Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
BDG 1979 §92 Abs1 Z4 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des A gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 17. Mai 1990, GZ 126/10-DOK/89, betreffend Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.710,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Jahre 1942 geborene Beschwerdeführer stand als Bezirksinspektor der Gendarmerie in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine letzte Dienststelle war der Gendarmerieposten R.
Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha den Beschwerdeführer mit Erkenntnis vom 16. Mai 1988 schuldig erkannt, er hätte am 3. März 1988 um ca. 12.40 Uhr im Ortsgebiet von Traiskirchen, auf der Otto-Glöckelstraße Nr. 42, den Pkw N nnn.nnn gelenkt und um 13.15 Uhr beim Haupteingang des Flüchtlingslagers Traiskirchen gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht die Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt verweigert, obwohl vermutet hätte werden können, daß er in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand seinen Pkw gelenkt hätte. Er hätte dadurch die Strafbestimmung des § 99 Abs. 1 lit. b iZm § 5 Abs. 2 StVO verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung war über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von 9.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 9 Tage) verhängt worden.
Mit einem zweiten Straferkenntnis der genannten Verwaltungsbehörde vom 18. Oktober 1988 war der Beschwerdeführer weiters schuldig erkannt worden, am 17. August 1988 um 07.48 Uhr auf der Leitha-Straße (B 60) in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand das Mofa N m.mmm auf Höhe des Straßenkilometers 28.326 in Richtung Reisenberg gelenkt zu haben. Wegen Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. a iVm § 5 Abs. 1 StVO war über den Beschwerdeführer abermals eine Geldstrafe in Höhe von 9.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 9 Tage) verhängt worden. Dieses Straferkenntnis ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen.
In dem sich daran anschließenden Disziplinarverfahren würdigte die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres dieses von den verwaltungsbehördlichen Schuldsprüchen erfaßte Verhalten - und den weiteren Vorwurf, während seines am 16. August 1988 um 19.00 Uhr beginnenden zwölfstündigen Außendienstes im Reaktorzentrum R Alkohol in unbekannter Menge konsumiert und sich dadurch in einen dienstunfähigen Zustand versetzt zu haben, wodurch er um ca. 06.45 Uhr des 17. August 1988 auf der Toilette des Gendarmeriepostens R eingeschlafen und erst um 07.30 Uhr aufgewacht sei - als eine Verletzung der Dienstpflichten iSd §§ 43 Abs. 1 und 2 sowie 44 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (BDG 1979), und verhängte über den Beschwerdeführer nach durchgeführter mündlicher Verhandlung mit Erkenntnis vom 17. Oktober 1989 gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 dieses Gesetzes die Disziplinarstrafe der Entlassung.
Die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt als Disziplinarbehörde zweiter Rechtsstufe gab mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 17. Mai 1990 der Berufung des Beschwerdeführers, in der er die Annahme einer Dienstpflichtverletzung deshalb als rechtswidrig bezeichnete, weil er an chronischem Alkoholismus erkrankt sei, den er in disziplinärer Hinsicht nicht zu vertreten habe, sodaß ein Schuldausschließungsgrund vorliege, teilweise Folge und änderte das erstinstanzliche Erkenntnis dahin ab, daß der Beschwerdeführer gemäß § 126 Abs. 2 BDG 1979 von der ihm ergänzend zu den beiden verwaltungsbehördlichen Verurteilungen angelasteten Anschuldigung (Einschlafen während seines Dienstes auf der Toilette des Gendarmeriepostens R am 17. August 1988 wegen beträchtlichen Alkoholkonsums) freigesprochen wurde. Hinsichtlich der von den beiden verwaltungsbehördlichen Verurteilungen erfaßten Anschuldigungspunkte und des Strafausspruches wurde der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Zur Begründung führte die Rechtsmittelbehörde nach Darstellung des Sachverhaltes und Verwaltungsgeschehens, soweit für die Beschwerde von Relevanz, aus, auf Grund der Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Schuldfähigkeit habe die belangte Behörde die Feststellung zu treffen, daß sich die Bindungswirkung eines rechtskräftigen verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses gemäß § 95 Abs. 2 BDG 1979 auf die tatsächlichen Feststellungen, auf denen der Spruch beruhe, erstrecke. