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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §45 Abs3;Betreff
N gegen Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz vom 8. Februar 1990, Zl. 4 Ds 28/89, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Staatsanwalt in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist die Staatsanwaltschaft Wien. Der Beschwerdeführer übt auch eine Funktion als Personalvertreter aus.
Der Beschwerdeführer hatte als zuständiger Referent u.a. eine Strafsache zu bearbeiten, welche einen Munitionskauf durch das Bundesministerium für Landesverteidigung bei der Firma X zum Gegenstand hat.
Am 27. Dezember 1989 erstattete der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien nach Einlangen der nach § 28 PVG erforderlichen Erklärung des zuständigen Dienststellenausschusses wegen der Vorgangsweise des Beschwerdeführers in diesem Strafverfahren Disziplinaranzeige an die belangte Behörde. Dieser Anzeige lag im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Beschwerdeführer habe am Freitag, dem 15. Dezember 1989, die Einleitung der Voruntersuchung gegen zwei Waffenhändler sowie die Vornahme von Hausdurchsuchungen bei diesen beantragt, weil der Verdacht vorgelegen sei, im Zusammenhang mit dem Ankauf von Übungsmunition durch das Bundesheer sei es zur Zahlung von Schmiergeldern und zu einer manipulierten Auftragsvergabe gekommen. Ebenfalls am 15. Dezember 1989 habe der Beschwerdeführer im Tagebuch ein gesteigertes Medieninteresse an dieser Sache festgehalten und sich vom Leitenden Staatsanwalt ermächtigen lassen, daß er für den Fall weiterer Anträge bei den vom Untersuchungsrichter am Wochenende geplanten Hausdurchsuchungen in dieser Strafsache als Journalstaatsanwalt tätig werden dürfe. Eine Information oder Berichterstattung an die Oberstaatsanwaltschaft oder an das Bundesministerium für Justiz sei trotz dieser ungewöhnlichen - auch das Bundesministerium für Landesverteidigung betreffenden - Vorgangsweise nicht erfolgt. Im Zuge der Hausdurchsuchungen am 16. Dezember 1989 hätten sich Hinweise auf eine "Freundschaft" zwischen einem der Waffenhändler und dem amtierenden Bundesminister für Landesverteidigung ergeben, worauf der Beschwerdeführer die Einleitung der Voruntersuchung gegen diesen und dessen Sekretär sowie die Durchführung weiterer Hausdurchsuchungen in den Diensträumen des Ministers und in der Privatwohnung seines Sekretärs beantragt habe. Diesen Anträgen habe der Untersuchungsrichter sogleich entsprochen, worauf die Durchsuchung des Ministersbüros vorgenommen und um 22.50 h des 16. Dezember 1989 beendet worden sei. Erst am Vormittag des darauffolgenden Sonntags habe der Beschwerdeführer zufolge einer telefonischen Aufforderung durch Generalanwalt A vom Justizministerium diesen telefonisch über die geschilderten Amtshandlungen informiert.
Der Verdacht eines pflichtwidrigen, disziplinarrechtlich zu prüfenden Verhaltens des Beschwerdeführers sei deshalb gegeben, weil dieser am 16. Dezember 1989 in einer Strafsache von besonderem öffentlichen Interesse ohne vorherige Befassung seiner vorgesetzten Behörden den Bestimmungen der §§ 8 Abs. 1 StAG und 14 Abs. 1 DV-StAG zuwider gegen den Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Robert Lichal den Antrag auf Einleitung einer Voruntersuchung sowie auf Vornahme einer Hausdurchsuchung in den Amtsräumen des Ministers gestellt habe, wozu noch komme, daß ohne Nachteile für die Erreichung des Verfahrenszweckes auch die Vornahme gerichtlicher Vorerhebungen ausreichend gewesen wäre.
Die gemäß § 109 Abs. 3 BDG 1979 vorgeschriebene Zustellung einer Abschrift der Disziplinaranzeige an den Beschuldigten werde unter einem veranlaßt.
