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63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;Norm
BDG 1979 §110 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des N gegen Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 4. Juli 1990, Zl. 41/28-DK/45/90, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Gendarmeriebeamter (Abteilungsinspektor) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; mit Wirksamkeit vom 1. Oktober 1988 wurde der Beschwerdeführer vom Gendarmerieposten A zum Gendarmerieposten B versetzt und als Postenkommandant eingeteilt.
Auf Grund dessen hatte der Beschwerdeführer - soferne die Tatbestandsvoraussetzungen gegeben waren - Anspruch auf Gebühren nach § 34 RGV 1955.
Nach den Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift wurde dem Beschwerdeführer mit "LGK-Befehl" vom 17. November 1988 ein Trennungszuschuß in der gesetzlich vorgesehenen Höhe für die Zeit vom 1. Oktober 1988 bis 31. März 1989 (Tagesgebühr und der Ersatz der täglichen Fahrtauslagen in Form einer Monatsstreckenkarte der ÖBB) "gewährt".
In seiner an das Landesgendarmeriekommando für Niederösterreich gerichteten Reiserechnung vom 30. November 1988 machte der Beschwerdeführer - nach Abzug der Kosten für eine VOR-Monatsstreckenkarte - u.a. fünf Nächtigungsgebühren geltend. Der diensthabende Bezirksgendarmeriekommandant bestätigte auf dieser Reiserechnung, daß dem Beschwerdeführer an den Tagen, an denen Nächtigungsgebühr verrechnet wurde, vor Beginn bzw. nach Ende des Dienstes kein Massenbeförderungsmittel für die Anreise bzw. Heimfahrt zur Verfügung gestanden sei bzw. "eine elfstündige Ruhezeit nicht gewährleistet gewesen war und der Beamte tatsächlich im Dienstort genächtigt hat". Bei Vorlage der Reiserechnung für November 1988 wurde der vorher unter Anführungenzeichen wiedergegebene Passus nicht bestätigt.
Mit Landesgendarmeriekommando-Befehl vom 4. August 1989 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, einen glaubhaften Nachweis darüber zu erbringen, wo, bei wem und wann er privat genächtigt habe, welche Auslagen dadurch entstanden seien und wer diese Angaben bezeugen könne.
In einer Stellungnahme vom 28. August 1989 brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, die Dienstbehörde könne von ihm diese Nachweise nicht verlangen, weil die Reisegebührenvorschrift dem Prinzip der pauschalen Abgeltung des Mehraufwandes folge und er Anspruch auf die Gebühren nach § 34 RGV 1955 habe; für den Fall der Nichtauszahlung beantrage er bescheidmäßige Absprache darüber.
Daraufhin wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben der Dienstbehörde vom 12. September 1989 mitgeteilt, daß die Reisegebührenvorschrift eine Anweisung von Nächtigungsgebühren, ohne daß im Dienstort tatsächlich eine Nächtigung erfolgt und dadurch ein Mehraufwand enstanden sei, nicht vorsehe und der Beschwerdeführer nochmals aufgefordert, bekanntzugeben, wann und wo er im Dienstort in der Zeit von Oktober 1988 bis März 1989 eine Nachtunterkunft in Anspruch genommen habe.
Nach einem weiteren Schriftwechsel stellte die Dienstbehörde erster Instanz mit Bescheid vom 12. Oktober 1989 fest, daß dem Beschwerdeführer keine Nächtigungsgebühr zustehe, weil er den Beweis darüber schuldig geblieben sei, im Dienstort tatsächlich genächtigt zu haben.
Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Zentralstelle vom 8. Mai 1990 mit der Begründung abgewiesen, daß den Beschwerdeführer das Verschulden am Nichterlangen einer zumutbaren Wohnung im Dienstort treffe (- dagegen ist eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof unter Zl. 90/12/0191 anhängig -).
Im Zuge der Bearbeitung der Berufung des Beschwerdeführers in der für ihn zuständigen Zentralstelle wurde die Dienstbehörde erster Instanz mit ergänzenden Erhebungen beauftragt und in diesem Schreiben vom 29. November 1989 der Verdacht gerichtlich strafbarer Handlungen des Beschwerdeführers durch die vorher dargestellte Vorgangsweise geäußert.
Am 20. Dezember 1989 wurde daraufhin mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift als Verdächtiger mit folgendem Inhalt aufgenommen:
"Ich habe bei Erstellung der Reiserechnungen nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Ich vertrete in dieser Angelegenheit eine andere Rechtsmeinung als die Dienstbehörde - siehe beiliegende Stellungnahmen meines Rechtsvertreters beim ÖGB-Göd. Hinsichtlich der Auslegung solcher Bestimmungen, die Ansprüche nach der RGV beinhalten, kann eine Weisung der Dienstbehörde dem Bediensteten keine bestimmte Auslegung vorschreiben. Ein Mißbrauch der Amtsgewalt kann mit diesem Sachverhalt meines Erachtens nicht gegeben sein."
