TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/18 89/09/0145

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Veröffentlicht am 18.10.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
HVG §2 Abs1;
HVG §21 Abs1 idF 1985/483;
HVG §21 Abs2;
HVG §22;
HVG RichtsatzV 1965 §1 Abs1;
HVG RichtsatzV 1965 §3;
VwRallg;

Betreff

N gegen Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 15. September 1989, Zl. 710-440.437-008, betreffend Beschädigtenrente nach dem Heeresversorgungsgesetz

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte der im Jahre 1954 geborene Beschwerdeführer als außerordentlicher Präsenzdiener am 11. Juni 1975 während eines Auslandseinsatzes in Syrien im Rahmen des dortigen österreichischen UNO-Kontingents in der Nähe von Damaskus einen Autounfall erlitten, für dessen Folgen er auf Grund des Bescheides des Landesinvalidenamtes für Kärnten vom 1.Februar 1978 gemäß §§ 21 bis 24, 24a, 55, 56 und 70 des Heeresversorgungsgesetzes, BGBl. Nr. 27/1964, (HVG) eine Beschädigtenrente zunächst ab 1. August 1975 entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 % und ab 1. Oktober 1975 von 60 % bezogen hatte; unter einem war ausgesprochen worden, daß mit Wirkung vom 31. Mai 1977 die Beschädigtenrente gemäß § 56 HVG eingestellt werde, weil die Gesamt-MdE ab diesem Zeitpunkt nur mehr 10 % betrage. Folgende Leidenszustände blieben ab 1. Juni 1977, jeweils mit einer Kausalkomponente von 1/1, als Dienstbeschädigung anerkannt:

1.

Beiderseitiger Geruchsverlust nach Schädelbasisbruch,

2.

operativ versorgte Luxation im Bereich des rechten Schlüsselbeines,

              3.              Oberschenkelbruch rechts in idealer Stellung geheilt ohne Funktionsbehinderung,

              4.              weitgehend regenerierte Teilschädigung des Nervus peroneus links.

Mit Bescheid vom 10. August 1978 hatte die Schiedskommission beim Bundesministerium für soziale Verwaltung als Versorgungsbehörde zweiter Rechtsstufe der vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung, in der er im wesentlichen vorgebracht hatte, daß die oben dargelegten Dienstbeschädigungen, insbesondere der beiderseitige Geruchsverlust, seine Arbeit wesentlich behindern würden, keine Folge gegeben und den Bescheid des Landesinvalidenamtes für Kärnten gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 82 Abs. 1 HVG bestätigt. Der in diesem Verfahren durchgeführten berufskundlichen Beurteilung nach § 22 HVG war der Beruf eines "Friseurgehilfen" zugrunde gelegt worden.

In der Folge wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 4. Oktober 1984 auf Zuerkennung einer Beschädigtenrente mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Kärnten vom 22. Juli 1986 gemäß den §§ 21, 22, 55 und 56 HVG als unbegründet abgewiesen. Die gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für soziale Verwaltung vom 27. Februar 1987 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 82 Abs. 1 HVG als verspätet zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 20. September 1987 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf Zuerkennung einer Beschädigtenrente nach dem Heeresversorgungsgesetz wegen Verschlimmerung seiner anerkannten Dienstbeschädigungen.

Das Landesinvalidenamt für Kärnten holte daraufhin zu diesem Antrag ein ärztliches Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H ein. Hiezu gab der leitende Arzt eine Stellungnahme ab.

Weiters führte das Landesinvalidenamt für Kärnten eine berufskundliche Beurteilung nach § 22 HVG durch, wobei der Beruf eines selbständigen Friseurmeisters (Damen- und Herrenfrisuren) zugrunde gelegt wurde.

Ferner wurde hiebei auch ein aktenmäßiges Gutachten von Dr. A vom 4. Februar 1988 eingeholt, der ausführte, daß die durch die anerkannte Dienstbeschädigung bedingte Erschwernis im Beruf des Beschwerdeführers als "sehr gering" einzuschätzen sei.

Mit Bescheid vom 2. März 1988 wies das Landesinvalidenamt für Kärnten den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung einer Beschädigtenrente gemäß den §§ 21, 22, 55 und 56 HVG ab. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, nach dem ärztlichen Sachverständigengutachten Dris. H und der hiezu durch den leitenden Arzt abgegebenen Stellungnahme sei erwiesen, daß nunmehr zwar eine eindeutige Schwächung des Nervus peronäus links bestehe, jedoch im Zustand der Dienstbeschädigungen gegenüber den Vergleichsbefunden keine maßgebende Veränderung eingetreten sei.

