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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art140 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 90/11/0166Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerden des Dr. H gegen 1. den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 9. April 1990, Zl. 263.646/19-2.4/89, betreffend Feststellung der Verpflichtung zur Leistung von Kaderübungen, und 2. den Bescheid (Einberufungsbefehl) des Militärkommandos Wien vom 31. Juli 1990, Zl. W-52/14/01/01, betreffend Einberufung zu einer Kaderübung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 1. Februar 1952 geborene Beschwerdeführer leistete in der Zeit vom 28. September 1970 bis 27. September 1971 einen verlängerten ordentlichen Präsenzdient als Einjährig-Freiwilliger. Gemäß § 29 Abs. 9 lit. a in Verbindung mit § 29 Abs. 1 Wehrgesetz 1978 (nunmehr § 29 Abs. 9 Z. 1 i. V.m. § 29 Abs. 1 Wehrgesetz 1990) kann er nach den jeweiligen militärischen Erfordernissen bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres ohne seine Zustimmung zu Kaderübungen in der Gesamtdauer von 90 Tagen herangezogen werden.
Er leistete bisher keine Kaderübungen, weil er bis 15. August 1985 aus öffentlichen Interessen von Amts wegen und in der Folge bis 30. September 1986 über seinen Antrag wegen besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher Interessen von der Verpflichtung zur Leistung des außerordentlichen Präsenzdienstes befreit war. Sein Mehrbegehren auf unbefristete Befreiung wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 25. September 1987 abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 3. März 1989, Zl. 88/11/0108, als unbegründet abgewiesen.
Mit Schreiben an den Bundesminister für Landesverteidigung vom 21. November 1988 erklärte der Beschwerdeführer, seinen militärischen Dienstgrad (Fähnrich) zurückzulegen und "ausdrücklichen Verzicht" zu leisten.
Unter Bezugnahme auf dieses Schreiben stellte er an das Militärkommando Wien den Antrag festzustellen, daß er nicht mehr zur Leistung von Kaderübungen verpflichtet sei.
Auf Grund dieses Antrages wurde mit Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung, auf den die Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 übergegangen war, vom 9. April 1990 festgestellt, daß der Beschwerdeführer nach den jeweiligen militärischen Erfordernissen bis zur Vollendung seines 50. Lebensjahres ohne seine Zustimmung zur Leistung von Kaderübungen herangezogen werden könne.
Dagegen richtet sich die zur Zl. 90/11/0096 protokollierte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung dieser Beschwerde beantragt.
Mit Einberufungsbefehl des Militärkommandos Wien vom 31. Juli 1990 wurde der Beschwerdeführer zu einer Kaderübung vom 14. bis 16. November 1990 einberufen.
Dagegen richtet sich die zur Zl. 90/11/0166 protokollierte Beschwerde, in der dieselben Beschwerdegründe wie in der erstgenannten Beschwerde geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die beiden Beschwerden, die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden wurden, erwogen:
1. Der Bundesminister für Landesverteidigung hat den erstangefochtenen Bescheid im wesentlichen damit begründet, daß der vom Beschwerdeführer erklärte Verzicht auf seinen militärischen Dienstgrad mangels gesetzlicher Grundlage rechtlich bedeutungslos sei und daher keine Auswirkung auf seine wehrrechtliche Stellung habe. Der Beschwerdeführer zähle daher weiterhin zu dem im § 29 Abs. 9 lit. a Wehrgesetz 1978 umschriebenen Personenkreis.
2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei im Ergebnis gegenüber allen jenen, die ihren Präsenzdienst nach den derzeit geltenden Bestimmungen zur Gänze leisten, benachteiligt. § 29 Abs. 9 Wehrgesetz 1978 verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz und sei daher verfassungswidrig.
Was die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der vom Beschwerdeführer genannten Vorschrift anlangt, genügt es, im Sinne des § 43 Abs. 2 VwGG auf die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 1987, Zl. 87/11/0092, und vom 13. März 1990, Zl. 89/11/0276, und die dort zitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Slg. Nr. 8264/1978 und 9928/1984) hinzuweisen. Für die vom Beschwerdeführer angeregte Antragstellung im Sinne des Art. 140 Abs. 1 B-VG besteht daher kein hinreichender Grund.
