Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ASVG §410 Abs1 Z7;Betreff
B-GmbH gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 7. Juli 1989, Zl. 121.094/2-7/1989, betreffend Feststellung der Voraussetzungen des Art. VII Abs. 2 des Nachtschicht-Schwerarbeitsgesetzes (mitbeteiligte Parteien: 1.) Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in
3100 St. Pölten, Dr. Karl Rennerpromenade 14-16,
2.) Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter in 1092 Wien, Roßauer Lände 3; 3.) bis 35.) je ein namentlich genannter Dienstnehmer)
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird - soweit damit über die Berufung der 6., 11., 16., 30., 34. und 35. mitbeteiligten Partei in der Sache selbst abgesprochen worden ist - wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Im übrigen wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Gegenschrift der 11. mitbeteiligten Partei wird zurückgewiesen.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid vom 13. April 1983 sprach die mitbeteiligte Niederösterreichische Gebietskrankenkasse aus, daß insgesamt 35 namentlich genannte Dienstnehmer der Beschwerdeführerin zu bestimmten, im einzelnen näher angeführten Zeiten Nachtschicht-Schwerarbeit im Sinne des Art. VII des Nachtschicht-Schwerarbeitsgesetzes (NSchG), BGBl. 1981/354, verrichtet hätten.
Nach der Begründung habe anläßlich des Inkrafttretens des Nachtschicht-Schwerarbeitsgesetzes bei der Beschwerdeführerin Unklarheit darüber bestanden, ob dieses Gesetz auf die genannten Dienstnehmer anzuwenden sei. Daraufhin habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse das zuständige Arbeitsinspektorat um Vornahme entsprechender Messungen ersucht. Nach längeren Ermittlungen sei das Arbeitsinspektorat mit Schreiben vom 2. Februar 1983 auf Grund des Gutachtens der Sicherheitstechnischen Prüfstelle des Unfallverhütungsdienstes der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt vom 29. Juni 1982 zu dem Ergebnis gelangt, daß alle an den Zinkbadkesseln 101, 102 und 110 arbeitenden Dienstnehmer während ihrer gesamten Arbeitszeit erschwerenden Arbeitsbedingungen im Sinne des Art. VII Abs. 2 Z. 2 NSchG unter Berücksichtigung der im Erlaßweg erfolgten Interpretation dieser Bestimmung ausgesetzt seien. Die Gebietskrankenkasse schließe sich dieser Auffassung an. Da auch die übrigen Voraussetzungen (bestimmte Anzahl von Nachtschichten pro Kalendermonat) erfüllt seien, unterlägen die genannten Dienstnehmer dem Nachtschicht-Schwerarbeitsgesetz.
Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin Berufung erhoben.
1.2. Mit Bescheid vom 11. Februar 1985 gab der Landeshauptmann von Niederösterreich dem Einspruch der Beschwerdeführerin statt und stellte fest, daß die im erstinstanzlichen Bescheid genannten Dienstnehmer in den angeführten Zeiträumen nicht als Nachtschicht-Schwerarbeiter im Sinne des Art. VII NSchG zu gelten hätten.
In der Begründung verwies der Landeshauptmann zunächst auf den Einspruch der Beschwerdeführerin, worin diese die Auffassung vertreten habe, daß der den Art. VII Abs. 2 Z. 2 erläuternde Erlaß des Bundesministers für soziale Verwaltung in Widerspruch zum Gesetzeswortlaut stehe. Nach dem Gutachten der Sicherheitstechnischen Prüfstelle vom 29. Juni 1982 ergebe sich, daß bei den Verzinkungswannen 101, 102, 103 und 110 die Grenzwerte bezüglich der Temperaturbelastung nicht erreicht bzw. überschritten würden. Die Voraussetzungen des Art. VII Abs. 2 Z. 2 NSchG seien daher nicht erfüllt. Die knappen Überschreitungen der effektiven Temperaturkorrekturen (CET) um ein Grad seien Sonderfälle bei der Verzinkung mit Großgehängen, die auf Grund der möglichen Zinkwannenbelastung nur viermal pro 8-Stunden-Schicht möglich seien. Das Bedienungspersonal sei dabei ca. 4 Minuten im Strahlungsbereich des Gehänges. Daraus ergäbe sich eine Expositionszeit (Wärmebelastung) von maximal 5 % der Schichtarbeitszeit. Bei einer solch kurzen Einwirkungsdauer könne auf keinen Fall von "Hitzeperioden" gesprochen werden. Außerdem komme die Verzinkung mit Großgehängen nur zwei- bis dreimal pro Woche vor.