Hinsichtlich der anerkannten Dienstbeschädigungen ergebe sich, dem Gutachten von Dr. H folgend, nachfolgende Richtsatzeinschätzung:

    1. Beiderseitiger

       Geruchsverlust

       nach Schädelbasisbruch  RS-Pos. VII/b/654  MdE 10 %

    2. Operativ versorgte

       Luxation im Bereich

       des rechten

       Schlüsselbeines        RS-Pos. I/c/35       MdE 10 %

    3. Zustand nach Bruch

       des rechten

       Oberschenkels          RS-Pos. I/d/111      MdE  0 %

       (unterer Wert des

       Rahmensatzes, da keine

       Funktionsbehinderung

       vorliege)

    4. Teilschädigung des

       Nervus peronäus links RS-Pos. IV/i/491      MdE 20 %

Die Gesamt-MdE sei im Sinne des § 3 der Richtsatzverordnung zum HVG, BGBl. Nr. 151/1965, festgestellt worden. Hiefür sei maßgebend gewesen, daß die führende Dienstbeschädigung 4.) weder durch den Geruchsverlust, dessen Funktionsstörung im Hinblick auf das allgemeine Erwerbsleben außerordentlich gering sei und keine ungünstige Wechselwirkung bestehe, noch durch die operierte Schlüsselbeinluxation, die praktisch keine Funktionsstörung verursache, gesteigert werde.

In der weiteren Folge ihrer Begründung beschäftigte sich das Landesinvalidenamt für Kärnten mit der berufskundlichen Beurteilung nach § 22 HVG und vertrat dabei die Auffassung, daß es durch die Dienstbeschädigung bei der nach der Berufsgeschichte billigerweise sozial zumutbaren Erwerbstätigkeit eines selbständigen Friseurmeisters (Damen- und Herrenfrisuren) zur Beeinträchtigung der Erbringung einer überdurchschnittlichen Berufsanforderung komme, und zwar werde durch die Peronäusschwäche links das neben gelegentlichem Sitzen vorwiegend berufsnotwendige "Stehen, von Gehen unterbrochen" in sehr geringem Ausmaße beeinträchtigt. Dem Oberschenkelbruch rechts sowie der operativ versorgten Luxation des rechten Schlüsselbeines sei keine berufsstörende Bedeutung beizumessen, weil diese Dienstbeschädigungsfolgen weiterhin keine Funktionsstörungen bedingen würden. Schließlich komme dem beiderseitigen Geruchsverlust nach Schädelbasisbruch ebenfalls keine berufsstörende Bedeutung zu, weil die Erfüllung der Berufsaufgaben eines Friseurs laut Berufsblatt 67 der österreichischen Berufskartei keine Arbeitserfordernisse hinsichtlich des Geruchsvermögens verlange. Das berufskundliche Einschätzungsverfahren nach § 22 HVG habe ebenfalls nur eine MdE von 20 % ergeben.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß er durch die als Dienstbeschädigung anerkannten Leidenszustände in seiner beruflichen Tätigkeit beeinträchtigt sei. Sie würden ihm während der Arbeit oft Schmerzen bereiten. Er bestehe auf eine erneute Festsetzung der MdE auf mindestens 50 %, weil sehr wohl eine gegenseitige Wechselwirkung in Form einer Summierung der Beschwerden (Schmerzen) bzw. der Behinderungen gegeben sei. Er wolle auch eine persönliche Darstellung der Situation vor der belangten Behörde abgeben. Der Beschwerdeführer legte der Berufung eine Stellungnahme der Handelskammer Kärnten, Landesinnung der Friseure, zur Frage nach der Bedeutung des Geruchssinnes für einen Friseur bei, wobei darin neben einer kurzen Darstellung des Tätigkeitsbereiches eines Friseurs die Auffassung vertreten wurde, daß der Friseur zur Ausübung seines Berufes auf den Geruchssinn angewiesen sei.

Die belangte Behörde holte daraufhin ein Aktengutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. F ein, der ausführte, daß er der Einschätzung im erstinstanzlichen Verfahren folgend, die Gesamt-MdE des Beschwerdeführers im Hinblick auf das allgemeine Erwerbsleben mit 20 % einstufen würde. Dann wies er noch darauf hin, daß er unter Rücksichtnahme auf den ausgeübten Beruf des Beschwerdeführers die "Berufsfähigkeitsminderung" mit 40 % einstufen würde.