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erstrecke sich im Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, die bindende Wirkung des Straferkenntnisses auch auf die Feststellungen der Verwaltungsbehörde zum inneren (subjektiven) Tatbestand einer strafbaren Handlung. Die Umstände, aus denen eine Verwaltungsbehörde die Zurechnungsfähigkeit (Schuldfähigkeit) des Beamten, die eine unbedingte Voraussetzung für die Strafbarkeit bilde, folgere, seien für die Disziplinarbehörde gleichfalls bindend (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 1982, Zl. 82/09/0094). Wie sich aus den beiden obzitierten Erkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha ergebe, habe diese Verwaltungsbehörde im inkriminierten Verhalten des Beschwerdeführers rechtswidrige und schuldhafte Handlungen erkannt. Die Verwaltungsbehörde habe nämlich alle Tatbestandsmerkmale als erfüllt angesehen und somit auch die Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers angenommen, die nach § 3 VStG 1950 eine unbedingte Voraussetzung für die Strafbarkeit bilde. Dieser Umstand sei somit für die Disziplinarbehörde bindend gewesen. Die Beurteilung der Frage der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers habe sich daher im sachgleichen Disziplinarverfahren der neuerlichen Überprüfung durch die belangte Behörde entzogen. Die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens über die Frage der Beurteilung der Alkoholkrankheit des Beschwerdeführers und der Vorwerfbarkeit des Alkoholkonsums habe sich auf Grund dieser Erwägungen erübrigt. Der Berufung sei diesbezüglich keine Folge zu geben und die dem Beschwerdeführer angelasteten beiden Verfehlungen unter Zugrundelegung der Bindungswirkung der angeführten verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisse gemäß § 95 Abs. 2 BDG 1979 als erwiesen anzunehmen. Obschon die Berufung keine Ausführungen hinsichtlich der Frage des sogenannten "disziplinären Überhanges" iSd § 95 Abs. 1 BDG 1979 enthalte, sei darauf hinzuweisen, daß dessen Vorliegen zweifelsfrei gegeben erscheine, zumal sich die Dienstpflichtverletzungen des Beschwerdeführers keineswegs in der Verwirklichung der verwaltungsbehördlich strafbaren Tatbestände erschöpfen. Die Verwaltungsbehörde habe nämlich ausschließlich den verwaltungsrechtlichen Tatbeständen Rechnung zu tragen und den Gesichtspunkten, die den vom Beschwerdeführer begangenen Verfehlungen aus disziplinärer Sicht ihr besonderes Gewicht verliehen, nicht Rechnung zu tragen gehabt. Verwaltungsbehördlich sei somit nur ein Teil des disziplinären Sachverhaltes, nämlich die Delikte nach § 5 StVO, bestraft worden (Hinweis auf das Erkenntnis vom 14. Jänner 1980, Zl. 2073/79). Da die Vollziehung der Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung zum engsten Pflichtenkreis des Beschwerdeführers als Exekutivbeamten zähle, stellten Übertretungen dieser Art eine Beeinträchtigung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben des Beamten dar. In den Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Strafe sei, so führte die belangte Behörde im Zusammenhang weiter aus, die grundsätzliche Notwendigkeit der Verhängung einer Disziplinarstrafe unbestritten geblieben, sodaß eine nähere Erörterung der Frage des Erfordernisses einer zusätzlichen Disziplinarstrafe iSd § 95 Abs. 3 BDG 1979 habe unterbleiben können. Obschon dem Erfordernis des § 93 Abs. 2 BDG 1979 Rechnung zu tragen und auszusprechen sei, daß die Dienstpflichtverletzung vom 17. August 1988 als schwerwiegendere anzusehen sei, nach der die Bemessung der Strafe vorzunehmen gewesen sei, halte die belangte Behörde beide als erwiesen angenommenen Verfehlungen für gravierend und verwerflich. Der Beschwerdeführer als Exekutivbeamter und Organ der Straßenaufsicht habe hiedurch gerade jene Rechtsgüter, zu deren Schutz er nach den Gesetzen dieses Staates berufen sei, bewußt verletzt. Hiedurch habe er ein bedenkliches charakterliches und moralisches Versagen und ein Verhalten gezeigt, durch das nicht nur sein eigenes Ansehen, sondern das der gesamten Beamtenschaft im allgemeinen und seines Exekutivkörpers im besonderen herabgesetzt worden sei. Das habe zur Folge, daß dadurch das Vertrauensverhältnis, das zwischen ihm und der Verwaltung bestehe und die Grundlage des österreichischen Beamtentums bilde, schwerstens