In der weiteren Folge seiner Begründung verwies der Landeshauptmann auf ein von ihm im Zuge des Einspruchsverfahrens eingeholtes Gutachten aus dem Gebiet der Wärme-Gewerbetechnik, aus dem hervorgehe, daß der auf Grund von Lärmmessungen im Betrieb der Beschwerdeführerin ermittelte Wert unter dem im Art. VII Abs. 2 Z. 4 NSchG angeführten Grenzwert liege. Bezüglich der Wärmebelastung habe dieses Gutachten auf der Grundlage der von der Sicherheitstechnischen Prüfstelle (Gutachten vom 29. Juni 1982) ermittelten Daten die Auffassung vertreten, daß die korrigierten Effektivtemperaturen (CET) den Grenzwert im allgemeinen nicht überschritten hätten. Nur bei Großgehängen habe sich infolge der großen Abstrahlungsfläche für den Zeitraum des Heranziehens bzw. Freihängens eine knappe Überschreitung des Grenzwertes ergeben. Die Zeitanteile dieser Phase seien jedoch unterhalb von 50 % der Gesamtablaufszeit gelegen. Ein Gutachten der Sicherheitstechnischen Prüfstelle vom 13. Dezember 1982 habe hinsichtlich der Frage von Schadstoffen in der Atemluft ergeben, daß die höchstzulässige Konzentration für Ammoniak von 35 mg/m3 Luft im Zeitpunkt der Messungen an allen Meßplätzen unterschritten worden sei. Bezüglich der Konzentration an Zinkoxyd liege ein Gutachten der Österreichischen Staub-Silikose-Bekämpfungsstelle vom 27. August 1982 vor, wobei die Konzentration hievon an allen Meßstellen unter dem Grenzwert von 5 mg/m3 Luft gelegen gewesen sei. Hinsichtlich schleimhautreizender Stoffe habe auf Grund von Luftmessungen des zuständigen Arbeitsinspektorates festgestellt werden können, daß die Arbeiter, die am Zinkbadkessel 110 gearbeitet hätten, einer übermäßigen Einwirkung von schleimhautreizenden Dämpfen (Ammoniak und Salzsäure) ausgesetzt seien. Ein Meßbericht oder Gutachten hierüber sei allerdings nicht vorgelegen. Zusammenfassend werde in diesem Gutachten abschließend festgestellt, daß die angeführten Meßwerte nicht die Voraussetzungen des Art. VII NSchG erfüllten, sofern eine getrennte Betrachtung der einzelnen Belastungen durch Lärm, Hitze und Schadstoffe vorgenommen und vorausgesetzt werde, daß Überschreitungen der Grenzwerte oder andere wirkungsgleiche raumklimatische Verhältnisse mindestens während der Hälfte der normalen Arbeitszeit in der Nachtschicht gegeben sein müßten.
Das zuständige Arbeitsinspektorat habe nach Kenntnisnahme der Gutachten die Auffassung vertreten, daß die Kriterien für eine Beurteilung als Nachtschicht-Schwerarbeiter im vorliegenden Fall offensichtlich nicht gegeben seien. Auf Grund dieser Stellungnahme habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erklärt, gegen eine Stattgebung des Einspruches keine Einwände zu erheben.
In der Folge hätten sich 29 der vom Bescheid der Gebietskrankenkasse betroffenen Arbeitnehmer über den zuständigen Betriebsrat gegen die vorstehend wiedergegebenen Ausführungen gewendet und dabei im wesentlichen vorgebracht, eine am 22. Juli 1982 mittels Gasspürgerät vom zuständigen Arbeitsinspektorat durchgeführte Messung habe ergeben, daß schädliche, schleimhautreizende, über den zulässigen Werten liegende Dämpfe vorhanden seien. Die Voraussetzungen des Art. VII Abs. 2 Z. 8 NSchG seien daher im Beschwerdefall gegeben. Es sei unerklärlich, daß nach dem Gutachten der Sicherheitstechnischen Prüfstelle die Grenzwerte der belasteten Hitze nicht überschritten würden, da aus dem Protokoll eindeutig hervorgehe, daß die Globtemperatur - bis auf zwei Ausnahmen - bei allen anderen Arbeitsvorgängen den Grenzwert von 30 Grad C. überschreite. Die diesem Gutachten zu Grunde gelegten Messungen seien auch bloß Kurzzeitmessungen, welche die tatsächliche Hitzeeinwirkung über Wochen und Monate nicht exakt erfassen könne. Dazu komme, daß die Messung bei relativ kühler Außentemperatur stattgefunden habe.
Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Stellungnahme hervorgehoben, daß nach den eingeholten Gutachten die Voraussetzungen für die Anwendung des Nachtschicht-Schwerarbeitsgesetzes offenbar nicht gegeben seien.
Im Erwägungsteil seiner Begründung setzte sich der Landeshauptmann schließlich - auf das wesentlichste zusammengefaßt - mit der Frage auseinander, ob die Dienstnehmer der Beschwerdeführerin Nachtschicht-Schwerarbeit im Sinne der Ziffern 2, 4 bzw. 8 des Art. VII NSchG geleistet hätten. Nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen stehe nur eine Qualifikation nach diesen Ziffern zur Diskussion. Auf der Grundlage des Gutachtens der Sicherheitstechnischen Prüfstelle vom 29. Juni 1982 sei zunächst davon auszugehen, daß die korrigierten Effektivtemperaturen (CET) den Grenzwert im allgemeinen nicht überschritten hätten. Nur bei Großgehängen habe sich infolge der großen Abstrahlungsfläche für den Zeitraum des Heranziehens bzw. Freihängens eine knappe Überschreitung des Grenzwertes ergeben, wobei allerdings die Zeitanteile dieser Phase unterhalb von 50 % der Gesamtablaufszeit gelegen seien. Die Messungen seien im Sinne des Erlasses des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 12. März 1982 bei neutralen Außenklimawerten durchgeführt worden. Die gemessenen Strahlungs- und Temperaturwerte könnten nur auf die Produktion (Mensch-Betriebsmittel) und nicht auf saisonbedingte Variable, wie z.B. Sonneneinstrahlungen, bezogen werden. Da der Landeshauptmann keinerlei Veranlassung sehe, die im Gutachten angeführten Meßdaten und die daraus gezogenen Schlußfolgerungen in Zweifel zu ziehen, komme eine Qualifikation der betreffenden Dienstnehmer als Nachtschicht-Schwerarbeiter nach Art. VII Abs. 2 Z. 2 wegen den Organismus besonders belastender Hitze nicht in Frage.
Da der in Art. VII Abs. 2 Z. 4 NSchG geforderte Schallpegelwert bei dem von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt am 16. Jänner 1981 durchgeführten Lärmmessung nicht erreicht worden sei, scheide die Anwendung dieser Bestimmung ebenfalls aus.
Was das Einwirken von inhalativen Schadstoffen anlange, so sei ein diesbezügliches Gutachten der Sicherheitstechnischen Prüfstelle vom 13. Dezember 1982 zu dem Ergebnis gelangt, daß die auf Grund der Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 29. Juli 1981, BGBl. Nr. 356, errechnete höchstzulässige Konzentration an Ammoniak von 35 mg/m3 Luft zum Zeitpunkt der Messung an allen Meßplätzen im Betrieb der Beschwerdeführerin unterschritten worden sei. Nach einem Gutachten der Österreichischen
Staub-(Silikose-)Bekämpfungsstelle vom 27. August 1982 sei auch die Zinkoxydkonzentration an allen Meßstellen unter dem maßgeblichen Grenzwert von 5 mg/m3 Luft gelegen gewesen. Auch eine Qualifikation der Dienstnehmer als Nachtschicht-Schwerarbeiter im Sinne des Art. VII Abs. 2 Z. 8 NSchG sei daher auf Grund der angeführten Meßdaten gleichfalls nicht möglich. Daran ändere auch der im Gutachten enthaltene Hinweis nichts, daß die Dienstnehmer, die am Zinkbadkessel 110 gearbeitet hätten, einer übermäßigen Einwirkung von schleimhautreizenden Dämpfen (Ammoniak und Salzsäure) ausgesetzt gewesen seien. Denn einerseits lägen diesbezüglich keine genaueren Meßdaten vor und andererseits spreche die maßgebende Gesetzesstelle von einem ständigen gesundheitsschädlichen Einwirken, was offensichlich nicht gegeben sei. Die betroffenen Dienstnehmer hätten daher während der jeweils angeführten Zeiträume nicht als Nachtschicht-Schwerarbeiter nach den Vorschriften des Art. VII NSchG zu gelten.
