TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/18 90/09/0070

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Veröffentlicht am 18.10.1990
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Index

43/01 Wehrrecht allgemein;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §91;
BDG 1979 §92 Abs1;
HDG 1985 §14;
HDG 1985 §15;
HDG 1985 §2 Abs1 idF 1988/342;
HDG 1985 §2 Abs4;
HDG 1985 §48;
HDG 1985 §55 Z3;
HDG 1985 §56 Abs3;
HDG 1985 §6 Abs1;
HDG 1985 §6 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Kommandanten des Landwehrstammregiments n vom 2. März 1990, Zl. 2.308-3170/10/90, betreffend Disziplinarstrafe nach dem Heeresdisziplinargesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Offizierstellvertreter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Republik Österreich. Seine Dienststelle ist die Stabskompanie des Landwehrstammregimentes n in K. Der Beschwerdeführer nahm in seiner Funktion als Personalsachbearbeiter der Stabskompanie des Jägerbataillons n1 in der Zeit vom 31. August 1989 bis zum 9. September 1989 an einer Truppenübung in Sarasdorf und am Truppenübungsplatz Allensteig teil und hatte dabei das Personalmeldesystem zu bearbeiten. Dabei oblag ihm u.a. die Erstellung von Listen jener Wehrpflichtigen, gegen die insbesondere wegen Nichteinrückens zur Truppenübung ein Disziplinarverfahren einzuleiten war. Bei dieser Tätigkeit unterliefen dem Beschwerdeführer zwei Fehler, weshalb gegen ihn selbst ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde.

Mit Disziplinarerkenntnis des Einheitskommandanten vom 13. November 1989 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es

"im Zuge der BTÜ JgB n1 vom 31 08 89 bis 09 09 89 verabsäumt, die auf Grund des Nichteinrückens eines Wehrpflichtigen der Miliz gemäß HDG 85 erforderlichen ersten Formalitäten

- besonders die schriftliche Mitteilung über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens an den Betroffenen zu versenden - zu tätigen, und gegen einen weiteren Wehrpflichtigen der Miliz, obwohl dieser ordnungsgemäß zur BTÜ eingerückt ist, die oben genannten Tätigkeiten durchgeführt."

Der Beschwerdeführer habe hiedurch gegen die §§ 3 Abs. 1, 7 Abs. 1 und 9 Abs. 1 ADV, gegen den § 44 Abs. 1 und 3 Wehrgesetz sowie gegen die §§ 43 Abs. 1 und 2, 44 Abs. 1 und 53 Abs. 1 BDG 1979 verstoßen und eine Pflichtverletzung gemäß § 2 Abs. 1 des Heeresdisziplinargesetzes, BGBl. Nr. 294/1985 (HDG), begangen. Es wurde deshalb über den Beschwerdeführer gemäß § 48 Abs. 2 in Verbindung mit § 61 HDG die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe von S 200,-- verhängt.

