Index
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1438;Betreff
S gegen Landesarbeitsamt Oberösterreich vom 15. September 1989, Zl. IVa-IESG-7022/3/B/BNr.419/160/76/84/Wels, betreffend Insolvenz-Ausfallgeld
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 22. August 1984, AZ, wurde über das Vermögen der S-Gesellschaft mbH. der Konkurs eröffnet.
Der Beschwerdeführer beantragte die Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld in der Höhe von insgesamt S 719.385,34 für verschiedene Ansprüche aus seinem Arbeitsverhältnis mit dieser Gesellschaft.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom 15. September 1989 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Insolvenz-Ausfallgeld abgelehnt.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
1.1. Die belangte Behörde ging davon aus, daß der Beschwerdeführer seit der Gründung der Gesellschaft im Jahre 1980 bis zu seiner Abberufung am 19. Juni 1984 Geschäftsführer der genannten Gesellschaft gewesen sei. Der Masseverwalter habe die im Konkurs angemeldeten Forderungen des Beschwerdeführers bestritten, weil dieser als früherer Geschäftsführer für den eingetretenen Schaden in einer die Lohnansprüche übersteigenden Höhe hafte. Er habe die Aufrechnungserklärung bereits anläßlich der Forderungsprüfung im Konkursverfahren mündlich abgegeben und diese Erklärung mit Schreiben vom 8. Jänner 1986 wiederholt. Der Masseverwalter habe im Schreiben an die belangte Behörde vom 18. Februar 1986 die Schadenersatzansprüche unter anderem damit begründet, daß der Beschwerdeführer bisher keine Prüfungsklage eingebracht habe. Dies sei ein Indiz dafür, daß er die Gegenforderung als begründet erachte. Gegen den Beschwerdeführer sei beim Kreisgericht Wels ein Strafverfahren wegen §§ 146 ua. StGB anhängig. Im Falle eines Schuldspruches "wäre die Geschäftsführerhaftung damit dem Grunde nach erwiesen". Zur Höhe der Gegenforderung seien die angemeldeten Forderungen im Konkurs zu berücksichtigen.
Am 15. März 1989 sei der Beschwerdeführer vom Kreisgericht Wels wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach den §§ 159 Abs. 1 Z. 2, 161 StGB rechtskräftig verurteilt worden, weil er als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der genannten Gesellschaft (als Komplementär der Kommanditgesellschaft S) als Schuldner mehrerer Gläubiger in der Zeit von Mitte 1983 (laut Strafurteil richtig "von Mitte 1983/Herbst 1983") bis 19. Juni 1984 zumindest in fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der angeführten Gesellschaften die Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger oder wenigstens eines von ihnen insbesondere dadurch vereitelt oder geschmälert habe, daß er die genannten Gesellschaften nach der Bestätigung des zwischen der Schuldnerin "S Kommanditgesellschaft" und ihren Gläubigern abgeschlossenen Ausgleiches und dem im Strafverfahren 12 EVr nn/81 des Kreisgerichtes Wels ergangenen Urteil ohne ausreichende Kapitalausstattung und Eigenmittelzufuhr fortführte, neue Schulden einging und eingehen ließ, Schulden bezahlte und bezahlen ließ, die Kosten nur unzureichend überwachte und die Eröffnung des Konkurses nicht rechtzeitig beantragte.
Auf den Vorhalt der belangten Behörde vom 21. Juni 1989, daß damit die vom Masseverwalter eingewendete Gegenforderung erwiesen sei, habe der Beschwerdeführer geantwortet, daß sich weder aus dem Spruch noch aus der Begründung des Strafurteiles die Schadenersatzforderung ableiten lasse. Die Aufrechnung gegenüber Ansprüchen, die ihm nach dem IESG zustünden, sei nicht berechtigt.