Gegen diesen Bescheid hat der Rechtsschutzsekretär der Gewerkschaft Metall-Bergbau-Energie Z "im Vollmachtsnamen" von 33 näher bezeichneten Dienstnehmern (3. bis 35. mitbeteiligte Partei) Berufung erhoben.
1.3.1. Die belangte Behörde forderte mit Schreiben vom 10. Mai 1985 Z auf, binnen zwei Wochen eine schriftliche Vollmacht der Dienstnehmer vorzulegen, andernfalls dies als Zurückziehung der Berufung gewertet werde. Diesem Ersuchen wurde mit Schriftsatz vom 17. Mai 1985 entsprochen, wobei jedoch für die 6., 11., 16., 30., 34. und 35. mitbeteiligten Dienstnehmer jeweils eine Unterschrift fehlte. Statt dessen wurde darauf hingewiesen, daß die betreffenden Dienstnehmer ausgetreten bzw. in Pension seien.
Im Rahmen eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens veranlaßte die belangte Behörde daraufhin die Vernehmung von 21 Dienstnehmern. Diese gaben dabei unter anderem folgende Äußerungen zu Protokoll: "Ich bin während der Schichtarbeit ständig einer erhöhten Temperatur von mehr als 30 Grad ausgesetzt. Wenn der Korb mit dem verzinkten Material herausgehoben wird, beträgt die Temperatur sicher
60 - 70 Grad." "Ich bin während der Arbeit auf jeden Fall einer
erhöhten Temperatur (mindestens 50 Grad) ausgesetzt." "Ich gebe an, daß die Hitzebelastung, vor allem im Sommer, Temperaturen von 30 Grad auf jeden Fall überschreitet." "Während meiner Schicht bin ich einer Hitze von mehr als 50 Grad C. ausgesetzt. Im Sommer ist die Wärmebelastung stärker." "Während der angeführten Zeiträume war ich einer Hitzebelastung von bis zu 50 Grad Celsius ausgesetzt (besonders im Sommer)." "Ich bin seit April 1986 in Pension, kann mich jedoch erinnern, daß ich die ganze Zeit während meiner Tätigkeit bei der Firma als Schichtarbeiter ständig (alle 8 Arbeitsstunden pro Tag) und zu jeder Schicht einer Temperatur von bis zu 40 Grad ausgesetzt war."
1.3.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung aller 33 Dienstnehmer Folge gegeben und festgestellt, daß sie während der jeweils angeführten Zeiträume als Nachtschicht-Schwerarbeiter nach den Vorschriften des Art. VII Abs. 2 Z. 2 NSchG zu gelten hätten.
In der Begründung wurde nach einer gerafften Darstellung des bisherigen Verfahrensgeschehens und einer Wiedergabe der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen die Auffassung vertreten, aus den Aussagen der betreffenden Dienstnehmer gehe übereinstimmend hervor, daß sie während der gesamten Schicht einer Hitze von 45 bis 60 Grad Celsius ausgesetzt seien. Diese Hitzebelastung habe für alle 3 Schichten gleichermaßen, jeweils für die gesamte Arbeitszeit innerhalb einer Schicht bestanden, womit dem Art. VII Abs. 2 Z. 2 NSchG voll entsprochen werde.
1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
1.5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse und 27 der mitbeteiligten Dienstnehmer haben ebenfalls eine Gegenschrift erstattet. Darauf hat die Beschwerdeführerin mit einer Gegenäußerung erwidert.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1.1. Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens besteht im wesentlichen nur Streit über die Frage, ob die bei der Beschwerdeführerin beschäftigten mitbeteiligten Dienstnehmer bei ihrer Nachtschichtarbeit im Sinne des Art. VII Abs. 1 NSchG erschwerten Bedingungen nach Abs. 2 Z. 2 dieser Bestimmung ausgesetzt sind.