Am 10. Jänner 1990 erstattete der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien gegen den Beschwerdeführer eine weitere Disziplinaranzeige, in welcher dem Beschwerdeführer neuerlich vorgeworfen wurde, er habe im Zusammenhang mit der Prüfung der Vorwürfe wegen behaupteter Malversationen beim Ankauf von Munition durch das österreichische Bundesheer seine Berichtspflicht verletzt. Ferner habe der Beschwerdeführer in einer am 4. Jänner 1990 im Buffet des Landesgerichtes für Strafsachen Wien stattgefundenen Pressekonferenz gezielte Anschuldigungen gegen Justizminister Dr. Egmont Foregger erhoben, indem er u.a. geäußert habe: "Sollte Verteidigungsminister Robert Lichal bei seinem Regierungskollegen Justizminister Egmont Foregger in der eigenen Causa interveniert haben, dann stellt sich die Frage des Amtsmißbrauches durch den Justizminister bzw. der Anstiftung dazu durch den Verteidigungsminister." Wie dem Beschwerdeführer bekannt und bewußt sein müsse, sei diese Anschuldigung selbst für den Fall einer Intervention mangels eines vorwerfbaren rechtswidrigen Vorgehens des Bundesministers in keiner Weise indiziert, sehr wohl aber geeignet, den Justizminister in den Augen der Öffentlichkeit herabzusetzen. Diese qualifiziert öffentlich abgegebene, herabsetzende Äußerung sei als Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG anzusehen.
Zu dieser zweiten Disziplinaranzeige wurde die gemäß § 28 Abs. 2 PVG erforderliche Zustimmungserklärung des zuständigen Dienststellenausschusses am 16. Jänner 1990 nachgereicht.
Die belangte Behörde faßte daraufhin ohne Vornahme weiterer Erhebungsschritte in ihrer nichtöffentlichen Sitzung vom 8. Februar 1990 den nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Einleitungsbeschluß, dessen Spruch lautet:
"1.
Gegen Staatsanwalt N wird gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 ein Disziplinarverfahren wegen des Verdachtes eingeleitet, der Genannte habe
a)
entgegen den Bestimmungen des § 8 Abs. 1 StAG und §§ 3, 14 Abs. 2 DV-StAG in der Strafsache 25 St n/88 der Staatsanwaltschaft Wien ab der Einleitung gerichtlicher Erhebungsschritte im Zusammenhang mit den Munitionskäufen bei der Firma X (2.2.1988) insbesondere im Zusammenhang mit den umfangreichen Anträgen vom 18.10.1988 und vom 15. und 16.12.1989 eine Berichterstattung über das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Wien unterlassen; dies obwohl nach dem dem Verfahren zugrundeliegenden Sachverhalt bekannt war, daß es sich um eine Strafsache von besonderer öffentlicher Bedeutung handelte und in diesem sensiblen Bereich für das Wochenende 16./17.12.1989 Weiterungen und die Erforderlichkeit unvorhergesehener Amtshandlungen, schließlich durch das von Journalisten bereits geäußerte Interesse an dem Fall eine Erörterung in der Öffentlichkeit mit Sicherheit zu erwarten wäre;
b)
am 4.1.1990 anläßlich der Abhaltung einer Pressekonferenz im Buffet des Landesgerichtes für Strafsachen Wien den Bundesminister für Justiz öffentlich des Mißbrauches der Amtsgewalt und der Verbreitung der Unwahrheit bezichtigt
und dadurch seine Dienstpflicht nach § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1989 mißachtet und hiedurch Dienstpflichtverletzungen nach § 91 BDG 1989 gesetzt.
2.
Gemäß § 123 Abs. 1 letzter Satz BDG 1979 wird der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien als Dienstbehörde um die Durchführung weiterer Erhebungen ersucht."