Der Begründung dieses erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses ist zu entnehmen, daß das Ermittlungsverfahren ergeben habe, daß für den Beschwerdeführer der Verdacht bestanden habe, der Gefreite R habe den Einberufungsbefehl nicht befolgt. Der Beschwerdeführer habe in einem von ihm selbst entworfenen Befehl die Einleitung eines Disziplinarverfahren gegen R angeordnet, doch sei die Absendung dieser Einleitung in der Folge unterblieben. In demselben Befehl sei auch die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Gefreiten E angeordnet worden, obwohl dieser ordnungsgemäß an der Truppenübung teilgenommen habe. Vor allem im letzteren Fall sei das Vertrauen der Öffentlichkeit und der Allgemeinheit in die Landesverteidigung und in die ordnungsgemäße Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben des Beamten beeinträchtigt worden. Als erschwerend sei gewertet worden, daß der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Nichtbefolgung des Einberufungsbefehls durch R fernmündlich einige Male vorgewarnt worden sei; erschwerend sei auch das Zusammentreffen zweier Vergehen. Der Vorwurf einer vorsätzlichen Pflichtverletzung habe aber nicht aufrechterhalten werden können. Mildernd sei die bisherige Unbescholtenheit und die bisherige Dienstleistung des Beschwerdeführers gewesen; ferner sei als mildernd angesehen worden, daß der Beschwerdeführer bei seiner Tätigkeit praktisch nicht unterstützt worden sei, daß er aber trotzdem für die vorbildliche Durchführung des Personalmeldesystems im Einsatz trotz einer zeitweisen personellen Verantwortlichkeit über ca. 1500 Mann belobigt worden sei, sowie daß der Beschwerdeführer als Alleinverdiener für eine fünfköpfige Familie zu sorgen habe. Aus Gründen der Spezial- und Generalprävention und aus den angeführten Entscheidungsgründen sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung wegen Schuld und Strafe. Zum Faktum R führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, es sei die Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen diesen Wehrpflichtigen vorgesehen gewesen. Es sei jedoch so, daß in zahlreichen Fällen auch nach Unterfertigung der Einleitung des Disziplinarverfahrens noch gerechtfertigte Krankmeldungen einliefen; in diesen Fällen würden die entsprechend vorbereiteten Einleitungen von Disziplinarverfahren formlos vernichtet. Eine mögliche Erklärung für die Nichtabsendung dieser Einleitung betreffend R könne nun darin bestehen, daß der Beschwerdeführer versehentlich dieses Schriftstück zusammen mit anderen Formularen, die auf Grund gerechtfertigter Krankmeldungen zu vernichten gewesen seien, ebenfalls vernichtet habe. Es bestünden aber auch noch andere Möglichkeiten, wie das Schriftstück in Verstoß geraten sein könne. Der Beschwerdeführer habe nicht nachweisbar schuldhaft gehandelt. Dazu komme, daß der Beschwerdeführer infolge personeller Unterbesetzung bei seiner Arbeit erheblich überlastet gewesen sei. Es sei dem Beschwerdeführer höchstens eine entschuldbare Fehlleistung, jedoch kein Verschulden, auch nicht Fahrlässigkeit, vorzuwerfen. Eine fehlerlose Arbeit könne nicht einmal von einem ausgezeichneten Beamten erwartet werden. Zum Faktum E führte der Beschwerdeführer in seiner Berufung aus, daß er versehentlich einen entsprechenden Vermerk über das Nichteinrücken dieses Wehrpflichtigen auf einer Liste angebracht habe. Durch die Absendung dieser insoweit fehlerhaften Liste sei aber keinesfalls das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Landesverteidigung und in die Dienstleistung der Beamten beeinträchtigt worden. Es werde dem Beschwerdeführer somit zu Unrecht ein Verschulden angelastet. Zur Strafbemessung wies der Beschwerdeführer insbesondere darauf hin, daß es trotz seiner Fehlleistung im Falle R ohnehin zu den erforderlichen disziplinären Schritten gegen diesen Wehrpflichtigen gekommen sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 2. März 1990 hat der Kommandant des Landwehrstammregimentes n als Disziplinarvorgesetzter (die belangte Behörde) der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 36 Abs. 2 HDG nur teilweise Folge gegeben und die verhängte Geldbuße von S 200,- auf S 150,-- herabgesetzt. In der Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde im einzelnen auf die dem erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnis vorangegangenen niederschriftlichen Angaben der Beteiligten, insbesondere des Beschwerdeführers selbst, sowie auf den Inhalt der erstinstanzlichen Entscheidung und der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung ein. Die Angaben des Beschwerdeführers wertete die belangte Behörde als "Geständnis", auf Grund dessen der im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides angeführte Sachverhalt als erwiesen habe angenommen werden können. Mit der Erklärung, seine Handlungsweise habe auf einem Versehen beruht, habe der Beschwerdeführer auszudrücken gewünscht, daß er nicht vorsätzlich gehandelt habe. Es sei aber im Falle R trotz der Handlungsweise des Beschwerdeführers inzwischen ein rechtskräftiges Disziplinarerkenntnis ergangen. Auch im Falle E habe die Behörde erster Instanz auf Grund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers vom festgestellten Sachverhalt ausgehen können. Hier sei der Beschwerdeführer nur insoweit im Recht, als durch die Absendung der Mitteilung über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen E noch nicht das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Landesverteidigung und in die ordnungsgemäße Arbeit der Beamten beeinträchtigt worden sei; diese Einschränkung habe in der Herabsetzung der über den Beschwerdeführer verhängten Geldbuße ihren Ausdruck gefunden. Im übrigen sei der erstinstanzlichen rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes zu folgen, diese sei auch vom Beschwerdeführer "nicht beanstandet" worden, weshalb sich weitere Erörterungen erübrigten.