erschüttert worden sei (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. März 1982, Zl. 09/0151/79). Diese tiefgreifende Vertrauensschädigung und der Ansehensverlust hätten nach Meinung der belangten Behörde bewirkt, daß dem Beschwerdeführer die für die verantwortungsvolle Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit unbedingt erforderliche Verläßlichkeit fehle und er somit nicht mehr im öffentlichen Dienst verwendet werden könne. Ausschlaggebend für diese Überlegungen sei die Tatsache, daß der Beschwerdeführer seit 1984 bereits mit vier Disziplinarstrafen belegt worden sei, die offenbar alle ihren spezialpräventiven Effekt verfehlt hätten. Auch die ihm anläßlich des letzten Verfahrens im Jahre 1988 gebotene Chance, weiterhin im öffentlichen Dienst zu bleiben, habe der Beschwerdeführer nicht genützt, sondern sei nunmehr neuerlich zweimal einschlägig straffällig geworden. Unter Bedachtnahme auf diese Umstände erschien die Argumentation der Verteidigung, der Beschwerdeführer sei nun bereit, seine Alkoholkrankheit behandeln zu lassen, wobei sich schon ein gewisser Erfolg zeige, nicht geeignet, die belangte Behörde vom ehrlichen Besserungswillen des Beschwerdeführers überzeugen zu können. Die belangte Behörde sei sich durchaus bewußt, daß die Entlassung als schwerste Disziplinarstrafe gegen aktive Bedienstete - im Hinblick auf ihre Auswirkungen - nur dann verhängt werden solle, wenn keine andere Strafart den als erwiesen angenommenen Dienstpflichtverletzungen entspreche. Naturgemäß komme ihr, zum Unterschied von anderen Strafmitteln, keine Erziehungsfunktion in bezug auf den Beamten zu, sie sei vielmehr als Instrument des im Beamten-Dienstrechtsgesetz enthaltenen sogenannten "Untragbarkeitgrundsatzes" zu sehen. Zweck dieser Strafe sei somit, daß sich die Dienstbehörde von einem untragbar gewordenen Bediensteten unter Auflösung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses trennen könne (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1982, Zl. 82/09/0062). Die Untragbarkeit des Beschwerdeführers habe die belangte Behörde darin gesehen, daß eine Reihe von Disziplinarstrafen zu keiner Änderung des Verhaltens des Beschwerdeführers geführt habe und daß er seine Haltlosigkeit fortgesetzt habe, indem er weiterhin dem Alkohol zugesprochen und in diesem Zustand schwerwiegende Verwaltungsübertretungen gesetzt habe. Die einschlägigen Vorstrafen hätten jedenfalls gezeigt, daß der Beschwerdeführer mit bloß einer Geldstrafe von der Begehung weiterer, auf derselben schädlichen Neigung beruhender Dienstpflichtverletzungen, nicht abgehalten habe werden können. Dem aus der Berufung erkennbaren Argument, auch eine mildere Strafe würde dem gesetzlichen Strafzweck, den Beschuldigten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, gerecht werden, habe somit keine Bedeutung beigemessen werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde erstattete zur Beschwerde eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Gerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht darauf, nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 43, 44, 91 und 93 BDG 1979 einer Dienstpflichtverletzung schuldig erkannt und mit der Disziplinarstrafe der Entlassung belegt zu werden, durch unrichtige Anwendung dieser Bestimmungen sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt. Er trägt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit vor, in bezug auf seine Alkoholkrankheit liege der wesentliche Irrtum der belangten Behörde darin, daß sie die Frage der Zurechenbarkeit mit der Frage der Vorwerfbarkeit gleichsetze und damit eine punktuelle Beurteilung auf einen Sachverhalt anwende, der seinem Wesen nach durch Dauerwirkung gekennzeichnet sei. Die Frage der Bindungswirkung der verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisse könne sich nur auf die Frage der Zurechenbarkeit beziehen. Er habe jedoch nie Unzurechnungsfähigkeit geltend gemacht, sondern die mangelnde Vorwerfbarkeit des Alkoholkonsums behauptet. Dieses Vorbringen wäre durch die Einholung eines entsprechenden medizinischen (psychiatrisch-neurologischen) Sachverständigengutachtens bewiesen worden. Daß der Alkoholismus eine Krankheit darstelle, sei dem Stande der Wissenschaft nach überhaupt nicht anzweifelbar. Die Charakteristik dieser Krankheit bestehe darin, daß in ihrer akuten Phase ein dauernder und so starker Antrieb zum Alkoholkonsum gegeben sei, daß der bewußte