Mit Schreiben vom 21. Dezember 1989 erstattete die Dienstbehörde erster Instanz Anzeige an die Staatsanwaltschaft Wien, die ab 20. März 1990 die Vorerhebungen einleitete, die Anzeige aber laut Mittelung vom 5. Juli 1990 gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurücklegte.
Die belangte Behörde leitete mit dem angefochtenen Bescheid am 4. Juli 1990 gegen den Beschwerdeführer (und gegen den Beamten, der die Reiserechnung des Beschwerdeführers für Oktober 1988 bestätigt hatte) gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 das Disziplinarverfahren ein. Der Spruch des angefochtenen Bescheides - soweit er sich auf den Beschwerdeführer bezieht - lautet wie folgt:
Der Beschwerdeführer "wird beschuldigt, er habe für die Monate Oktober 1988 bis März 1989 vorsätzlich ungebührlich Nächtigungsgebühren zur Verrechnung vorgelegt.
Der Beamte ist verdächtig, über seine strafgerichtliche Verantwortlichkeit hinaus auch seine Dienstpflichten nach den §§ 43 Abs. 1 und 2 sowie 44 Abs. 1 BDG 1979 hinsichtlich der Verpflichtung zur Beachtung der geltenden Rechtsordnung und zur Erhaltung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben sowie zur Befolgung von Weisungen in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Gendarmeriedienstinstruktion (GDI), den Bestimmungen der Reisegebührenvorschrift und den einschlägigen LGK-Befehlen, E-Nr. 4049/79 vom 4. April 1979, E-Nr. 6221/78 vom 29. August 1978 und GZ 8113/10-5/86 vom 27. Juni 1986 im Sinne des § 91 BDG 1979 schuldhaft verletzt zu haben."
Zur Begründung wird ausgeführt, die dem Beschwerdeführer angelasteten Dienstpflichtverletzungen beruhten auf der von der Dienstbehörde gemäß § 110 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979 vorgelegten Disziplinaranzeige des Bezirksgendarmeriekommandos Wien-Umgebung vom 15. Mai 1990, die samt den dazugehörigen Beilagen dem Beschwerdeführer gemäß § 109 Abs. 3 BDG 1979 zugestellt worden sei.
In weiterer Folge wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides der bereits vorher wiedergegebene Umstand der Versetzung des Beschwerdeführers und der "Gewährung" von Reisegebühren dargestellt, wobei ausgeführt wird, daß im Sinne einschlägiger Erlässe die Nächtigungsgebühr nur gewährt werde, wenn der Beamte im Dienstort nächtigen müsse.
Der Beschwerdeführer habe aber eine Reiserechnung über Nächtigungsgebühren für den Monat Oktober 1988 dem Stellvertreter des Bezirksgendarmeriekommandanten vorgelegt, worauf ihm die Gebühren auf Grund einer diesbezüglichen Bestätigung durch den genannten Vorgesetzten von der Dienstbehörde angewiesen worden seien. Dementgegen seien jedoch die Voraussetzungen der tatsächlichen Nächtigung im Sinne des Erlasses nicht vorgelegen. Im Zuge eines späteren diesbezüglichen Ermittlungsverfahrens durch die Dienstbehörde habe der Beschwerdeführer keinerlei Angaben darüber gemacht, ob, wann und wo er im Dienstort genächtigt habe. Für die Monate November 1988 bis März 1989 habe der Beschwerdeführer auf die gleiche ungebührliche Weise Nächtigungsgebühren verrechnet und darüber Verzeichnisse dem Bezirksgendarmeriekommandanten zur Unterschrift vorgelegt. Dieser habe jedoch den Passus ".... bzw. eine ununterbrochene elfstündige Ruhezeit im Wohnort nicht gewährleistet war und der Beamte tatsächtlich im Dienstort genächtigt hat" gestrichen. Daher sei es zu keiner Auszahlung dieser vom Beschwerdeführer unrechtmäßig geforderten Gebühren gekommen.
Nach Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 43 Abs. 1, 44 Abs. 1 und 45 Abs. 1 BDG 1979 sowie des § 8 der Gendarmeriedienstinstruktion führt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter aus, § 34 RGV 1955 und die dazu ergangenen "LGK-Befehle und Erlässe" erläuterten die Voraussetzungen für den Bezug des Trennungszuschusses bzw. der Trennungsgebühr.