Zur Schuldhaftigkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers seien die Berufungsausführungen nicht geeignet darzutun, daß der disziplinär geahndete Sachverhalt dem Beschwerdeführer nicht als Verschulden zuzurechnen sei. Vielmehr müsse die Begehung gegenständlicher Pflichtverletzungen als fahrlässig qualifiziert werden. Fahrlässig handle, wer die Sorgfalt außer acht lasse, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt sei und trotz Zumutbarkeit nicht erkenne, daß er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild - im gegenständlichen Fall einer Verletzung einer ihm als Soldaten und Beamten obliegenden Pflicht - entspreche. Auch die damals stärkere Belastung des Beschwerdeführers entbinde ihn nicht von der Pflicht, seinen Aufgaben ordnungsgemäß nachzukommen. Daran vermöge es nichts zu ändern, daß der Beschwerdeführer seine Überlastung gemeldet habe, daß er für seine Tätigkeit ausdrücklich belobigt worden sei und daß er eine überdurchschnittliche Leistungsfeststellung aufgewiesen habe. Der Beschwerdeführer habe seinen Aufgaben auch unter einsatzartigen Bedingungen nachkommen müssen; weder die Nichtverfügbarkeit des erforderlichen Personals noch die Leistung von (bezahlten) Überstunden durch den Beschwerdeführer rechtfertige die festgestellten Fehlleistungen. Bei den dem Beschwerdeführer angelasteten Fakten R und E handle es sich überdies um "Normabläufe", welche keine besondere geistige Anstrengung zur ordnungsgemäßen Erledigung voraussetzten. Es sei nur erforderlich gewesen, daß der Beschwerdeführer die Aufzeichnungen genau führte. Da ihm die Problematik im Fall R mehrmals als besonders bedeutend angekündigt worden sei, könne sein Fehlen in diesen beiden Fällen nicht als entschuldbarer Fehler bei der Arbeitsleistung qualifiziert werden, sondern es müsse dem Beschwerdeführer ein Mangel der erforderlichen Sorgfalt vorgeworfen werden. Es liege eine vorwerfbare Fehlleistung unter äußeren Bedingungen vor, welche für einen Beamten, der in Unteroffiziersfunktion verwendet werde, keine außergewöhnliche Belastung darstelle. Das nachträgliche Tätigwerden der zuständigen Behörden im Falle R vermöge den Beschwerdeführer nicht von dem ihm vorgeworfenen Verhalten zu entlasten, es habe nur bei der Strafbemessung Berücksichtigung zu finden. Auch Fragen der Leistungsfeststellung hinsichtlich des Beschwerdeführers könnten dahingestellt bleiben, es komme nur darauf an, ob der Beschwerdeführer eine Pflichtverletzung gemäß § 2 HDG begangen habe. Die belangte Behörde verkenne nicht, daß auch der fähigste und zuverlässigste Beamte gelegentlich Fehler mache und Schwankungen seiner Arbeitskraft unterworfen sei. Im gegenständlichen Fall aber liege echte Schuld und nicht nur Unvermögen vor. Ergänzend zu diesen Ausführungen zur Schuldfrage sei festzustellen, daß keine Anhaltspunkte vorlägen, daß die Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers in Frage gestellt wäre; so könne die besondere Belastung des Beschwerdeführers bei der Truppenübung keinesfalls als Schuldausschließungsgrund gewertet werden. Eine Verpflichtung der Disziplinarbehörde erster Instanz, weitere Erhebungen das Verschulden des Beschwerdeführers betreffend vorzunehmen, hätte daher nicht bestanden. Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde begründend aus, es stelle der Umstand, daß der Beschwerdeführer trotz mehrmaliger Ankündigung der Problematik im Falle R seinen Pflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen sei, den Vorwurf der erhöhten Fahrlässigkeit dar; der Beschwerdeführer habe nicht nur einfach die ihm obliegenden Maßnahmen vergessen oder übersehen, sondern trotz Hinweis gerade auf diesen Fall seine Pflichtverletzung begangen. Die Aufnahme weiterer Beweise durch die belangte Behörde sei nicht erforderlich gewesen. Es habe daher auch die Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung unterbleiben können. Es seien weder die Voraussetzungen zu einer Einstellung des Disziplinarverfahrens noch zu einer Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz vorgelegen, sodaß spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, daß über ihn keine Disziplinarstrafe ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen verhängt werde, sowie in seinem Recht auf ordnungsgemäße Durchführung des Verwaltungsverfahrens verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Disziplinarverfahren nach dem HDG ist als "Kommandantenverfahren" (§§ 55 bis 63) oder als "Kommissionsverfahren" (§§ 64 bis 74) durchzuführen. Da die Disziplinargewalt rechtlich der Befehlsgewalt folgt, haben nach dem HDG alle Truppenführer im hierarchischen Aufbau des Bundesheeres vom Kompaniechef über den Bataillionskommandanten bis zum Bundesminister für Landesverteidigung Disziplinargewalt. Durch die im § 56 Abs. 3 HDG getroffene Regelung sind die zuständigen Disziplinarvorgesetzten in die Lage versetzt, über Soldaten, die dem Bundesheer auf Grund eines Dienstverhältnisses angehören, die (einfachen) Disziplinarstrafen des Verweises und der Geldbuße (§ 48 Z. 1 und 2 HDG) zu verhängen. Unter den Voraussetzungen des § 55 Z. 3 HDG hat dies in Form des Kommandantenverfahrens zu erfolgen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1989, Zl. 89/09/0054, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Gemäß § 2 Abs. 4 HDG ist disziplinar nur strafbar, wer schuldhaft handelt. Niemand darf bestraft werden, wenn seine Schuld nicht erwiesen ist. Schuldhaft verletzt der Soldat seine Pflichten nur dann, wenn er ihnen entweder vorsätzlich oder fahrlässig zuwiderhandelt. Zur Feststellung einer Dienstpflichtverletzung gehört der Nachweis, der Beamte habe mit dem Wissen, pflichtwidrig zu handeln, oder unter Außerachtlassung der gebotenen und zumutbaren Sorgfalt gegen seine ihm auferlegten Pflichten verstoßen. Dazu kommt, daß die Feststellung der Schuldform (des Grades des Verschuldens) vor allem für die Schwere der Dienstpflichtverletzung und damit letztlich für die Bemessung der Strafe (§ 6 Abs. 1 erster Satz HDG) entscheidend ist (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 1990, Zl. 90/09/0020, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Das Disziplinarrecht bezweckt die Aufrechterhaltung eines geordneten Dienstbetriebes und erfüllt eine dem Interesse der Allgemeinheit dienende Ordnungsfunktion. Anders als im Strafrecht, wo moralische Wertung, Vergeltung und Sühne im Vordergrund stehen, sind im Disziplinarrecht die Ahndungsgesichtspunkte vorwiegend die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen und korrekten Dienstbetriebes. Durch eine Disziplinarstrafe soll der der Disziplinargewalt Unterworfene entweder an seine dienstlichen Pflichten gemahnt und angehalten werden, diese Pflichten künftig zuverlässig zu erfüllen, oder, wenn er schuldhaft in seinem Dienstverhältnis untragbar geworden ist, im Wege der Entlassung aus dem Dienstverhältnis entfernt werden (vgl. auch dazu das oben angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 1990).