Willensentschluß zur Verhinderung immer wieder neuerlichen Alkoholkonsums auf Dauer nicht ausreiche. Allerdings könne der Alkoholismus durch eine Entziehungskur in eine latente Phase überführt werden, in welcher auch die dauernde Alkoholabstinenz durch Willensentschluß möglich sei. Vorwerfbar sei dementsprechend grundsätzlich, daß nach einer Entziehungskur wieder mit einem Alkoholkonsum begonnen werde. Die alles entscheidende Frage sei jedoch, ob ein psychisches Grundleiden vorhanden sei, das schon für die Ausbildung des Alkoholismus ursächlich gewesen sei und das auch weiterhin ursächlich bleibe für die Herbeiführung neuerlicher akuter Phasen nach Entziehungskuren, und zwar auf solche Weise, daß es die Vorwerfbarkeit deshalb ausschließt, weil es auch die während der latenten Phase erforderliche Widerstandskraft zu sehr vermindere. Die Antwort auf diese Frage hätte nur durch das beantragte Sachverständigengutachten erbracht werden können. Er habe sich den Alkoholismus nicht aus Freude am Trinken, sondern durch Trinken als Flucht vor psychischen Problemen zugezogen. Eine inhaltliche Rechtswidrigkeit erblicke der Beschwerdeführer jedoch auch in der Strafbemessung. Wenn weder irgendeine Fehlhandlung im Dienst gegeben sei, noch die außerdienstlichen Fehlhandlungen einen konkreten Schaden (Unfall oder dergleichen) nach sich gezogen hätten, so könne auch abgesehen von allen oben angestellten Erwägungen nach Dafürhalten des Beschwerdeführers nicht von einer Untragbarkeit oder völligem Vertrauensverlust die Rede sein und es sei die Disziplinarstrafe der Entlassung nicht gerechtfertigt.
Der Beschwerde kommt aus folgenden, vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachten Gründen, Berechtigung zu.
Die bekämpfte Disziplinarstrafe der Entlassung des Beschwerdeführers ist auf die beiden oben dargestellten verwaltungsstrafbehördlichen Verurteilungen gestützt, wobei die belangte Behörde die Verwaltungsübertretung vom 17. August 1988 bei der Strafbemessung gemäß § 93 Abs. 2 BDG 1979 als schwerwiegender qualifiziert hat.
Wird von einer Verfolgung nach § 95 Abs. 1 BDG 1979 mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht abgesehen, dann ist nach der Anordnung des § 95 Abs. 3 BDG 1979, wenn sich eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Disziplinarstrafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.
Diese Bestimmung regelt die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen eine der im § 92 Abs. 1 Z. 1 bis 4 BDG 1979 abschließend aufgezählten Disziplinarstrafen auch dann noch ausgesprochen werden darf, wenn gegen den Beamten zuvor wegen desselben Sachverhaltes (Tatidentität) eine gerichtliche Strafe verhängt worden war.
Die Richtlinien, nach denen bei der Strafbemessung vorzugehen ist, enthält § 93 Abs. 1 BDG 1979, wonach das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.
Bei der Strafbemessung ist nach der oben wiedergegebenen Gesetzesbestimmung des § 93 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 vor allem die Schwere der Dienstpflichtverletzung, insbesondere die Bedeutung der verletzten Pflicht, entscheidend. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es für die Schwere der Dienstpflichtverletzung maßgeblich, in welchem objektiven Ausmaß gegen Standes- oder Amtspflichten verstoßen oder der Dienstbereich beeinträchtigt wird (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Juni 1975, Zl. 115/75, Slg. N.F. Nr. 8853/A).
Die belangte Behörde gelangte bei der Prüfung der Frage, ob über den Beschwerdeführer ZUSÄTZLICH zu den beiden Verwaltungsstrafen in Höhe von je 9.000 S noch eine Disziplinarstrafe zu verhängen war, zur Auffassung, daß wegen der Art des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers als Exekutivbeamter, der gerade jene Rechtsgüter, zu deren Schutz er nach den einschlägigen Gesetzen berufen sei, verletzt habe, die Voraussetzungen für die Verhängung der zusätzlichen Disziplinarstrafe der Entlassung gegeben sind.
Diese Auffassung erweist sich hinsichtlich der verwaltungsbehördlich festgestellten Übertretung vom 3. März 1988 aus folgenden Gründen als rechtswidrig:
Der Beschwerdeführer war nach den spruchmäßigen Feststellungen im erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis am 3. März 1988 außer Dienst und in Zivil, als er um 13.15 Uhr gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht die Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt verweigert hatte.
