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44 ZivildienstNorm
ZivildienstG §2 Abs1Leitsatz
Keine Glaubhaftmachung der Gewissensgründe; keine Verletzung im durch §2 Abs1 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung, insbesondere nicht durch Verfahrensfehler gravierender NaturSpruch
Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDOK), wies mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 14. Mai 1987 einen vom Bf. - unter Bezugnahme auf §2 Abs1 Zivildienstgesetz 1986 - gestellten Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht - nach mündlicher Verhandlung gemäß §2 Abs1 iVm §6 Abs1 ZDG ab.
2. Gegen diesen Bescheid der ZDOK richtet sich die vorliegende, auf Art144 (Abs1) B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des durch §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Die ZDOK als bel. Beh. legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine kurze Gegenschrift, in der die Rechtmäßigkeit des bekämpften Bescheides verteidigt wird.
II. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:
1.a) Die Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG besagt, daß Wehrpflichtige im Sinn des Wehrgesetzes 1978, BGBl. 150, auf ihren Antrag (und zwar nach Maßgabe des §5 Abs1 und 3 ZDG, der das Antragsrecht - in hier allerdings unerheblicher Weise - beschränkt) von der Wehrpflicht zu befreien sind, wenn sie es - von Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen - aus schwerwiegenden, glaubhaften Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten würden; sie sind zivildienstpflichtig. Der VfGH vertritt in seiner mit VfSlg. 8033/1977 eingeleiteten ständigen Rechtsprechung die Auffassung, daß diese Vorschrift das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung beinhaltet (vgl. zB VfSlg. 10021/1984; VfGH 26.9.1986 B243/86).
b) Dieses Grundrecht wird nach der ständigen Judikatur des VfGH nicht bloß dadurch verletzt, daß die Behörde die im § 2 Abs1 ZDG umschriebenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Wehrpflichtbefreiung unrichtig beurteilt; eine solche Verletzung ist - da sich der Schutzumfang des Grundrechtes auf die für den Nachweis der Voraussetzungen maßgebende Vorgangsweise der Glaubhaftmachung (Bescheinigung) miterstreckt - auch dann gegeben, wenn der Behörde wesentliche Verstöße in diesem verfahrensrechtlichen Bereich unterlaufen oder wenn sie dem Antragsteller überhaupt die Möglichkeit nimmt, das Vorliegen der materiellen (Befreiungs-)Bedingungen glaubhaft zu machen (vgl. zB VfSlg. 9985/1984, 10056/1984; VfGH 26.9.1986 B243/86).
Wie der VfGH in diesem Zusammenhang schon wiederholt aussprach (vgl. zB die soeben zitierte Judikatur), zählen zu den hier wahrzunehmenden Verstößen auf verfahrensrechtlichem Gebiet auch wesentliche Fehler bei der Beweiswürdigung einschließlich der Würdigung der Parteiaussage als Bescheinigungsmittel.
2.a) Die bel. Beh. geht richtig davon aus, daß der Bf., zieht man alle seine Einlassungen im Administrativverfahren gebührend in Betracht, den Standpunkt einnahm, infolge seiner - allgemeinen und vorbehaltlosen Ablehnung der Anwendung von Waffengewalt in schwere Gewissensnot zu geraten, wenn er Wehrdienst leisten müsse.
Eine derartige (an sich taugliche) Behauptung muß aber, sollen die Voraussetzungen für die Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung erfüllt sein, nicht nur aufgestellt, sondern kraft §6 Abs2 ZDG auch glaubhaft gemacht werden (vgl. zB VfSlg. 9573/1982).
b) Die ZDOK legte dem Sinn nach dar, weshalb sie der Ansicht anhänge, daß hier schwerwiegende Gewissensgründe iS des ZDG nicht glaubhaft seien. Sie begründete dies im wesentlichen wie folgt:
".... G M" (der Beschwerdeführer) "wirkte auf den Berufungssenat, der über reiche Vergleichsmöglichkeiten verfügt, nicht wie ein Mensch, der eine auf gründlichen eigenständigen Überlegungen beruhende gefestigte innere Überzeugung wiedergibt und auf der Basis grundsätzlicher und vorbehaltloser Ablehnung von Waffengewalt gegen Menschen im Fall der Wehrdienstleistung tatsächlich in schwere Gewissensnot geriete. G M brachte im Verlauf der Berufungsverhandlung im wesentlichen nur die in Kreisen vieler Wehrdienstverweigerer üblichen Vorstellungen und Argumente vor, die sich im wesentlichen in Sinn- und Zweckmäßigkeitserwägungen gegen eine bewaffnete Landesverteidigung erschöpften, die jedoch eine ernsthafte tiefgreifende höchstpersönliche Auseinandersetzung mit der verfahrensgegenständlichen Problematik nicht erkennen ließen. Der Senat konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß der sich der besonderen Situation Österreichs - bewaffnete Verteidigung der Neutralität - ersichtlich nicht bewußte und mit Unterordnungsproblemen kämpfende Berufungswerber nur die mit der Ableistung des Präsenzdienstes verbundenen Unannehmlichkeiten vermeiden will. Der Zivildienstoberkommission konnte jedenfalls nicht die Überzeugung verschafft werden, daß sich der intelligente, glatt und vordergründig argumentierende, seiner Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft aber ersichtlich nicht bewußte Berufungswerber letztlich dermaßen mit seinen ohne spürbare innere Anteilnahme vorgetragenen Anschauungen identifiziert, daß im Fall der Wehrdienstleistung tatsächlich eine schwere Gewissensnot zu befürchten wäre.