Begründend führte die belangte Behörde in ihrem Einleitungsbeschluß aus, auf Grund der beiden Disziplinaranzeigen des Leiters der Oberstaatsanwaltschaft Wien vom 27. Dezember 1989 und vom 10. Jänner 1990 bestehe der begründete Verdacht der im Spruch umschriebenen Dienstpflichtverletzungen des Beschwerdeführers. Es sei daher mit der Einleitung eines Disziplinarverfahrens vorzugehen. Da die vorliegenden Unterlagen für eine abschließende Beurteilung des angezeigten Sachverhaltes nicht ausreichten, seien noch weitere Erhebungen durch die dem Beschwerdeführer vorgesetzte Behörde zu veranlassen gewesen, um vor allem dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu den Vorwürfen zu ermöglichen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht darauf verletzt, daß gegen ihn ein Disziplinarverfahren nicht ohne Vorliegen der dafür erforderlichen Voraussetzungen, insbesondere eines begründeten Verdachtes, eine Dienstpflichtverletzung begangen zu haben, sowie ohne Beachtung des Verfolgungshindernisses seiner funktionellen Immunität als Personalvertreter eingeleitet werde. Auch seien die Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung und über das Parteiengehör von der belangten Behörde verletzt worden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß dem ersten Satz des § 109 Abs. 1 BDG 1979 hat der unmittelbar oder mittelbar zur Führung der Dienstaufsicht berufene Vorgesetzte (Dienstvorgesetzte) bei jedem begründeten Verdacht einer Dienstpflichtverletzung die zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen zu pflegen und sodann unverzüglich im Dienstwege der Dienstbehörde Disziplinaranzeige zu erstatten. Gemäß § 109 Abs. 3 hat die Dienstbehörde, sofern es sich nicht um eine Selbstanzeige handelt, eine Abschrift der Disziplinaranzeige unverzüglich dem Beschuldigten zuzustellen.
Auf Grund der Disziplinaranzeige oder des Berichtes des Dienstvorgesetzten hat die Dienstbehörde gemäß § 110 Abs. 1 BDG 1979 1.) eine Disziplinarverfügung zu erlassen oder 2.) die Disziplinaranzeige an den Vorsitzenden der Disziplinarkommission und an den Disziplinaranwalt weiterzuleiten.
Der Vorsitzende der Disziplinarkommission hat gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 nach Einlangen der Disziplinaranzeige die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag der Disziplinarkommission durchzuführen. Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen, so ist dieser Beschluß gemäß § 123 Abs. 2 dem beschuldigten Beamten, dem Disziplinaranwalt und der Dienstbehörde zuzustellen. Gegen die Einleitung des Disziplinarverfahrens ist kein Rechtsmittel zulässig.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, ist der Beschluß, gemäß § 123 Abs. 2 BDG 1979 das Disziplinarverfahren einzuleiten, nicht bloß eine prozeßleitende Verfügung. Wurde ein Einleitungsbeschluß gefaßt, dann tritt ex lege eine Veränderung bestimmter dienstlicher Rechte und Pflichten des Beamten ein. Der Einleitungsbeschluß ist daher als Bescheid zu qualifizieren und als solcher mangels Einrichtung eines gesetzlich zulässigen administrativen Instanzenzuges unmittelbar mit Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes anfechtbar (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Dezember 1979, Slg. 8686; ferner die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1989, Zl. 89/09/0113, vom 1. September 1988, Zl. 88/09/0064, und vom 8. September 1987, Zl. 87/09/0066, und die dort jeweils angeführte Vorjudikatur). Die vorliegende Beschwerde ist daher zulässigerweise erhoben worden.
Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides macht der Beschwerdeführer in erster Linie geltend, er sei als Personalvertreter tätig, und der zuständige Dienststellenausschuß habe nur die Zustimmung erteilt, den Beschwerdeführer hinsichtlich der in der ersten der beiden Disziplinaranzeigen enthaltenen Fakten zu verfolgen. Die die zweite Disziplinaranzeige betreffenden Teile des angefochtenen Einleitungsbeschlusses seien hingegen schon mangels Zustimmung des Dienststellenausschusses zur disziplinären Behandlung zu Unrecht in den Einleitungsbeschluß aufgenommen worden.
