlich erfolgt sei. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, daß die Beschwerde tatsächlich vom Beschwerdeführer persönlich erhoben worden sei, was sich schon aus der Unterschrift am Schluß der Beschwerde und aus der Vollmacht ergebe.
Im Hinblick auf die bereits vom Beschwerdeführer angeführten Tatsachen, daß die der Beschwerde beigelegte Vollmacht die Unterschrift des im angefochtenen Bescheid als Berufungswerber auftretenden FB aufweist und der Beschwerdeschriftsatz auch an seinem Ende mit diesem Namen versehen ist, aber auch die gesamte Textierung des Beschwerdeschriftsatzes erkennen läßt, daß FB und nicht die als Einschreiter angeführte Ges.m.b.H. & Co KG den angefochtenen Bescheid bekämpft, ist für den Verwaltungsgerichtshof klar erkennbar, daß es sich bei der Anführung der Ges.m.b.H. & Co KG als Einschreiter im Rubrum des Beschwerdeschriftsatzes nur um einen Irrtum gehandelt hat. In Wahrheit ist somit nicht die irrtümlich angeführte Ges.m.b.H. & Co KG sondern FB von Anfang an als Beschwerdeführer aufgetreten. Seine Beschwerdelegitimation aber steht außer Zweifel.
Vom Beschwerdeführer wird der belangten Behörde unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zunächst zum Vorwurf gemacht, sie habe zu Unrecht die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragen im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG 1950 für die streitgegenständliche Baustelle nicht als gegeben erachtet.
Hiezu ist zu bemerken, daß der Beschwerdeführer erstmals in seiner Stellungnahme vom 22. April 1987 sich damit verantwortet hat, er habe Dipl.-Ing. P.D. als verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 4 VStG 1950 bestellt. Mit einer Stellungnahme vom 12. September 1988 legte er ein Schreiben vom 22. August 1988 vor, in dem Dipl.-Ing. P.D. diese Behauptung bestätigte und weiters anführte, daß die Bestellung am 1. Jänner 1986 erfolgt sei, und daß er dieser Bestellung vollinhaltlich zugestimmt habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid vertrat die belangte Behörde den Standpunkt, das Schreiben vom 22. August 1988 stelle keinen tauglichen Nachweis für eine rechtswirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG 1950 dar, weil es nicht aus der Zeit vor Begehung der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretung (27. März 1986) stamme.
Wie der Beschwerdeführer richtig erkannt hat, stützte sich die belangte Behörde hiebei auf die vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu § 9 Abs. 2 und 4 VStG 1950 vertretenen Rechtsansicht, daß zufolge des § 9 Abs. 4 leg. cit. erst mit dem Einlangen des Zustimmungsnachweises bei der Behörde der namhaft gemachte verantwortliche Beauftragte in rechtswirksamer Weise ihr gegenüber als Adressat der Verwaltungsstrafnorm an die Stelle des zur Vertretung nach außen Berufenen tritt. Die Berufung auf einen verantwortlichen Beauftragten ist daher nur dann zulässig, wenn bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein - aus der Zeit vor der Begehung der dem Beschuldigten angelasteten Übertretung stammender - Zustimmungsnachweis eines derartigen verantwortlichen Beauftragten einlangt (vgl. u.a. neben dem auch vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, Slg. Nr. 12.375/A, die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. November 1984, Zl. 84/10/0115, vom 17. März 1988, Zl. 87/08/0306, vom 14. April 1988, Zl. 87/08/0279, und vom 22. Februar 1990, Zl. 89/09/0140).
Mit seinen Beschwerdeausführungen unternimmt der Beschwerdeführer den Versuch, die soeben wiedergegebene Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes zu widerlegen. Im Wege der Wortinterpretation vermeint der Beschwerdeführer, aus § 9 Abs. 4 VStG 1950 entnehmen zu können, daß zwar derjenige, der sich auf die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG 1950 berufe, beweisen müsse, daß der Bestellte hiezu seine Zustimmung erteilt habe und die Bestellung und Zustimmung zeitlich noch vor der Begehung der dem Beschuldigten angelasteten Übertretung erfolgt seien, daß aber das Gesetz keine Aussage darüber treffe, aus welcher Zeit der Zustimmungsnachweis stammen müsse.