In freier Würdigung der Person des Antragstellers und der Art seines Vorbringens ist es G M somit nicht gelungen glaubhaft zu machen, daß das von ihm verbal Vorgebrachte tatsächlich seine Gewissenslage wiedergibt und er sonach im Fall der Anwendung von Waffengewalt wirklich in eine schwere Gewissensnot geraten könnte.
Die Tatsache regelmäßig gewährter Nachbarschaftshilfe für ältere Menschen und die Leistung von Geldspenden für eine humanitäre Organisation wurde bei der Gesamtwürdigung des Vorbringens mit in Rechnung gestellt, waren jedoch in Anbetracht des persönlichen Eindrucks des Berufungswerbers nicht geeignet, zu einer anderen Sachentscheidung zu führen."
Entgegen der in der Beschwerdeschrift verfochtenen Auffassung unterliefen der bel. Beh. dabei weder materielle noch gravierende prozessuale Rechtsverletzungen, und zwar auch nicht im Bereich der freien Würdigung des Bescheinigungsmaterials: Der Bf. bekämpft nämlich nach der unverkennbaren Zielsetzung des Beschwerdevorbringens in Wahrheit bloß die - nicht zu seinen Gunsten ausgefallene - behördliche Beweiswürdigung, indem er tatsächliche Schlußfolgerungen der ZDOK in der Glaubhaftmachungsfrage als unrichtig und verfehlt hinstellt. Er vermag damit den Umständen nach allerdings keineswegs aufzuzeigen, daß die beweiswürdigenden Überlegungen der Berufungsbehörde der allgemeinen Lebenserfahrung oder den Gesetzen des logischen Denkens widersprechen: Nur in diesem Fall aber könnte im gegebenen Zusammenhang - nach gefestigter Rechtsprechung des VfGH - von einem verfassungsrechtlich relevanten, groben Verstoß verfahrensrechtlicher Art die Rede sein, der nach §2 ZDG aufzugreifen wäre (zB VfSlg. 9985/1984; VfGH 26.9.1986 B243/86).
c) Des weiteren trifft es - dem Beschwerdevorbringen zuwider - nicht zu, daß die bel. Beh. ihren Bescheid besonders mangelhaft begründet und keine Feststellungen getroffen hätte.
Die ZDOK geht auch nicht - wie in der Beschwerde weiters behauptet wird - davon aus, daß der Zivildienst im Vergleich zum Wehrdienst eine geringere Belastung darstelle. Vielmehr hat die Behörde angenommen, der Bf. wolle "nur die mit der Ableistung des Präsenzdienstes verbundenen Unannehmlichkeiten vermeiden" (eine Annahme, die aufgrund der vom Bf. im Lauf des Administrativverfahrens gemachten Angaben zumindest vertretbar ist). Damit bringt die ZDOK aber nicht ihr eigenes (objektives) Urteil über die Belastung der beiden Dienste zum Ausdruck, sondern jenes des Bf., dem subjektiv - wie die Behörde meint der Zivildienst weniger unangenehm erscheine wie der Wehrdienst.
d) Der VfGH kann der ZDOK also nach Lage des Falles nicht entgegentreten, wenn sie in Prüfung und Wägung der wesentlichen Verfahrensergebnisse, und zwar unter Bedachtnahme auf das bisherige Verhalten des Antragstellers (§6 Abs2 ZDG) sowie auf Grund seiner Argumentation im Administrativverfahren und des von ihm gewonnenen Eindrucks, in freier Beweiswürdigung zur Ansicht gelangte, daß Gewissensgründe nicht (iS des §6 Abs2 ZDG) glaubhaft gemacht wurden (vgl. hiezu die Vorjudikatur, wonach (grundsätzlich) keine Verpflichtung besteht, die auf Grund unmittelbaren persönlichen Eindruckes gebildete Überzeugung vom Beweiswert der Angaben einer Person (näher) zu begründen: zB VfSlg. 9573/1982, 9785/1983, 10529/1985).
e) Abschließend folgt daraus, daß der Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung (§2 Abs1 ZDG) nicht verletzt wurde.
3. Angesichts des Umstandes, daß schließlich auch keine Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm hervorkam, mußte die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden.
4. Da einesteils die hier maßgebenden Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung des VfGH bereits genügend klargestellt sind, andernteils ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht offenkundig nicht verletzt wurde, konnte diese Entscheidung gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B1032.1987Dokumentnummer
JFT_10119775_87B01032_00