1.2. Die belangte Behörde hielt dem entgegen, daß die Aufrechnung nicht mit dem öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld stattfinde, sondern "zwischen Ihrem arbeitsrechtlichen Anspruch und dem Schadenersatzanspruch". Durch die Aufrechnungserklärung des Masseverwalters sei der arbeitsrechtliche Anspruch erloschen und daher kein gesicherter Anspruch mehr vorhanden, für den Insolvenz-Ausfallgeld gewährt werden könnte.
Soweit sich der Beschwerdeführer gegen den Bestand der Schadenersatzforderung wende, sei auszuführen, daß es nicht "um die zivilrechtliche Bindungswirkung des Strafurteiles" gehe, sondern darum, "ob die zur Verurteilung wegen fahrlässiger Krida führenden Fakten auch die Geschäftsführerhaftung nach dem GesmbHG begründen". Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, "daß ein Geschäftsführer die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes verletzt, wenn er den Tatbestand der fahrlässigen Krida verwirklicht". Dies treffe im Falle des Beschwerdeführers umsomehr zu, als die fahrlässige Krida bei ihm vor allem auch dadurch begründet worden sei, daß er in (fahrlässiger) Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit Schulden der genannten GesellschaftmbH bezahlt habe. Dies verwirkliche "aber ganz eindeutig den Tatbestand des § 25 Abs. 3 Z. 2 GesmbHG". Für die belangte Behörde stehe damit "unzweifelhaft fest, daß die Geschäftsführerhaftung zum Tragen kommt und ein weiteres Eingehen auf die im Strafantrag vorgeworfenen, zur Verurteilung führenden Fakten nicht mehr notwendig ist. Ebenso kann von einer näheren Erörterung der sonstigen Ergebnisse des Strafverfahrens, insbesondere des Gutachtens des Buchsachverständigen abgesehen werden". Die genaue Höhe der eingewendeten Gegenforderung des Masseverwalters aus dem Titel der Geschäftsführerhaftung habe im Berufungsverfahren nicht geklärt werden müssen, "weil der Masseverwalter davon ausging, daß die Schadenersatzforderung die allfälligen Gehaltsansprüche jedenfalls weit übersteigt," und der Beschwerdeführer dem nicht ausdrücklich widersprochen habe. Darüberhinaus erscheine es der belangten Behörde durchaus "lebensnah", daß allein durch die vom Beschwerdeführer zu vertretende und die Haftung gemäß § 25 GesmbHG "mit begründende verspätete Antragstellung auf Konkurseröffnung in der Regel beträchtliche Verbindlichkeiten entstehen; man denke dabei nur an die laufend anwachsenden Dienstnehmerforderungen, wozu nicht zuletzt auch die von Ihnen selbst geforderten Beträge gehören".
2.1. Im Verwaltungsverfahren unterblieb jede Auseinandersetzung mit den arbeitsrechtlichen Ansprüchen, die dem Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld zugrundeliegen. Die Ablehnung dieses Antrages durch die belangte Behörde gründet sich ausschließlich darauf, daß der Gesellschaft eine (nach Konkurseröffnung vom Masseverwalter geltend zu machende) Gegenforderung zustünde. Der angefochtene Bescheid ist somit nur dann nicht rechtswidrig, wenn die Gegenforderung zu Recht bestand und auch der Aufrechnung kein Hindernis entgegenstand.
2.2. Gemäß § 25 Abs. 1 GesmbHG sind die Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.
Gemäß § 25 Abs. 2 leg. cit. haften Geschäftsführer, die ihre Obliegenheiten verletzen, der Gesellschaft zur ungeteilten Hand für den daraus entstandenen Schaden.
Gemäß § 25 Abs. 3 leg. cit. sind sie insbesondere zum Ersatz verpflichtet, wenn
1. gegen die Vorschriften dieses Gesetzes oder des Gesellschaftsvertrages Gesellschaftsvermögen verteilt wird, namentlich Stammeinlagen oder Nachschüsse an Gesellschafter gänzlich oder teilweise zurückgegeben, Zinsen oder Gewinnanteile ausgezahlt, für die Gesellschaft eigene Geschäftsanteile erworben, zum Pfand genommen oder eingezogen werden;
2. nach dem Zeitpunkte, in dem sie die Eröffnung des Konkurses zu begehren verpflichtet waren, Zahlungen geleistet werden.