Nach § 9 Abs. 4 VStG 1950 kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und ..... Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung, von der abzugehen heute kein Anlaß besteht, wiederholt dargelegt, daß von einem aus der Zeit vor der Begehung der Verwaltungsübertretung stammenden Zustimmungsnachweis zur Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 4 VStG 1950 nur dann gesprochen werden kann, wenn ein die Zustimmung zur Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten betreffendes Beweisergebnis schon vor der Begehung der Tat vorhanden war (etwa in Form einer entsprechenden Urkunde, aber auch einer Zeugenaussage etc.). Da dies auf ein erst nach diesem Zeitpunkt zustandgekommenes Beweisergebnis nicht zutrifft, genügt es zur Erbringung des vom Gesetzgeber geforderten Zustimmungsnachweises jedenfalls nicht, wenn sich der - diesbezüglich beweispflichtige (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. November 1984, Zl. 84/10/0115) - Beschuldigte auf die erst im Verwaltungsstrafverfahren abzulegende Zeugenaussage des verantwortlichen Beauftragten beruft, mit der dessen Zustimmung zur Bestellung unter Beweis gestellt werden soll (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Juni 1988, Zlen. 86/08/0213, 0214, 0215, und das dort zitierte weitere Erkenntnis).
Diese Rechtslage verkennt der Beschwerdeführer, wenn er meint, durch eine erst lange nach Begehung der Verwaltungsübertretung entstandene schriftliche Bestätigung der angeblich zum verantwortlichen Beauftragten bestellten Person den erforderlichen Zustimmungsnachweis erbringen zu können. Die belangte Behörde handelte daher nicht rechtswidrig, wenn sie die Rechtswirksamkeit der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten schon im Hinblick auf das Fehlen eines entsprechenden Zustimmungsnachweises verneint hat.
Eine weitere Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt der Beschwerdeführer in dem Umstand, daß sich die belangte Behörde im Zusammenhang mit der Verschuldensfrage nicht mit seinem Vorbringen auseinandergesetzt habe, er habe ausreichend Pölzmaterial zur Verfügung gestellt, doch sei dieses von seinen Arbeitnehmern offensichtlich nicht zur Gänze verwendet worden.
Auch mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Die Frage, ob der Beschwerdeführer den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern genügend Pölzmaterial zur Verfügung gestellt hat - was übrigens von der belangten Behörde nicht bezweifelt wurde -, ist entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers für die Verschuldensfrage im vorliegenden Fall nicht entscheidungsrelevant. Vielmehr ist wesentlich, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren trotz der ihn gemäß § 5 Abs. 1 VStG 1950 treffenden Verpflichtung, glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft, weder behauptet noch glaubhaft gemacht hat, daß er solche Maßnahmen getroffen hat, die unter den voraussehbaren Verhältnissen mit gutem Grund die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften erwarten lassen. Er hat seine strafrechtliche Verantwortung lediglich mit der Behauptung abgelehnt, daß er einen verantwortlichen Beauftragten bestellt habe. Erstmals in seiner Beschwerde weist der Beschwerdeführer auf die Größe seines Unternehmens und darauf hin, daß und welche Maßnahmen er getroffen hat, damit die Arbeitnehmerschutzvorschriften eingehalten werden. Dieses Vorbringen fällt zur Gänze unter das Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG) im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, weshalb es keine Berücksichtigung finden kann. Auch wenn für die belangte Behörde aus mehreren den Beschwerdeführer betreffenden vorangegangenen Verwaltungsverfahren entnehmbar gewesen wäre, welche organisatorischen Maßnahmen der Beschwerdeführer in seinem Unternehmen getroffen hat, um die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zu gewährleisten, kann ihr nicht als Verletzung von Verfahrensvorschriften angelastet werden, wenn sie angesichts der, wie bereits erwähnt, den Beschwerdeführer in jedem ihn betreffenden Verwaltungsstrafverfahren treffenden Behauptungs- und Glaubhaftmachungspflicht nicht von Amts wegen Erhebungen betreffend die Zumutbarkeit der Überwachung der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften durch den Beschwerdeführer vorgenommen hat.
Die vom Beschwerdeführer erhobene Verfahrensrüge erschöpft sich in einer Wiederholung der bereits zur Rechtsrüge dargestellten Gründe. Eine gesonderte Erörterung der Verfahrensrüge erübrigt sich daher angesichts des bereits Gesagten.
Die sohin zur Gänze unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweislast Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Arbeitsrecht Arbeiterschutz Verfahrensbestimmungen Amtswegigkeit des Verfahrens Mitwirkungspflicht ManuduktionspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990190090.X00Im RIS seit
08.10.1990