Gemäß dem ersten Satz des § 28 Abs. 1 PVG dürfen die Personalvertreter wegen Äußerungen oder Handlungen nur mit Zustimmung des Ausschusses, dem sie angehören, dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Kommt der Ausschuß zu dem Ergebnis, daß die Äußerungen oder Handlungen nicht in Ausübung der Funktion erfolgt sind, so hat er gemäß § 28 Abs. 2 PVG die Zustimmung zu erteilen.
Mit den Worten "dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen werden" ist unmißverständlich auch die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gemeint. Eine solche Einleitung ohne Zustimmung des zuständigen Dienststellenausschusses wäre daher tatsächlich gesetzwidrig (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. September 1987, Zl. 87/09/0066, und die dort zu dieser Frage angeführte Vorjudikatur).
Im Beschwerdefall vermag der Beschwerdeführer allerdings mit seiner diesbezüglichen Rüge nicht durchzudringen, weil sich aus den vorgelegten Akten in unbedenklicher Weise ergibt, daß die Zustimmung des Dienststellenausschusses, welchem der Beschwerdeführer angehört, auch zur zweiten Disziplinaranzeige der belangten Behörde bereits am 19. Jänner 1990, also vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides, erfolgt ist.
Sowohl als inhaltliche Rechtswidrigkeit als auch als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde ferner geltend, die belangte Behörde hätte das Disziplinarverfahren gegen ihn nicht einleiten dürfen, ohne vorher den Sachverhalt genauer zu ermitteln, und ohne vorher dem Beschwerdeführer Parteiengehör zu gewähren. Auch dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg.
Gemäß § 105 BDG 1979 sind auf das Disziplinarverfahren, soweit in diesem Abschnitt nicht anderes bestimmt ist, u.a. die Bestimmungen des AVG 1950 über den Gang des Ermittlungsverfahrens und über das Parteiengehör anzuwenden. Dies trifft somit grundsätzlich auch für das einem Einleitungsbeschluß vorangehende Verwaltungsverfahren zu. Allerdings gehen nach der Textierung des § 105 BDG 1979 in diesem Abschnitt des Gesetzes normierte verfahrensrechtliche Sonderbestimmungen den anzuwendenden Regeln des AVG 1950 vor (siehe dazu etwa zur Ausschaltung des § 66 Abs. 2 AVG 1950 durch § 124 Abs. 1 BDG 1979 in der Fassung vor der BDG-Novelle 1988, BGBl. Nr. 287/1988, das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 1989, Zl. 86/09/0012).
Eine derartige lex specialis, und zwar zur Frage der Gewährung des Parteiengehörs zur Disziplinaranzeige, soferne der Einleitungsbeschluß ausschließlich auf diese Anzeige gestützt wird, stellt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes der § 109 Abs. 3 BDG 1979 dar. Die unverzügliche Mitteilung der Disziplinaranzeige an den beschuldigten Beamten, welche die genannte Bestimmung zwingend vorsieht, setzt diesen in die Lage, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zur Kenntnis zu nehmen und allenfalls dazu auch eine Stellungnahme abzugeben. Nur dann, wenn die Disziplinarkommission vor der Erlassung des Einleitungsbeschlusses über die Disziplinaranzeige hinaus weitere Ermittlungen durchführen läßt - wozu sie nach dem Wortlaut des § 123 Abs. 1 BDG 1979 keinesfalls gezwungen ist -, hat sie zu den zusätzlichen Ermittlungsergebnissen dem beschuldigten Beamten im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG 1950 das Parteiengehör zu gewähren.
Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht, daß ihm entgegen der behördlichen Verpflichtung nach § 109 Abs. 3 BDG 1979 nicht unverzüglich Abschriften der beiden Disziplinaranzeigen zugestellt worden wären; es ergibt sich dies auch nicht aus den vorgelegten Akten. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, daß dieser Verpflichtung dem Beschwerdeführer gegenüber vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides nachgekommen worden ist.
Zu prüfen bleibt noch, ob die belangte Behörde auch ihrer Verpflichtung zu einer für die Erlassung des angefochtenen Bescheides ausreichenden Sachverhaltsermittlung nachgekommen ist.