Da auf Grund der Aktenlage der Verdacht bestehe, daß der Beschwerdeführer gegen die angeführten Bestimmungen verstoßen habe, sei ein Disziplinarverfahren gegen ihn einzuleiten, das erst nach Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien bzw. der Staatsanwaltschaft Wien weiterzuführen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Gerichtshof sieht sich der Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid dadurch verletzt, daß gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird, obgleich keine schuldhafte Dienstpflichtverletzung nach § 91 BDG 1979 vorliegt und gemäß § 94 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 Verjährung eingetreten ist, und zwar durch unrichtige Anwendung dieser Normen in Verbindung mit den §§ 43, 44 leg. cit, sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung und die Bescheidbegründung.
Eine Rechtswidrigkeit erblickt der Beschwerdeführer darin, daß die belangte Behörde zur Verjährungsfrage keine Feststellungen getroffen habe, obwohl die Möglichkeit einer Verjährung erkennbar gewesen sei und diese Frage vor Beschlußfassung über die Einleitung des Verfahrens vor der Disziplinarkommission hätte geklärt werden müssen. Die wesentlichen Tatsachen seien der Dienstbehörde spätestens durch die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 28. August 1989 vollständig bekannt gewesen. Die Einleitung des Disziplinarverfahrens hätte daher bis spätestens Ende Feber 1990 erfolgen müssen. Eine Hemmung der Verjährung im Sinne des § 94 Abs. 2 Z. 1 BDG 1979 habe schon deshalb nicht eintreten können. Darüber hinaus fehle dem Einleitungsbeschluß das wesentliche Element eines den Beschwerdeführer treffenden Verschuldens. Ein solches sei nicht gegeben; im angefochtenen Bescheid würden nicht einmal Tatsachen oder Verdachtsmomente behauptet, aus denen sich ein Verschulden ableiten ließe.
Die Beschwerde ist begründet.
Gemäß § 91 BDG 1979 ist nur der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, disziplinär zur Verantwortung zu ziehen.
Nach § 94 Abs. 1 BDG 1979 darf der Beamte wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht
1. innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem der Disziplinarbehörde die Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt ist, oder
2. innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung,
eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission eingeleitet wurde.
Disziplinarbehörden sind nach § 96 BDG 1979 die Dienstbehörden, die Disziplinarkommissionen und die Disziplinaroberkommission. Welche Behörden Dienstbehörden sind, bestimmt § 2 DVG, welcher als Zuständigkeitssnorm auch im neunten Abschnitt des BDG 1979 anwendbar ist. § 1 Abs. 1 Z. 22 DVV 1981 überträgt die Aufgaben der Dienstbehörde in Disziplinarsachen den nachgeordneten Dienstbehörden. Gemäß § 2 Z. 5 lit. c DVV 1981 sind im Bereich des Bundesministeriums für Inneres die Landesgendarmeriekommanden nachgeordnete Dienststellen in diesem Sinne (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. November 1989, Zl. 89/09/0112).
§ 118 Abs. 1 BDG 1979 sieht vor, daß das Disziplinarverfahren mit Bescheid einzustellen ist, wenn
1. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen,
2. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt,
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder
4. die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken.
Nach § 123 Abs. 1 BDG 1979 hat der Vorsitzende der Disziplinarkommission nach Einlangen der Disziplinaranzeige die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist.
Liegen offenkundig die Voraussetzungen für die Einstellung des Disziplinarverfahrens vor, dann ist gemäß § 118 BDG 1979 vorzugehen und nicht ein Einleitungsbeschluß nach § 123 BDG 1979 zu fassen.
§ 94 Abs. 1 BDG 1979 stellt auf die "Kenntnis" eines Verhaltens des Beamten ab, das den Verdacht einer schuldhaften Verletzung von Dienstpflichten nahelegt.
Erlangt, wie im Beschwerdefall, die Dienstbehörde, die nach § 96 BDG 1979 zu den Disziplinarbehörden zählt, von einem Sachverhalt, der den begründeten Verdacht einer Dienstpflichtverletzung erfüllt, "Kenntnis", so muß sie entweder binnen sechs Monaten eine Disziplinarverfügung erlassen oder die Anzeige an die Disziplinarkommission so rechtzeitig weiterleiten, daß von dieser binnen der genannten Frist noch ein Einleitungsbeschluß gefaßt werden kann. Nach Ablauf dieser Frist ist die Tat verjährt, soweit nicht § 94 Abs. 2 BDG 1979 in Betracht kommt. Nur wenn der Einleitungsbeschluß rechtzeitig von der Disziplinarkommission erlassen wird, kann die Tat nicht mehr verjähren. Maßgebend für den Beginn der sechsmonatigen Verjährungsfrist ist die Kenntnis
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NICHT DAS KENNENMÜSSEN - der Dienstbehörde von Tatsachen, die zur Annahme berechtigen, ein konkretes Verhalten eines Beamten falle unter einen disziplinär zu ahndenden Tatbestand. "Kenntnis erlangt" die Dienstbehörde in einer die Frist des § 94 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 in Lauf setzenden Weise, wenn sie
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von dem später allenfalls als Dienstvergehen zu würdigenden Verhalten des Beamten - ausreichend Mitteilung erhält, wobei nur das auf sicheren Grundlagen beruhende Wissen über bestimmte Tatsachen maßgebend ist. Nicht entscheidend ist eine zutreffende rechtliche Subsumtion, also die Kenntnis davon, daß die bekanntgewordenen Tatsachen einen disziplinär zu ahndenden Tatbestand erfüllen (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. November 1989, Zl. 89/09/0112).