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß dem Beschwerdeführer bei der Durchführung des Personalmeldesystems im Zuge einer Truppenübung zwei Fehler unterlaufen sind, durch welche es ohne Zutun anderer Heeresdienststellen zu keinem Disziplinarverfahren gegen R wegen dessen Nichtbefolgung des Einberufungsbefehls gekommen wäre, und durch welche es anderseits zu einem solchen Disziplinarverfahren gegen den ohnehin ordnungsgemäß eingerückten E hätte kommen können. Daß der Beschwerdeführer dadurch objektiv gegen dienstlich bindende Anordnungen verstoßen hat, ist ebenso unbestritten wie der Umstand, daß der Beschwerdeführer sein Fehlverhalten nicht vorsätzlich gesetzt hat. Strittig ist nur, ob dem Beschwerdeführer dabei ein fahrlässiges und damit disziplinar schuldhaftes Verhalten anzulasten ist, oder ob der Beschwerdeführer unter den gegebenen Umständen bloß disziplinär nicht vorwerfbare Verstöße gegen die dienstliche Ordnung zu vertreten hat.

Dabei ist der belangten Behörde zuzugestehen, daß der Umstand, daß der Beschwerdeführer auf die mögliche Brisanz des Falles R hingewiesen worden ist, und der Umstand, daß dem Beschwerdeführer in zwei Fällen Fehler unterlaufen sind, Indizien in Richtung einer Außerachtlassung der zumutbaren Sorgfalt darstellen. Auf der anderen Seite hat der Beschwerdeführer allerdings auf die unwiderlegt gebliebene Belastungssituation hingewiesen, wonach er allein die Arbeit von planmäßig vier Personen zu bewältigen gehabt habe, und daß sich dadurch naturgemäß die mögliche Fehlerquote entsprechend erhöht habe. Dazu hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausgeführt, es liege eine vorwerfbare Fehlleistung unter äußeren Bedingungen vor, welche für den Beschwerdeführer keine außergewöhnliche Belastung dargestellt hätten; wenn auch der fähigste und zuverlässigste Beamte gelegentlich Fehler mache und Schwankungen seiner Arbeitskraft unterworfen sei, liege doch im gegenständlichen Fall "echte Schuld und nicht nur Unvermögen" vor. Im Ergebnis schließt die belangte Behörde damit aus dem bloßen Zuwiderhandeln des Beschwerdeführers gegen die ihm auferlegten Pflichten bereits auf die Schuldhaftigkeit, obwohl die Feststellung der irrigen Vorgangsweise, ebenso wie etwa bloßes Vergessen, über die Schuld des Beschwerdeführers noch nichts auszusagen vermag (vgl. auch dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 1990, Zl. 90/09/0020).

Bei den dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegenen tatsächlichen Umständen verletzte daher die belangte Behörde den Beschwerdeführer in seinem Recht, wegen der ihm unterlaufenen Fehler nicht disziplinär zur Verantwortung gezogen zu werden. Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 sowie 59 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990090070.X00

Im RIS seit

18.10.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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