2.2. Der Beschwerdeführer meint, er sei seit seinem am 21. November 1988 erklärten Verzicht auf seinen militärischen Dienstgrad (Fähnrich) nicht mehr kaderübungspflichtig. Er vertritt unter Zitierung von Kommentarliteratur zum Privatrecht die Auffassung, daß alle Rechte grundsätzlich verzichtbar seien.
Auf die Frage, in welcher Weise auf Ansprüche, die dem öffentlichen Recht zugehören, verzichtet werden kann (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 19. April 1956, Slg. Nr. 4047/A, und vom 9. April 1984, Zl. 83/12/0059), brauchte im vorliegenden Fall nicht konkret eingegangen zu werden, weil es hier nicht um die Wirksamkeit eines Verzichtes auf einzelne Ansprüche oder Anwartschaften geht, auf die verzichtet werden soll, sondern der Beschwerdeführer das aus dem Wehrrecht resultierende, somit öffentlich-rechtliche Verhältnis zwischen ihm als Offizier des Milizstandes und der Republik Österreich durch einseitige Erklärung beenden wollte. Der Bundesminister für Landesverteidigung hat dazu sowohl im erstangefochtenen Bescheid als auch in seiner Gegenschrift zutreffend darauf hingewiesen, daß eine solche Beendigungsmöglichkeit im Wehrgesetz 1978 und auch in einer anderen Rechtsvorschrift nicht vorgesehen ist. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, daß jedes Rechtsverhältnis durch einseitige Erklärung beendet werden kann, besteht nicht. Ein solcher Grundsatz wäre auch mit dem Zweck des Wehrgesetzes unvereinbar. An diesem Ergebnis ändert auch der Hinweis des Beschwerdeführers nichts, daß Beamte und Richter den Austritt aus ihrem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis erklären können, weil hier ausdrückliche gesetzliche Regelungen vorliegen und derartige Dienstverhältnisse mit der wehrrechtlichen Stellung eines kaderübungspflichtigen Offiziers des Milizstandes nicht vergleichbar sind.
2.3. Der Beschwerdeführer vertritt schließlich die Auffassung, die belangten Behörden hätten erheben und feststellen müssen, daß er nach Absolvierung des Grundwehrdienstes bereits Präsenzdienst in einer das Höchstausmaß des § 29 Abs. 1 Wehrgesetz 1978 erreichenden Dauer geleistet habe. Das Verfahren sei somit mangelhaft geblieben, obwohl § 29 Abs. 9 leg. cit die Anrechnung früherer Präsenzdienstzeiten ausdrücklich anordne.
Diesen Ausführungen liegt offenbar ein unrichtiges Verständnis der im § 29 Abs. 9 leg. cit enthaltenen Anrechnungsvorschrift zugrunde, nach der die vor dem 1. August 1977 geleisteten Kaderübungen auf das Gesamtausmaß nach Abs. 1 anzurechnen sind. Da der Beschwerdeführer bisher keine Kaderübung geleistet hat, kommt eine Anrechnung auch nicht in Betracht. Die Tatsache, daß der Beschwerdeführer seinerzeit als Einjährig-Freiwilliger schon Präsenzdienst in der Dauer von 12 Monaten geleistet hat, ändert nichts an seiner Kaderübungsverpflichtung gemäß § 29 Abs. 9 Z. 1 in Verbindung mit § 29 Abs. 1 Z. 1 Wehrgesetz 1990. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Belastung durch die Kaderübungspflicht ist Auswirkung der durch das am 16. Februar 1974 in Kraft getretene Bundesgesetz BGBl. Nr. 89/1974 geschaffenen Rechtslage, die vom Verfassungsgerichtshof unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes als sachlich gerechtfertigt erkannt wurde (siehe oben Punkt 2.1.).
3. Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Einberufungsbefehl war schon deshalb unbegründet, weil das Militärkommando Wien bei Erlassung dieses Einberufungsbefehles an den erstangefochtenen Feststellungsbescheid gebunden war. Diese Beschwerde konnte gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abgewiesen werden.
4. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990110096.X00Im RIS seit
11.07.2001