§ 5 Abs. 2 StVO ermächtigt Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht, die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen, wenn vermutet werden kann, daß sich diese Personen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden.
Der Zweck der Atemluftprobe besteht darin, die Vermutung einer Alkoholbeeinträchtigung entweder zu entkräften oder zu erhärten, wobei im letzteren Fall weitere Untersuchungsmethoden vorgesehen sind (§ 5 Abs. 4 und 6 StVO), die die Frage der tatsächlichen Alkoholbeeinträchtigung endgültig klären sollen.
Die bloße Weigerung, die Atemluft unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 StVO untersuchen zu lassen, verletzt § 99 Abs. 1 lit. b leg. cit. (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1979, Zl. 1781/77, Slg. Nr. 9898/A).
Dagegen liegt keine Verpflichtung zu einer zusätzlichen disziplinären Bestrafung vor, wenn ein NICHT IM DIENST BEFINDLICHER Exekutivbeamter der Aufforderung seiner Kollegen, sich einem Alkoholtest zu unterziehen, nicht nachkommt. Damit allein hat ein Beamter nicht ein Verhalten gesetzt, das das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erschüttert. Daher ist auch die erfolgte verwaltungsbehördliche Bestrafung eine Maßnahme, die den Unrechtsgehalt dieser Vorgangsweise so vollständig abdeckt, daß im Sinne des § 95 Abs. 1 BDG 1979 von einer zusätzlichen diesziplinären Verfolgung abzusehen ist.
Da die belangte Behörde solcherart die Rechtslage verkannte, mußte der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG der Aufhebung verfallen.
Was aber den als schwerwiegendere Dienstpflichtverletzung qualifizierten Vorfall vom 17. August 1988 anlangt, so hat der erkennende Senat in seinem Erkenntnis vom 6. Oktober 1982, Zl. 82/09/0062, Slg. Nr. 10842/A, dargetan, daß ein Beamter, der im Laufe der Zeit infolge übermäßigen Alkoholgenusses sowohl in seiner dienstlichen Führung als auch in seinen dienstlichen Leistungen völlig abgeglitten ist und bei dem weder mündliche noch schriftliche Ermahnungen seines Vorgesetzten noch eine empfindliche Disziplinarstrafe zu einer Änderung seines Verhaltens geführt haben und der keine Einsicht zeigt und seine Haltlosigkeit fortsetzt, indem er weiterhin dem Alkohol zuspricht, für den öffentlichen Dienst nicht mehr tragbar ist.
Diese Feststellungen sind auch im vorliegenden Beschwerdefalle von rechtlichem Gewicht.
Im vorliegenden Falle hat die belangte Behörde nach dem Wortlaut der oben wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides zu einem wesentlichen Grade die Auswahl der Strafart, nämlich die Entlassung, darauf gestützt, daß der Beschwerdeführer außer Dienst ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkoholkonsum beeinträchtigten Zustand gelenkt hat.
Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, daß der ständig zunehmende Straßenverkehr in steigendem Maße die Gefährdung von Leben und körperlicher Unversehrtheit der Verkehrsteilnehmer mit sich bringt. Diese Gefahr wird durch die Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluß wegen der damit verbundenen Minderung der Reaktionsfähigkeit und der zu größerer Rücksichtlosigkeit verführenden Steigerung des Selbstvertrauens und der Unbekümmertheit des Täters noch erheblich erhöht. Trunkenheit am Steuer wird in der Öffentlichkeit auch aus der Sicht eines unvoreingenommenen, sachlich urteilenden Betrachters wegen der Unverantwortlichkeit eines solchen Verhaltens und der damit verbundenen Gefährdung der übrigen Verkehrsteilnehmer keineswegs als ein Kavaliersdelikt, sondern als eine Straftat mit echtem kriminellen Gehalt angesehen. Hieraus folgt, daß schon das Lenken eines Kraftfahrzeuges im Zustand einer die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Alkoholisierung durch einen Exekutivbeamten, auch wenn er im Dienst kein Kraftfahrzeug führt, wegen des damit zwangsläufig verbundenen Achtungsverlustes in aller Regel geeignet ist, das Ansehen des Beamtentums in besonderem Maße zu schädigen und deshalb als eine nicht leicht zu nehmende Dienstpflichtverletzung gilt.
