TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/17 90/01/0156

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Veröffentlicht am 17.10.1990
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde des A gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Mai 1990, Zl. 4.226.468/5-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, reiste am 16. April 1987 in das Bundesgebiet ein und stellte am gleichen Tag Asylantrag. Bei der niederschriftlichen Einvernahme am 21. Mai 1987 gab er im wesentlichen an, er habe als Sympathisant der PKK deren Mitglieder mit Proviant versorgt, weshalb er in seinem Heimatland verfolgt worden sei. Seit dem Jahre 1980 sei sein Dorf stets vom türkischen Militär heimgesucht worden. In dieser Zeit sei er etwa drei- bis viermal festgenommen, verhört und geschlagen worden. Man habe versucht, ihn über Verstecke und Waffen der PKK auszufragen, überdies hätte er zugeben sollen, daß er die PKK unterstütze. Er habe jedoch alles bestritten. Im Jahre 1986 habe er Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft gegen die "Überfälle" des türkischen Militärs erhoben. Daraufhin sei seine Lage in seinem Dorf noch schlechter geworden und seine Familie habe deshalb das Dorf verlassen. Damals hätte er den Entschluß gefaßt, die Türkei zu verlassen.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. Juni 1987 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling ist.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im wesentlichen ausführte, die Kurden seien in der Türkei nicht als eigene Nationalität anerkannt. Deshalb befürchte er in der Türkei verfolgt zu werden, wenn er sich zu ihrer Nationalität bekennen würde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Von einer wohlbegründeten Furcht, so wird in der Begründung dieses Bescheides ausgeführt, könne erst gesprochen werden, wenn die Zustände im Heimatland auch aus objektiver Sicht dergestalt seien, daß ein weiterer Verbleib des Asylwerbers in seinem Heimatland aus den in der Konvention genannten Gründen unerträglich geworden sei. Übergriffe der militärischen Macht, denen grundsätzlich die gesamte Zivilbevölkerung der betreffenden Region ausgesetzt sei, seien, wenn sie nicht durch in der Person des durch einen derartigen Übergriff Betroffenen gelegenen Gründe im Sinne der Konvention motiviert seien, nicht als Verfolgung im Sinne der Konvention anzusehen. Die Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer Minderheit allein könne nicht als Grund für seine Anerkennung als Konventionsflüchtling angesehen werden. Voraussetzung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sei, daß den vom Asylwerber im Laufe des Verwaltungsverfahrens vorgebrachten Argumenten zu entnehmen sei, "er müsse konkrete Verfolgung oder Furcht vor Verfolgung befürchten". Dies liege hier nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht als Flüchtling anerkannt zu werden, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968 über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 126 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne des Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers ist berechtigt. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers geht entgegen der Ansicht der belangten Behörde unmißverständlich hervor, daß gegen den Beschwerdeführer konkrete Verfolgungshandlungen (Festnahme und Schläge) gesetzt worden sind. Mit diesen behaupteten, konkreten Verfolgungshandlungen gegen den Beschwerdeführer hat sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt. Diese Verfolgungshandlungen können auch nicht als Übergriffe der militärischen Macht, denen die gesamte Zivilbevölkerung der betreffenden Region ausgesetzt sei, beurteilt werden. Im Aufgezeigten liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel.

Der angefochtene Bescheid mußte schon aus den angeführten Gründen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufgehoben werden, weil nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Verfahrensfehler zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil im pauschalierten Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990010156.X00

Im RIS seit

17.10.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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