Der leitende Arzt hielt hiezu in einem Aktenvermerk vom 16. August 1988 fest, daß die diesbezüglichen Erörterungen des Sachverständigen lediglich die berufskundliche Einschätzung betreffen würden.

In dem ebenfalls von der belangten Behörde im Berufungsverfahren ergänzend eingeholten berufskundlichen Gutachten vom 30. November 1988 wurde das in der ersten Instanz erstattete berufskundliche Gutachten unverändert aufrechterhalten, wobei insbesondere noch einmal darauf hingewiesen wurde, daß das Berufsblatt 67 (der Friseur) im Abschnitt IV (körperliche Beanspruchung) und VI (Haut, Geruch, Geschmack) keine Arbeitserfordernisse hinsichtlich des Geruchsvermögens ausweise.

In seiner im Rahmen des Parteiengehörs abgegebenen Stellungnahme zu diesen Ermittlungsergebnissen vom 30. Jänner 1989 rügte der Beschwerdeführer den Umstand, daß das Landesinvalidenamt für Kärnten das Sachverständigengutachten Dris. F, welches unter Rücksichtnahme auf den ausgeübten Beruf eine 40 %ige Berufsfähigkeitsminderung festlege, nicht zur Kenntnis nehme. Die berufskundliche Beurteilung gehe von falschen Voraussetzungen aus, weil sich das Angebot des qualifizierten Friseurbetriebes seit einigen Jahren immer stärker in Richtung Kosmetikbehandlung und Kosmetikfachartikel verlagere. Außerdem sei das Berufsblatt 67 (der Friseur) veraltert. Er bestehe weiterhin darauf, vor der belangten Behörde eine realistische und praxisgerechte Schilderung seiner Beschwerden bzw. der MdE abzugeben.

Daraufhin holte die belangte Behörde noch ein berufskundliches Gutachten gemäß § 22 HVG (vom 22. Februar 1989) ein, zu welchem der Beschwerdeführer in der Folge mit Schreiben vom 2. April 1989 ausführlich Stellung nahm.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 15. September 1989 wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 82 Abs. 1 HVG bestätigt.

In der Begründung dieses Bescheides verwies die belangte Behörde nach kurzer Darstellung des bisherigen Verfahrensablaufes auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. F, der ausführe, daß die erstinstanzliche Einschätzung im Sinne des § 21 HVG korrekt erfolgt sei und eine Höhereinschätzung der Gesamt-MdE im Hinblick auf das allgemeine Erwerbsleben nicht vertretbar sei. Die belangte Behörde wiederholte in ihrer Begründung daraufhin die bereits von der Behörde erster Instanz vorgenommene Richtsatzeinschätzung und traf ergänzend die Feststellung, daß sich aus dem Ergebnis des eingeholten Sachverständigengutachtens gemäß § 3 der Richtsatzverordnung zum HVG ergebe, daß die Einschätzung der Gesamt-MdE mangels Zusammenwirkens der einzelnen Gesundheitsschädigungen mit 20 % gerechtfertigt sei. Das Gutachten des Sachverständigen sei als schlüssig erkannt und daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden. In der weiteren Folge ihrer Begründung gab die belangte Behörde das berufskundliche Gutachten vom 22. Februar 1989 in seinem vollen Wortlaut wieder, in dem nach einer genauen Darstellung der Berufscharakteristik und des Berufsbildes eines selbständigen Friseurmeisters zur Frage der beruflichen Sonderverhältnisse folgendes ausgeführt wurde:

"Das Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens der Schiedskommission zeigt, daß Folgen nach der operativ versorgten Luxation im Bereich des rechten Schlüsselbeines sowie nach dem in idealer Stellung und ohne Funktionsbehinderungen verheilten Oberschenkelbruch rechts nicht vorhanden sind. Es kann daher auch eine berufliche Behinderung nach diesen abgeheilten Schädigungen nicht angenommen werden.