Allein mit der Verletzung der zuletzt genannten Bestimmung begründete die belangte Behörde die Berechtigung der Gegenforderung. Voraussetzung für diese auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes gestützte Forderung ist nicht bloß der Nachweis rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens des Geschäftsführers, nämlich der verspäteten (oder unterbliebenen) Antragstellung auf Konkurseröffnung, sondern auch der Nachweis eines durch geleistete Zahlungen eingetretenen Schadens. Dies ergibt sich klar aus dem Wortlaut der oben wiedergegebenen Gesetzesstellen, wonach es sich bei den im § 25 Abs. 3 GesmbHG genannten Fällen nur um Sonderfälle des allgemeinen Haftungstatbestandes des § 25 Abs. 2 GesmbHG handelt. Nicht jede Zahlung nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit führt schon zu einem Schaden der Gesellschaft. Der Abschluß von Bargeschäften und das Eingehen von Verbindlichkeiten bei entsprechenden Gegenleistungen verursachen der Gesellschaft keinen Schaden. Ebensowenig schädigt die weitere Betriebsführung die Gesellschaft, wenn dabei kein weiterer Betriebsverlust entsteht. Hingegen bewirken nach Eintritt der Konkursreife vorgenommene Zahlungen, die dem Zahlungsempfänger inkongruente Deckung gewähren (vgl. zu diesem Begriff König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung, Seite 124 ff), die nach Anfechtung für die Konkursmasse nicht in voller Höhe einbringlich sind, oder denen keine entsprechenden Gegenleistungen gegenüberstehen, die Schädigung der Gesellschaft (siehe Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht, Seite 137; SZ 45/46).
2.3. Der angefochtene Bescheid enthält keine ausreichenden Feststellungen, auf Grund deren im Sinne der dargestellten Grundsätze die Berechtigung der zur Aufrechnung verwendeten Gegenforderung beurteilt werden könnte. Die belangte Behörde stützt sich im wesentlichen auf die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida, ohne konkret auszuführen, zu welchem Zeitpunkt ihrer Ansicht nach der Beschwerdeführer zur Stellung eines Antrages auf Konkurseröffnung verpflichtet war (vgl. zur Konkursvoraussetzung der Überschuldung gemäß § 67 KO das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 3. Dezember 1986, SZ 59/216), durch welche hierauf gesetzten Handlungen des Beschwerdeführers der Gesellschaft ein Schaden entstanden ist und wie hoch ein allfälliger Schaden war.
Die Ansicht der belangten Behörde, von einer näheren Erörterung der Ergebnisse des Strafverfahrens, insbesondere des Gutachtens des Buchsachverständigen, könne abgesehen werden, ist somit ebenso verfehlt wie ihre Auffassung, die Höhe der eingewendeten Gegenforderung habe nicht geklärt werden müssen, weil der Masseverwalter davon ausgegangen sei, die Schadenersatzforderung habe die allfälligen Gehaltsansprüche jedenfalls weit überstiegen, und der Beschwerdeführer dem nicht ausdrücklich widersprochen habe. Die belangte Behörde durfte sich nicht damit begnügen, die vom Masseverwalter vertretene Meinung zu übernehmen, abgesehen davon, daß auch die schriftlichen Äußerungen des Masseverwalters nicht jene konkreten Tatsachen nennen, auf die sich seine Beurteilung stützt, sondern sie hätte auf Grund der Ergebnisse des von ihr durchzuführenden Ermittlungsverfahrens selbständig zu prüfen gehabt, ob und in welcher Höhe die zur Aufrechnung verwendete Gegenforderung zu Recht bestand. Sie konnte sich auch nicht mit Recht darauf stützen, daß der Beschwerdeführer den Äußerungen des Masseverwalters nicht ausdrücklich widersprochen habe. Aus den Äußerungen des Beschwerdeführers zu den ihm vorgehaltenen Schreiben des Masseverwalters an die belangte Behörde geht nämlich unmißverständlich hervor, daß der Beschwerdeführer die geltend gemachte Gegenforderung zur Gänze bestritt. Von einer ausdrücklichen oder schlüssigen Außerstreitstellung der Höhe kann daher keine Rede sein.
