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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Weiss und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 10. Juli 1990, Zl. IIb2-V-8031/2-1989, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 2 (zweiter Satz) StVO 1960 bestraft, weil er einen am 24. Oktober 1989 um ca 19.20 Uhr an einer näher bezeichneten Örtlichkeit eingetretenen Verkehrsunfall, mit dem er mit einem von ihm gelenkten, dem Kennzeichen nach bestimmten PKW in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei und bei dem eine namentlich bezeichnete Person verletzt worden sei, nicht sofort der nächsten Sicherheitsdienststelle gemeldet habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 4 Abs. 2 StVO 1960 haben, wenn bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden sind, alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, Hilfe zu leisten; sind sie dazu nicht fähig, so haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. Ferner haben sie die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.
Der Beschwerdeführer räumt ein, daß sich seine Beifahrerin beim beschwerdegegenständlichen Unfall verletzt habe. Es habe sich jedoch bei dem von ihr erlittenen "Peitschenschlagsyndrom" um eine Verletzung leichtesten Grades gehandelt, "wodurch die Strafbarkeit nach § 4 Abs. 2 StVO nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ausgeschlossen ist." Dabei übersieht der Beschwerdeführer, daß die Bestimmung des § 4 Abs. 2 StVO 1960 zwei verschiedene Verpflichtungen, nämlich einerseits die Hilfeleistungspflicht und andererseits die Meldepflicht, enthält, deren Verletzungen verschiedene Verwaltungsübertretungen darstellen. Wohl trifft es zu, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht jede Verletzung einer Person schlechthin die HILFELEISTUNGSpflicht auszulösen vermag, sondern nur solche Verletzungen, die objektiv eine Hilfeleistung erfordern (vgl. das vom Beschwerdeführer zitierte Erkenntnis vom 24. April 1984, Slg. Nr. 11420/A); die VERSTÄNDIGUNGSpflicht, deren Nichterfüllung dem Beschwerdeführer zur Last gelegt wurde, lösen hingegen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht nennenswerte Verletzungen aus (vgl. unter anderem das Erkenntnis vom 30. Mai 1990, Zl. 90/03/0121). Mit seinem Vorbringen, daß es sich bei der von seiner Beifahrerin erlittenen Verletzung um eine solche leichtesten Grades gehandelt habe, vermag der Beschwerdeführer der Beschwerde somit nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Ferner bringt der Beschwerdeführer vor, daß die Verletzung seiner Beifahrerin für ihn nicht erkennbar gewesen sei. Er habe lediglich gesehen, daß sich die Beifahrerin - nach dem Unfall - das Genick gehalten habe. Dem ist zu erwidern, daß zur Verwirklichung des Tatbildes der Verwaltungsübertretug nach § 4 Abs. 2 zweiter Satz StVO 1960 auch das fahrlässige Nichtwissen des Täters von der Verletzung einer anderen Person durch den Verkehrsunfall genügt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. März 1987, Zl. 85/03/0114). Seine Beobachtung, daß sich die Beifahrerin nach dem Unfall das Genick gehalten hat, hätte dem Beschwerdeführer jedenfalls Grund zur Annahme geben müssen, daß die Genannte bei dem Verkehrsunfall verletzt worden sein könnte. Er wäre zumindest verpflichtet gewesen, sich durch eine Befragung der Beifahrerin nach einer allfälligen Verletzung eine diesbezügliche Gewißheit zu verschaffen. Da der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet, dies getan zu haben, ist das Beschwerdevorbringen auch in diesem Punkte nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Soweit der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht, daß Zeugen vor der Erstbehörde ohne Beisein seines Vertreters vernommen worden seien, obwohl "dies" (gemeint: eine Vernehmung in Anwesenheit des Vertreters des Beschwerdeführers) mehrmals beantragt worden sei, genügt es darauf zu verweisen, daß die Verwaltungsverfahrensgesetze den Parteien oder Beschuldigten kein Recht auf Anwesenheit bei der Beweisaufnahme einräumen (siehe etwa die bei Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, 425, angeführte Rechtsprechung).
Da somit der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Straßenpolizei KraftfahrwesenMeldepflichtParteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an BeweisaufnahmenHilfeleistungParteiengehörEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990030210.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
28.08.2009