Die häufig bis vorwiegend zu erbringende überdurchschnittliche Berufsanforderung Stehen (entspricht einem Anteil an der Gesamtarbeitskapazität bis 86 %) wird durch Gehen unterbrochen und dadurch etwas gemildert. Von einem Meister im Handwerk sind jedoch administrative Arbeiten, ev. buchhalterische Aufgaben, Schriftverkehr u.ä. zu erledigen, welche Tätigkeiten sitzend, bei ruhiger und guter Sitzhaltung, erfolgen. Auch werden gelegentliche Gespräche mit Firmenvertretern im Sitzen vorgenommen. Mit seinem Sachverständigengutachten vom 4. Feber 1988 stellt Dr.med. A u.a. fest, daß die Peronäusschwäche links keine Behinderung beim Stehen darstellt, jedoch beim Gehen eine SEHR GERINGE Beeinträchtigung anzunehmen ist. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Arbeitshaltung als Einheit aufzufassen. Es soll nicht in Abrede gestellt werden, daß der Beschädigte infolge der auf das schädigende Ereignis zurückzuführenden Peronäusschwäche ein subjektives Krankheitsgefühl hat und die durch die Peronäusschwäche leicht geschädigte linke untere Extremität auch während der im Stehen zu verrichtenden Friseurtätigkeiten mehr entlastet, sodaß es während des Arbeitsablaufes zu zunehmenden Ermüdungserscheinungen kommen kann. Wenn daher die VORWIEGEND zu erbringende Berufsanforderung Stehen von Gehen unterbrochen durch die als Dienstbeschädigung gemäß § 2 HVG anerkannte Peronäusschwäche links SEHR GERING beeinträchtigt wird, ergibt sich daraus nach den aufgezeigten Einschätzungsmaßstäben, die eine einheitliche Berufseinschätzung im Sinne des § 22 HVG gewährleisten, nach dieser Gesetzesstelle eine berufskundlich festgestellte Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 V.H. Eine höhere Einschätzung ist aus den festgestellten Gründen nicht möglich, und es wurde noch nicht darauf Bedacht genommen, daß der Beschädigte die betroffene Extremität ev. durch einen straffen Verband oder durch hohes Schuhwerk stützen könnte. Auch arbeitet der Friseur auf ebenen Fußböden, sodaß jedwede Unsicherheit beim Stehen oder Gehen wegfällt. Auch ist zu berücksichtigten, daß der selbständig Erwerbstätige seine Arbeitszeit besser einteilen kann als ein Gehilfe und somit zumindest kleinere Pausen gelegentlich eingeschoben werden können."

Weiters stellte die belangte Behörde in ihrer Begründung im Hinblick auf das beim Beschädigten als Dienstbeschädigung anerkannte Leiden "beiderseitiger Geruchsverlust nach Schädelbasisbruch" und der von ihm behaupteten dadurch gegebenen Berufsbehinderung sehr ausführlich dar, daß die (beeinträchtigte) Beratungsfunktion eines Friseurs hinsichtlich dufthältiger Präparate und Stoffe, Rasierwasser, Parfume und dergleichen keine den Durchschnitt übersteigende Berufsanforderung sei. Die beruflichen Sonderverhältnisse führten gemäß § 22 HVG weiterhin zur Einschätzung der MdE von 20 %. Das Ergebnis der Beweisaufnahme sei dem Beschwerdeführer gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht worden. Die vorgebrachten Einwendungen seien nicht geeignet gewesen, die Beweiskraft des ärztlichen Sachverständigengutachtens zu mindern, weil es sich um Behauptungen handle, welche das auf ärztliches Fachwissen gegründete Sachverständigengutachten nicht zu entkräften vermögen. Bezüglich der berufskundlichen Einwendungen sei festzuhalten, daß sich der berufskundliche Sachverständige ausführlich und schlüssig mit dem Berufsbild eines Friseurmeisters auseinandergesetzt und die Einschätzung überzeugend begründet habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Zuspruch einer Beschädigtenrente nach dem HVG verletzt; seine MdE sei höher einzuschätzen.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 HVG ist eine Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist.

Gemäß § 21 Abs. 1 HVG, in der Fassung BGBl. Nr. 483/1985, hat der Beschädigte Anspruch auf Beschädigtenrente, wenn seine Erwerbsfähigkeit infolge der Dienstbeschädigung über drei Monate nach dem Eintritt der Gesundheitsschädigung (§ 2) hinaus um mindestens 25 v.H. vermindert ist; die Beschädigtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 25 v.H.. Unter Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die durch die Dienstbeschädigung bewirkte körperliche Beeinträchtigung im Hinblick auf das allgemeine Erwerbsleben zu verstehen. Gemäß § 21 Abs. 2 HVG ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des Abs. 1 nach Richtsätzen einzuschätzen, die den wissenschaftlichen Erfahrungen entsprechen.

Gemäß § 1 Abs. 1 der Richtsatzverordnung zum HVG, BGBl. Nr. 151/1965, ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 21 Abs. 1 HVG nach den Richtsätzen einzuschätzen, die nach Art und Schwere des Leidenszustandes in festen Sätzen oder Rahmensätzen festgelegt sind. Hiebei sind die Richtsätze der Anlage zur Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150, anzuwenden.