Soweit die belangte Behörde ausführt, es erscheine ihr durchaus "lebensnah", daß durch die vom Beschwerdeführer zu vertretende verspätete Antragstellung auf Konkurseröffnung "in der Regel beträchtliche Verbindlichkeiten entstehen", handelt es sich dabei um Vermutungen, die konkrete Feststellungen im oben dargelegten Sinne (siehe Punkt 2.2.) nicht ersetzen können.
Der in der Gegenschrift als Argument für die Richtigkeit der Gegenforderung ins Treffen geführte Umstand, daß der Beschwerdeführer nach der Bestreitung seiner im Konkurs angemeldeten Forderungen keine rechtlichen Schritte unternommen habe, ersetzt ebenfalls nicht die Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens und darauf basierende Sachverhaltsfeststellungen. Aus dem Unterbleiben der gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen kann noch nicht mit Sicherheit auf deren mangelnde Berechtigung geschlossen werden. Das gilt auch für die vom Masseverwalter geltend gemachte Schadenersatzforderung, die nach den Behauptungen des Masseverwalters die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis um ein Vielfaches übersteigt.
2.4. Der Beschwerdeführer hat sich in der Beschwerde auf die "Privilegien" des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes sowie auf die Aufrechnungsbeschränkung des § 293 Abs. 3 EO berufen.
Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß auf Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH. das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz nicht anzuwenden ist (siehe Reich-Rohrwig, a.a.O., Seite 107; Kastner, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts, 4. Auflage, Seite 300 und die dort zitierte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes). Bei der Beurteilung der Berechtigung der Gegenforderung, die auf eine Verletzung der Geschäftsführerpflichten durch den Beschwerdeführer gegründet wird, ist daher auf die Bestimmungen des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes nicht Bedacht zu nehmen.
Aus der mangelnden Anwendbarkeit des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes auf Geschäftsführer einer Gesellschaft m.b.H. ergibt sich aber noch nicht, daß das in § 7 Abs. 1 dieses Gesetzes normierte Aufrechnungsverbot im Beschwerdefall nicht zu beachten ist. Die dem Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld zugrundeliegenden Ansprüche betreffen nämlich auch Zeiträume, in denen der Beschwerdeführer nicht mehr Geschäftsführer der Gesellschaft war. Dieses Aufrechnungsverbot gilt allerdings nur während des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses. Da der Masseverwalter die Aufrechnung erst nach Beendigung des Dienstverhältnisses erklärt hat, stand das zitierte Aufrechnungsverbot der Aufrechnung nicht entgegen.
Gemäß § 293 Abs. 3 EO ist die Aufrechnung gegen den der Exekution entzogenen Teil der Forderung, abgesehen von den Fällen, wo nach bereits bestehenden Vorschriften Abzüge ohne Beschränkung auf den der Exekution unterliegenden Teil gestattet sind, nur zulässig zur Einbringung eines Vorschusses, einer im rechtlichen Zusammenhange stehenden Gegenforderung oder einer Schadenersatzforderung, wenn der Schaden absichtlich zugefügt wurde. Zwischen den Ansprüchen des Beschwerdeführers aus dem Arbeitsverhältnis und der aus der Verletzung seiner Verpflichtungen resultierenden Schadenersatzforderung besteht ein rechtlicher Zusammenhang, sodaß auch diese Bestimmung, die im übrigen die Aufrechnung nur für den pfändungsfreien Teil der arbeitsrechtlichen Ansprüche betreffen würde, die Aufrechnung nicht hinderte.
2.5. Aus den unter 2.3. dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989110271.X00Im RIS seit
09.10.1990