TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/16 87/05/0063

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Veröffentlicht am 16.10.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 lita;
VwRallg;
ZustG §17 Abs2;
ZustG §21 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Hans N gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 27. Jänner 1987, Zl. X-N-1/11-86, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Gemeinde X Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde, mit dem der Berufung des Beschwerdeführers gegen eine seinem Nachbarn erteilte Baubewilligung nur teilweise stattgegeben worden war, wurde am 5. November 1986 an der Anschrift des Beschwerdeführers in B Nr. 62 hinterlegt. Dagegen erhob er eine mit 19. November 1986 datierte, am 20. November zur Post gegegebene Vorstellung an die belangte Behörde. Auf Vorhalt, daß die Vorstellung verspätet eingebracht worden sei, antwortete der Beschwerdeführer, daß die Verständigung über die Hinterlegung von seiner Ehefrau erst am 7. November 1986 im Wohnzimmer beim Aufräumen aufgefunden worden sei. Er habe daher keine Möglichkeit gehabt, von der Hinterlegung früher Kenntnis zu erlangen. Offensichtlich sei die Verständigung über die Hinterlegung in einem der offenen Fenster seines Wohnhauses zurückgelassen worden.

Der hiezu vernommene Postbeamte sagte als Zeuge aus, daß er die Verständigung gemäß § 17 Abs. 2 des Zustellgesetzes an der Abgabestelle zurückgelassen habe. Es habe die Vereinbarung mit der Familie des Beschwerdeführers bestanden, daß er alle Sendungen durch das hiefür geöffnete Fenster einwerfe. Ein Postkasten sei nicht vorhanden, sodaß das Fenster als Briefeinwurf gelte.

Diese Aussage wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, ohne daß dieser eine Erklärung hiezu abgab.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Berufungsbescheid als verspätet zurück. Dabei ging sie davon aus, daß die Berufungsentscheidung am Mittwoch, dem 5. November 1986, gemäß § 17 Abs. 1 des Zustellgesetzes hinterlegt und mit gleichem Tag die Sendung zur Abholung bereitgehalten worden sei. Gemäß § 17 Abs. 3 leg. cit. gälten hinterlegte Sendungen mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Gemäß § 32 Abs. 2 AVG 1950 habe die zweiwöchige Frist zur Einbringung der Vorstellung somit am Mittwoch, dem 19. November 1986 geendet. Die am 20. November 1986 zur Post gegebene Vorstellung sei daher als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Sowohl die belangte Behörde als auch die mitbeteiligte Gemeinde erstatteten Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 1 des Zustellgesetzes (ZustG) ist eine Sendung, die an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann, im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt zu hinterlegen, wenn der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Nach § 17 Abs. 2 leg. cit. ist von der Hinterlegung der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

Der Beschwerdeführer bestreitet weder, daß die Voraussetzungen für die Hinterlegung im Sinne des § 17 Abs. 1 ZustG vorgelegen waren, noch daß die Verständigung die gesetzlichen Angaben enthielt. Unbestritten ist auch, daß ein Briefkasten an der Abgabestelle nicht vorhanden war. Der Beschwerdeführer meint lediglich, daß die Hinterlegungsanzeige an keiner der im Gesetz genannten Stellen angebracht gewesen sei, weil das Zustellorgan die Hinterlegungsanzeige durch ein geöffnetes Fenster in sein Haus geworfen habe. Zu der vom Zusteller als Zeugen deponierten "Vereinbarung" über den Einwurf von Postsendungen durch das Fenster führte der Beschwerdeführer - erstmals in der Beschwerde - an, daß sich dies lediglich auf "unwichtigere Poststücke" erstreckt habe, keinesfalls aber Behördenschriftstücke oder gar Hinterlegungsanzeigen davon umfaßt seien.

Dem Beschwerdeführer ist zuzugeben, daß die gesetzlichen Vorschriften über die Zustellung, auch über die Form der Zurücklassung der Hinterlegungsanzeige durch eine Vereinbarung zwischen Postzusteller und Empfänger nicht geändert werden können. In seinen Ausführungen übersieht der Beschwerdeführer jedoch, daß § 17 Abs. 2 ZustG ausdrücklich die "Zurücklassung an der Abgabestelle" als Möglichkeit jedenfalls in Ermangelung eines Briefkastens vorsieht. Im vorliegenden Fall hat der Zusteller die Hinterlegungsanzeige in der Wohnung des Beschwerdeführers, also an der Abgabestelle, zurückgelassen, was umso weniger bedenklich ist, als dies zumindestens der Übung bei der Zustellung von Postsendungen entsprach. Wenn der Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde die Behauptung aufstellt, daß diese Übung nur eingeschränkt galt, ohne daß er dies bereits aus Anlaß des gewährten Parteiengehörs vor der belangten Behörde vorgebracht hat, so handelt es sich dabei um eine gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung, sodaß die Erheblichkeit dieses Vorbringens nicht mehr weiter geprüft werden muß.

Der Gerichtshof tritt daher der Rechtsansicht der belangten Behörde bei, daß unter den gegebenen Umständen der Einwurf der Hinterlegungsanzeige durch das Fenster in die Wohnung des Beschwerdeführers als Zurücklassung an der Abgabestelle anzusehen ist. Wenn der Beschwerdeführer darauf hinweist, daß die Anzeige nur durch Zufall (zwei Tage nach dem Einwurf) aufgefunden worden sei, und bei dieser Vorgangsweise überhaupt keine Sicherheit bestanden hätte, daß ihm die Anzeige zur Kenntnis gelange, ist darauf hinzuweisen, daß die Zustellung einer Hinterlegungsanzeige zwar von der Ordnungsgemäßheit des Zustellvorganges, nicht aber davon abhängt, daß sie dem Empfänger zur Kenntnis gelangt. Sollte trotz ordnungsgemäßer Zustellung dem Empfänger eine Hinterlegung nicht zur Kenntnis gelangt sein, so stünde ihm für diesen Fall das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 71 AVG 1950) zur Verfügung. Im Beschwerdefall bestand jedoch kein Hindernis für den Beschwerdeführer, die Vorstellung rechtzeitig einzubringen, da ihm die Hinterlegung ja zwölf Tage vor Ablauf der Vorstellungsfrist zur Kenntnis gelangt ist.

Da sohin die belangte Behörde durch den angefochtenen Bescheid Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt hat, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1987050063.X00

Im RIS seit

11.12.2001

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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