Gemäß § 3 der Richtsatzverordnung zum HVG ist dann, wenn mehrere Leiden zusammentreffen, bei der Einschätzung der MdE zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste MdE verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Gesamtleidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller gemäß § 2 HVG zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der MdE rechtfertigt.

Bei Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit ist gemäß § 22 HVG auch zu prüfen, ob sie bei Berücksichtigung der Tauglichkeit des Beschädigten zu einer Erwerbstätigkeit, die ihm nach seinem früheren Beruf oder nach seiner Vorbildung billigerweise zugemutet werden kann, höher als nach § 21 einzuschätzen ist. In diesen Fällen ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit unter Bedachtnahme auf die Erfahrungen auf dem Gebiet der Berufskunde einzuschätzen; die Verdienstverhältnisse haben dabei außer Betracht zu bleiben.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß das Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Dr. F, welches die belangte Behörde als schlüssig erkannt und ihrer Entscheidung zugrundegelegt habe, weder eine medizinische Einschätzung aller Dienstbeschädigungsfolgen erkennen lasse (so fehle die Narbeneinschätzung der mit seiner Dienstbeschädigung im Zusammenhang stehenden Operationsnarben zur Gänze), noch eine begründete Gesamteinschätzung aufweise. Auf Grund dieser Mängel sei die von der belangten Behörde vorgenommene Einzel- und Gesamteinschätzung seiner Dienstbeschädigung nicht schlüssig und es sei auch die berufskundliche Einschätzung, die ebenfalls auf dieses unschlüssige medizinische Sachverständigengutachten aufbaue, schon grundsätzlich in Frage zu stellen. Die Feststellungen der belangten Behörde, daß das Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ihr zeige, daß Folgen nach der operativ versorgten Luxation im Bereich des rechten Schlüsselbeines sowie nach dem in idealer Stellung und ohne Funktionsstörungen verheilten Oberschenkelbruch rechts, nicht vorhanden seien und daher eine berufliche Behinderung nach diesen abgeheilten Schädigungen nicht angenommen werden könne, stehe im Widerspruch zum von der belangten Behörde in seiner Gesamtheit als schlüssig erkannten Sachverständigengutachten Dris. F, der ja zusammenfassend zur Feststellung gelangt sei, daß unter Rücksichtnahme auf seinen Beruf, seiner Argumentation folgend, die berufskundliche Einschätzung mit einer Gesamt-MdE von 40 % festzustellen wäre. Auf Grund dieser Feststellung des ärztlichen Sachverständigen hätte die belangte Behörde die schriftliche Äußerung Dris. Helmut V vom 4. Februar 1988 in Zweifel ziehen müssen, wonach die Peronäusschwäche links keine Behinderung beim Stehen darstelle, jedoch beim Gehen eine sehr geringe Beeinträchtigung anzunehmen sei. Darüber hinaus wäre auch eine neuerliche berufskundliche Einschätzung zu veranlassen gewesen. Nach diesem Ergebnis der berufskundlichen Einschätzung hätte die belangte Behörde die Richtigkeit der Ausführungen Dris. A in Zweifel ziehen müssen, nach welchen die häufig bis vorwiegend überdurchschnittlichen Berufsanforderungen durch seine Dienstbeschädigung nur als sehr gering beeinträchtigt bezeichnet worden seien.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Der Beschwerdeführer bekämpft nämlich in erster Linie die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Der Verwaltungsgerichtshof, der die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Schlüssigkeit zu prüfen befugt ist (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053, VwSlg. 11894/A), kann jedoch nicht finden, daß die in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargestellte Argumentation nicht beweiskräftig wäre oder sonst gegen Verfahrensvorschriften, insbesondere die §§ 45 Abs. 2 und 60 AVG 1950, verstieße. Die Beschwerdeausführungen lassen auch den von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrundegelegten Sachverhalt weder in medizinischer noch in berufskundlicher Hinsicht als unzureichend oder sonst nicht ordnungsgemäß ermittelt oder als nicht in schlüssiger Weise gewürdigt erscheinen.

Wenn der Beschwerdeführer erstmalig in seinem Beschwerdeschriftsatz das Fehlen der Narbeneinschätzung der mit seiner Dienstbeschädigung im Zusammenhang stehenden Operationsnarben im Sachverständigengutachten von Dr. F behauptet, obwohl er im Verwaltungsverfahren im Zuge des Parteiengehörs von diesem Gutachten Kenntnis erlangt und hiezu auch eine Stellungnahme abgegeben hat, so handelt es sich dabei um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung (§ 41 VwGG).