Art. VII Abs. 2 Z. 2 NSchG hat folgenden Inhalt:
"(2) Nachtschicht-Schwerarbeit leistet jedenfalls ein Dienstnehmer im Sinne des Abs. 1, der unter einer der folgenden
Bedingungen arbeitet:
2. bei den Organismus besonders belastender Hitze (das ist bei einer durch Arbeitsvorgänge verursachten Lufttemperatur von 30 Grad Celsius bei 50 % relativer Luftfeuchtigkeit am Arbeitsplatz sowie bei anderen wirkungsgleichen oder ungünstigeren raumklimatischen Verhältnissen am Arbeitsplatz), sofern die Hitzeeinwirkung regelmäßig mindestens während der halben normalen Arbeitszeit gegeben ist;"
2.1.2. Sofern die Beschwerdeführerin die Auffassung vertritt, die mitbeteiligten Dienstnehmer wären mangels Parteistellung zur Erhebung einer Berufung nicht berechtigt gewesen, kann ihr darin nicht beigepflichtet werden. Gemäß § 8 AVG 1950 sind Personen, die an einer Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang in einem ebenfalls das Nachtschicht-Schwerarbeitsgesetz betreffenden Erkenntnis vom 9. April 1987, Zl. 85/08/0027, die Auffassung vertreten, auch ein Dienstnehmer könne die Feststellung der sich für ihn aus dem Nachtschicht-Schwerarbeitsgesetz (jedenfalls für Belange der Sozialversicherung) ergebenden Rechte und Pflichten verlangen. Dem Dienstnehmer muß daher auch das Recht zugebilligt werden, gegen einen seinen Vorstellungen nicht entsprechenden Bescheid Berufung erheben zu können.
Die Beschwerdeführerin hält es auch für möglich, daß der Rechtsschutzsekretär der Gewerkschaft Z von den betroffenen Dienstnehmern gar nicht bevollmächtigt worden sei, für diese Berufung zu erheben. Ohne Vollmacht wäre es auch nicht zu einer fristgerechten Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes gekommen, weshalb dessen Bescheid in Rechtskraft erwachsen wäre. Für diese Vermutung spreche etwa, daß dem 30. mitbeteiligten Dienstnehmer der Bescheid des Landeshauptmannes gar nicht habe zugestellt werden können, da er bereits in seine Heimat zurückgekehrt sei. Dennoch scheine auch dieser Dienstnehmer als Berufungswerber auf.
Diesem Vorbringen ist zunächst zu erwidern, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Vertreter schon im Zeitpunkt seines Handelns zumindest schlüssig zu erkennen geben muß, daß er als Vertreter einer bestimmten anderen Person tätig wird (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. Oktober 1989, Zl. 89/03/0153). Dem entspricht die vorgelegte Berufungsschrift insofern, als Z ausdrücklich darauf hingewiesen hat, "im Vollmachtsnamen" der betreffenden Dienstnehmer Berufung zu erheben. Mit Schriftsatz der belangten Behörde vom 10. Mai 1985 wurde ihm daraufhin aufgetragen, binnen einer Frist von zwei Wochen eine schriftliche Vollmachtsurkunde vorzulegen, andernfalls dies als Zurückziehung der Berufung gewertet werde. Diesem Auftrag entsprach Z mit Schriftsatz vom 17. Mai 1985, wobei jedoch (wie bereits unter Punkt 1.3.1. dargestellt) für die 6., 11., 16., 30., 34. und 35. mitbeteiligten Dienstnehmer jeweils eine Unterschrift fehlte. Die Behebung dieses Formgebrechens hatte daher für die die Vollmacht unterfertigenden Dienstnehmer zur Folge, daß ihr Anbringen (Berufung) als ursprünglich richtig eingebracht anzusehen ist (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 7. Juli 1989, Zl. 89/02/0071). Den übrigen genannten Dienstnehmern gegenüber erwuchs jedoch die Entscheidung des Landeshauptmannes in Rechtskraft, weshalb ihre Berufungen - wie die Beschwerdeführerin zutreffend erkannt hat - von der belangten Behörde zurückzuweisen gewesen wären. Die meritorische Erledigung dieser Berufungen durch die belangte Behörde erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig. Der angefochtene Bescheid war daher insofern gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die vom 11. Mitbeteiligten erhobene Gegenschrift war aus diesen Überlegungen zurückzuweisen.