Eine Einschränkung dahin, daß es bei der Kenntnis durch die Dienstbehörde darauf ankommt, daß jene Fachabteilung (Unterorganisationseinheit), die nach der Geschäftseinteilung für die Beurteilung von Disziplinarfällen zuständig ist, Kenntnis erlangt haben muß, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Vorausgesetzt, daß die entscheidende Information an die Dienstbehörde und nicht bloß an eine Fachabteilung derselben gerichtet war, liegt die Verantwortung dafür, daß die für die Disziplinarangelegenheiten zuständige Fachabteilung Kenntnis erlangt, im Rahmen der Organisationsgewalt der Dienstbehörde (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1990, Zlen. 90/09/0051, 0056). Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher der von Schwabl-Chilf vertretenen gegenteiligen Ansicht (vgl. Disziplinarrecht2 (1989) § 94 Anm 5) nicht zu folgen.
Aus dem Gesetzeswortlaut des § 123 Abs. 1 BDG 1979 (arg.: ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist) in Verbindung mit § 118 Abs. 1 BDG 1979 (arg.: Das Disziplinarverfahren ist mit Bescheid einzustellen) folgt, daß die Disziplinarkommission die Verpflichtung trifft, sich bei der Einleitung des Disziplinarverfahrens auch damit auseinanderzusetzen, ob offenkundig Einstellungsgründe im Sinne des § 118 Abs. 1 BDG 1979 vorliegen.
Nach den vorgelegten Akten des Verwaltungsververfahrens (vgl. die einleitend wiedergegebene Darstellung des Verfahrensablaufes) ist der Dienstbehörde des Beschwerdeführers und damit auch der Disziplinarbehörde der für die disziplinäre Beurteilung maßgebende Sachverhalt jedenfalls ab Einlangen des an die Dienstbehörde und nicht bloß an eine (Unter)Abteilung gerichteten Schreibens des Beschwerdeführers vom 28. August 1989 bekannt, mit dem der Beschwerdeführer im Zuge der Auseinandersetzung über die Gebührenfrage die seiner Rechnungslegung zugrundeliegende Auffassung darstellte. Weiters davon ausgehend, daß die gerichtlichen Vorerhebungen erst mit 20. März 1990 eingeleitet worden sind (zur Frage der gerichtlichen Anhängigkeit vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Feber 1990, Zl. 89/09/0095), hegt der Verwaltungsgerichtshof das Bedenken, daß die Dienstbehörde bereits damals Kenntnis von den nun gegen den Beschwerdeführer erhobenen disziplinären Anschuldigungen hatte und Verjährung eingetreten ist.
Da der Eintritt der vom Beschwerdeführer behaupteten Verfolgungsverjährung von Amts wegen wahrzunehmen ist, wäre es Aufgabe der belangten Behörde gewesen, in einer der nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise unter Anführung des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes darzulegen, zu welchem Zeitpunkt die Dienstbehörde vom Vorliegen der für die Annahme einer Dienstpflichtverletzung des Beschwerdeführers relevanten Umstände Kenntnis erlangt hat und ob neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel oder lediglich eine andere rechtliche Beurteilung des bekannt gewesenen Sachverhaltes zur Erlassung des nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Einleitungsbeschlusses vom 4. Juli 1990 geführt haben. In dieser Hinsicht enthält der angefochtene Bescheid genau so wenig Feststellungen und Begründungen wie zu der ebenfalls zu beurteilenden Frage des Verschuldens, der bei der Sachlage im Beschwerdefall (Geltendmachung bzw. Auseinandersetzung über die Gebührlichkeit von Ansprüchen nach der Reisegebührenvorschrift 1955) entscheidende Bedeutung zukommt. Der Versuch der belangten Behörde, die in der Frage der Verjährung versäumten Feststellungen und Begründungen durch ihre Gegenschrift nachzuholen, ist - abgesehen davon, daß die belangte Behörde dabei in der Frage der Kenntnis durch die Dienstbehörde von einer unrichtigen Rechtsauffassung ausgeht - rechtlich nicht mehr relevant.
Weil der vorher dargestellte Mangel den Verwaltungsgerichtshof daran hindert, die inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes zu überprüfen, war der angefochtene Bescheid schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Soweit in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes genannt sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990090121.X00Im RIS seit
18.10.1990