Die belangte Behörde hat unter Berücksichtigung des Sachverständigengutachtens Dris. F (dieses nimmt wiederum auf die im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten Bezug) die beim Beschwerdeführer bestehenden Dienstbeschädigungen genau in vier Punkte aufgeschlüsselt und die Gesamteinschätzung mit dem Hinweis auf das mangelnde Zusammenwirken der einzelnen Leiden mit 20 % begründet. Der Verwaltungsgerichtshof vermag darin eine rechtswidrige Vorgangsweise der belangten Behörde nicht zu erkennen.

Wenn der Beschwerdeführer bemängelt, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid Feststellungen zur Frage der beruflichen Behinderung des Beschwerdeführers durch seine Leidenszustände treffe, die im Widerspruch zum Sachverständigengutachten Dris. F stünden, so ist dem Beschwerdeführer zu erwidern, daß die belangte Behörde im Rahmen der freien Beweiswürdigung nicht dazu verhalten ist, Ausführungen des ärztlichen Sachverständigen zur Frage der beruflichen Sonderverhältnisse zu übernehmen. Daß die belangte Behörde die diesbezüglichen Erörterungen des ärztlichen Sachverständigen Dr. F als schlüssig erkannt und ihrer Entscheidung zugrundegelegt hätte, läßt sich der Formulierung des angefochtenen Bescheides nicht entnehmen, in dem sich ausdrücklich nur die Feststellung Dris. F findet, daß er die erstinstanzliche Einschätzung im Sinne des § 21 HVG für korrekt halte und eine höhere Einschätzung der Gesamt-MdE im Hinblick auf das allgemeine Erwerbsleben für nicht vertretbar halte. Die belangte Behörde hat in der Folge entgegen dem Beschwerdevorbringen zwei ergänzende berufskundliche Gutachten (vom 30. November 1988 und vom 22. Februar 1989) eingeholt.

Wenn sich der Beschwerdeführer schließlich mit dem Hinweis darauf, daß die belangte Behörde keine Erhebungen über seinen Beschäftigtenstand und über seine Betriebsgröße gepflogen habe, gegen die berufskundliche Einschätzung nach § 22 HVG wendet, so ist er auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Beantwortung der Frage, ob berufliche Sonderverhältnisse vorhanden sind, die den Bezug einer nach § 22 HVG erhöhten Rente rechtfertigen, nur insoweit von den persönlichen Verhältnissen des Beschädigten abhängt, als diese Verhältnisse - der frühere Beruf oder die Vorbildung - die Art der zumutbaren Erwerbstätigkeit bestimmen und damit auf das Berufsbild hinweisen. Solcherart sind nicht die persönlichen Verhältnisse des Einzelfalles, sondern das abstrakt gehaltene Berufsbild der Feststellung der überdurchschnittlichen Anforderungen zugrunde zu legen (vgl. z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. März 1989, Zl. 86/09/0026). Auf Grund dieser Erwägungen war die belangte Behörde auch nicht verpflichtet, dem Beschwerdeführer die Möglichkeit einer persönlichen Darstellung seiner beruflichen Situation einzuräumen, wobei überdies ein subjektives Recht darauf, vor der Behörde mündlich gehört zu werden, nicht besteht (vgl. das Erkenntis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. April 1988, 87/11/0270).

Was schließlich das Vorbringen des Beschwerdeführers betrifft, die belangte Behörde habe sich nicht mit der von ihm vorgelegten fachlichen Stellungnahme der Handelskammer Kärnten, Landesinnung der Friseure, vom 3. Oktober 1986 auseinandergsetzt, so vermag der Verwaltungsgerichtshof darin keine Rechtswidrigkeit zu erblicken, zumal die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides sehr ausführlich und in schlüssiger Weise die Frage der Bedeutung des Geruchssinnes für einen Friseur abgehandelt hat.

Der Verwaltungsgerichtshof vermochte daher bei der gegebenen Sach- und Rechtslage die im Instanzenzug bestätigte Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mitArt. I B Z. 4 und 5 der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Parteiengehör Rechtliche BeurteilungVerfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Diverses VwRallg10/1/3Parteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an BeweisaufnahmenSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel ParteienvernehmungBeweismittel Beschuldigtenverantwortung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989090145.X00

Im RIS seit

07.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

10.06.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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