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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §19 Abs3 Z2 litbLeitsatz
Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist; falsche Fristeintragung hier kein "minderer Grad des Versehens" - erhöhter Arbeitsanfall zu Jahresende gehört zum üblichen Arbeitsablauf einer Wirtschaftstreuhandkanzlei; das Verschulden des Bevollmächtigten eines Bf. ist Verschulden der Partei selbst gleichzuhaltenSpruch
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde wird abgewiesen.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit der am 14. Jänner 1988 zur Post gegebenen Beschwerde bekämpft der bf. Verband den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 11. November 1987, zugestellt am 30. November 1987. Gleichzeitig beantragt der bf. Verband die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Beschwerdeerhebung.
Zum (rechtzeitig eingebrachten) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird vorgebracht, der Beschwerdevertreter habe selbst die Beschwerdeschrift erst am Tage nach Ablauf der Frist zur Beschwerdeerhebung beim VfGH zur Überprüfung erhalten. Mag. Christian Pajer, ein Mitarbeiter des mit der Angelegenheit befaßt gewesenen Wirtschaftstreuhänders habe auf Grund eines erhöhten Arbeitsanfalles - der, wie in der Beschwerde behauptet wird, durch "verfahrensleitende Verfügungen der Finanzverwaltung" verursacht worden sei - sowie durch anfallende Jahresabschlußarbeiten den Ablauf der Beschwerdefrist irrtümlich falsch im Fristenbuch eingetragen. Erst der Beschwerdevertreter habe dies - jedoch nach Fristablauf - bemerkt und den Fehler dem Wirtschaftstreuhänder sofort mitgeteilt.
Zur Bescheinigung seines Vorbringens nennt der Beschwerdevertreter Mag. Ch P als Auskunftsperson.
2. Da das VerfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Nov. 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei - fährt das Gesetz fort - ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Unter "minderem Grad des Versehens" - ein Begriff, der sich bereits in §2 Dienstnehmerhaftpflichtgesetz bzw. §3 Organhaftpflichtgesetz findet - ist nach der Rechtsprechung des VfGH leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983).
3. Nach dem Antragsvorbringen erfolgte die falsche Fristeintragung durch einen Mitarbeiter der mit der Beschwerdeausarbeitung befaßten Wirtschaftstreuhandkanzlei zum einen deshalb, weil wegen "verfahrensleitender Verfügungen der Finanzverwaltung" ein erhöhter Arbeitsanfall in der Kanzlei zu verzeichnen gewesen sei. Es wird jedoch nicht dargetan, weshalb diese "verfahrensleitenden Verfügungen" zu einem so ungewöhnlich hohen Arbeitsanfall geführt hätten, daß deshalb einem Mitarbeiter einer Wirtschaftstreuhandkanzlei ein derartiger Fehler unterlaufen sollte. Zum anderen wurde geltend gemacht, daß zusätzlich durch Jahresabschlußarbeiten - die, wie der Beschwerdevertreter selbst ausführt, "naturgemäß" jeden Wirtschaftstreuhänder zu Jahresende beanspruchen - der Arbeitsanfall ebenfalls erhöht gewesen sei. Ein zu Jahresende auftretender "erhöhter Arbeitsanfall" gehört jedoch - wie auch aus dem Vorbringen hervorgeht - in einer Wirtschaftstreuhandkanzlei zum üblichen Arbeitsablauf innerhalb eines Jahres, sodaß - gemessen daran - die falsche Fristeintragung nicht als auf einem minderen Grad des Versehens beruhend gewertet werden kann.
4. Da gemäß §39 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG 1953 das Verschulden des Bevollmächtigten eines Bf. einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist, war der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §33 VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.
II. Im Hinblick auf das oben Gesagte erweist sich die am 14. Jänner 1988 zur Post gegebene Beschwerde als verspätet und ist daher zurückzuweisen, was gemäß §19 Abs3 Z2 litb VerfGG ohne weiteres Verfahren beschlossen werden konnte.
Schlagworte
VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / FristenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B47.1988Dokumentnummer
JFT_10119774_88B00047_00