2.2. Wenn die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer mangelhaften Beweiswürdigung rügt, die subjektiven Empfindungen der Dienstnehmer seien in der Begründung des angefochtenen Bescheides ohne nähere Würdigung als objektive Tatsachenfeststellungen übernommen worden, so kommt auch diesem Vorbringen Berechtigung zu. Nach § 60 AVG 1950 sind die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen und die darauf gegründete Beurteilung der Rechtslage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Diesen Erfordernissen wird der angefochtene Bescheid jedoch nicht in ausreichendem Maße gerecht.
Abgesehen von der Frage der mangelnden Gelegenheit zur Geltendmachung der rechtlichen Interessen der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde sind die auf bloß subjektivem Empfinden beruhenden Aussagen der betroffenen Dienstnehmer zur Klärung der Frage, ob den Organismus besonders belastende Hitze im Sinne des Art. VII Abs. 2 Z. 2 NSchG im Betrieb der Beschwerdeführerin gegeben war oder nicht, grundsätzlich völlig ungeeignet. Ob nämlich die vom Gesetz verlangten erschwerten Arbeitsbedingungen, also 30 Grad Celsius bei 50 % relativer Luftfeuchtigkeit, vorlagen oder nicht, kann nur durch objektivierbare Meßverfahren und nicht durch in keiner Weise nachprüfbare Aussagen der betroffenen Dienstnehmer geklärt werden. (Mit der Frage, ob nicht andere wirkungsgleiche oder ungünstigere raumklimatische Verhältnisse gegeben waren, hat sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt.) Daß die von den Dienstnehmern behaupteten Temperaturen nicht bloß auf subjektivem Empfinden beruhen, sondern mit Hilfe geeigneter Meßintrumente festgestellt wurden, ist den Aussagen an keiner Stelle zu entnehmen. Aufgabe der belangten Behörde wäre es gewesen, auf der Grundlage der vorhandenen Gutachten in einer die nachprüfende Kontrolle ausreichend ermöglichenden Weise darzulegen, ob die vom Gesetz geforderten Voraussetzungen gegeben waren oder nicht. Dabei hätte sie sich etwa - unter Zuhilfenahme weiterer Gutachten - mit der bereits im Einspruch aufgeworfenen Frage auseinanderzusetzen gehabt, ob die im Gutachten der Sicherheitstechnischen Prüfstelle genannten Werte der vom Gesetz geforderten Lufttemperatur von 30 Grad Celsius entsprechen. Dieses Gutachten verwendet die Begriffe "Globtemperatur" und "korrigierte Effektivtemperatur (CET)", ohne im einzelnen darzulegen, welcher Wert dem vom Gesetz verwendeten Begriff entspricht. Sollten die dem Gutachten der Sicherheitstechnischen Prüfstelle zu entnehmenden Werte zu einer Beurteilung der offenen Fragen nicht ausreichen, könnte - unter der Voraussetzung von unveränderten Produktionsbedingungen - auch ein Gutachten neueren Datums eingeholt werden, aus dem dann Rückschlüsse auf die streitgegenständlichen Zeiträume zu ziehen wären. In diesem Zusammenhang sei auch daran erinnert, daß in der Berufung die Behauptung aufgestellt worden ist, die besonders belastenden Arbeitsvorgänge dauerten wesentlich länger als ursprünglich angenommen. Mit dieser, einer Parteieinvernahme zugänglichen Frage, hat sich die belangte Behörde jedoch nicht auseinandergesetzt.
2.4. Auf Grund dieser Erwägungen belastete die belangte Behörde ihre Entscheidung insofern mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin einzugehen war.
2.5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung 1989/206, wobei Schriftsatzaufwand nur in Höhe des beantragten Umfanges zugesprochen werden konnte.
Schlagworte
Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietVerbesserungsauftrag Bejahung EinschreiterVerbesserungsauftragBeginn Vertretungsbefugnis VollmachtserteilungVerbesserungsauftrag Bejahung BerufungsverfahrenAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheidenachträgliche VollmachtserteilungSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle WahrheitBeweiswürdigung Wertung der BeweismittelVoraussetzungen des Berufungsrechtes Berufungslegitimation Person des BerufungswerbersFormgebrechen behebbare VollmachtsvorlageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990080054.X00Im RIS seit
25.01.2001Zuletzt aktualisiert am
18.06.2010