Diese Dienstpflichtverletzung ist in dem hier konkret gegebenen Zusammenhang jedenfalls eine solche, die zusätzlich zu der verhängten Verwaltungsstrafe die Verhängung einer Disziplinarstrafe rechtfertigt, ja erfordert, um den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen der unterlaufenen Art abzuhalten. Aus dem letztgenannten Ziel ergibt sich - zusammen mit der Schwere der Dienstpflichtverletzung an sich - das Maß für die Höhe der Strafe (§ 93 Abs. 1 BDG 1979).
Die belangte Behörde verhängte mit dem angefochtenen Bescheid über den Beschwerdeführer mit der Entlassung die schwerste der von der Rechtsordnung (§ 92 Abs. 1 BDG 1979) vorgesehenen Disziplinarstrafen und begründete dies im wesentlichen damit, der Beschwerdeführer sei für die Dienstbehörde untragbar geworden, weil eine Reihe von Disziplinarstrafen zu keiner Änderung seines Verhaltens geführt und er seine Haltlosigkeit insofern fortgesetzt habe, als er weiterhin dem Alkohol zugesprochen und in diesem Zustand "noch schwerwiegende Verwaltungsübertretungen" (nach den vorstehenden Ausführungen kommt als Gegenstand des jetzt in Rede stehenden Disziplinarverfahrens nur EINE Verwaltungsübertretung in Betracht) gesetzt habe. Einschlägige Vorstrafen zeigten jedenfalls, daß der Beschwerdeführer bloß durch eine Geldstrafe nicht von der Begehung weiterer, auf derselben schädlichen Neigung beruhender Dienstpflichtverletzungen habe abgehalten werden können.
Diese in der von der belangten Behörde gewählten allgemeinen Fassung an sich nicht unrichtigen Ausführungen genügen nicht dem Konkretisierungsgebot, dem eine Bescheidbegründung überhaupt und umso mehr dann zu entsprechen hat, wenn sie tragfähige Grundlage für eine so schwerwiegende Maßnahme wie die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung sein soll. Der bloße Hinweis darauf, der Beschwerdeführer habe schon früher dienstliche und teilweise mit Disziplinar-(Geld-)strafen geahndete Verfehlungen begangen, die durch Alkoholkonsum hervorgerufen gewesen seien, reicht für die daraus gezogene rechtliche Schlußfolgerung nicht aus. Um eine solche Folgerung ziehen zu können, hätte die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides alle einschlägigen früheren Vorfälle einschließlich ihrer Ursachen, Folgen und Begleiterscheinungen im einzelnen und auf Grund eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfharens, an dem auch der Beschwerdeführer zu beteiligen war, feststellen müssen. Ohne diese Feststellungen konnte nicht gesagt werden, daß es sich beim Beschwerdeführer um einen Beamten handelt, der wiederholt und trotz deshalb über ihn verhängter Disziplinarstrafen wegen nicht auf krankhaftem Alkoholismus beruhenden Alkoholkonsums im Dienst nicht die ihm obliegenden Leistungen erbracht hat. Nur wenn derartiges für den Beschwerdeführer zuträfe, wäre seine Entlassung die der Sachlage angemessene Disziplinarstrafe.
Aber auch Feststellungen in der Richtung, daß der Beschwerdeführer während des Dienstes Alkohol getrunken hätte oder als Folge seines Hanges zum Alkohol negative Erscheinungen, wie Minderung des psychischen und physischen Leistungsvermögens, insbesondere der Reaktionsfähigkeit und des Verantwortungsbewußtseins bei ihm während des Dienstes aufgetreten wären, hat die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage nicht getroffen. Es ist nicht einmal dargetan, ob die Neigung des Beschwerdeführers, sich in bezug auf Alkoholgenuß gehen zu lassen, zu langen dienstlichen Ausfällen geführt hat.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher aus der Begründung des angefochtenen Bescheides, die im wesentlichen aus der floskelhaften Wiedergabe von Rechtssätzen aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht, nicht zu erkennen, daß im Beschwerdefall die schwerste Disziplinarstrafe, nämlich die der Entlassung, zu verhängen war. Die objektive Schwere des Dienstvergehens vom 17. August 1988 und das sonstige im angefochtenen Bescheid dargestellte Verhalten des Beschwerdeführers vermögen die Disziplinarstrafe der Entlassung allein nicht zu rechtfertigen.
Da die belangte Behörde solcherart die Rechtslage verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid insgesamt mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz des Aufwandes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
Schlagworte
Mängel im Spruch Nichtangabe der verletzten VerwaltungsvorschriftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990090110.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
02.11.2016