Ermittlungen der Disziplinarbehörde vor der Einleitung eines Disziplinarverfahrens haben das Ziel, zu klären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung gegeben sind, oder ob allenfalls (offenkundige) Gründe für eine sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen (vgl. auch dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Dezember 1979, Slg. 8686, und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1989, Zl. 89/09/0113). Für die Einleitung des Verfahrens reicht es aus, wenn genügende Verdachtsgründe gegen den Beamten vorliegen, welche die Annahme einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen gegeben sein lassen. Verdacht ist mehr als eine bloße Vermutung, er setzt die Kenntnis von Tatsachen voraus, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Vergehen geschlossen werden kann (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1989, Zl. 89/09/0113, und vom 23. November 1989, Zl. 89/09/0112). Die Disziplinarkommission muß bei Fällung eines Einleitungsbeschlusses noch nicht völlige Klarheit darüber haben, ob ein bestimmter Beamter eine Dienstpflichtverletzung begangen hat; dies ist in dem der Einleitung des Verfahrens nachfolgenden Ermittlungsverfahren aufzuklären. Ebensowenig muß im Einleitungsbeschluß das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten bereits abschließend rechtlich gewürdigt werden (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1985, Zl. 84/09/0143). Die dem Einleitungsbeschluß nach § 123 BDG 1979 zukommende rechtliche Bedeutung ist in erster Linie darin gelegen, dem beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird, was inbesondere für die Frage einer allfälligen Verjährung von ausschlaggebender Bedeutung ist (vgl. auch dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1989, Zl. 89/09/0113, sowie die Erkenntnisse vom 22. Februar 1990, Zl. 89/09/0095, und vom 27. April 1989, Zl. 88/09/0004, sowie die dort jeweils angeführte Vorjudikatur).
Im Beschwerdefall reichten nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die in den beiden Disziplinaranzeigen enthaltenen Tatsachen sowie die darin gegen den Beschwerdeführer erhobenen Beschuldigungen für die berechtigte Annahme der belangten Behörde aus, gegen den Beschwerdeführer liege ein für die Einleitung des Disziplinarverfahrens ausreichender Tatverdacht vor. Dem Inhalt der beiden Disziplinaranzeigen standen nach der Aktenlage keine Hinweise auf ihre Unglaubwürdigkeit oder Unrichtigkeit, und ebensowenig Hinweise auf das Vorliegen offenkundiger Einstellungsgründe entgegen; insbesondere hat der Beschwerdeführer zu den ihm zugestellten Disziplinaranzeigen kein Vorbringen in dieser Richtung erstattet. Davon abgesehen sind die diesen beiden Anzeigen zugrunde liegenden Tatsachen wie die Einleitung der Voruntersuchung gegen den Bundesminister für Landesverteidigung und die Hausdurchsuchung in dessen Amtsräumen an einem Wochenende, sowie die Abhaltung und der wesentliche Inhalt der vom Beschwerdeführer am 4. Jänner 1990 abgehaltenen Pressekonferenz, durch Medienberichte einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Erst im nunmehr eingeleiteten Disziplinarverfahren ist eine "ausreichende" Klärung des Sachverhaltes und seiner abschließenden rechtlichen Würdigung vorgeschrieben (§ 124 BDG 1979).
Entgegen dem an den letzten Absatz der Begründung des angefochtenen Bescheides anknüpfenden Vorbringen des Beschwerdeführers kann dahr nicht mit Recht gesagt werden, daß die belangte Behörde von einer falschen Rechtsauffassung ausgegangen sei, weil - wie bereits dargelegt - die unwidersprochen gebliebenen Beschuldigungen jedenfalls für die berechtigte Annahme des Verdachtes einer Dienstpflichtverletzung und damit für die Erlassung des angefochtenen Einleitungsbeschlusses ausgereicht haben.
Wie bereits oben ausgeführt, wird die belangte Behörde dem Beschwerdeführer selbstverständlich zu allen im weiteren Disziplinarverfahren erzielten Ermittlungsergebnissen das Parteiengehör zu gewähren haben. Es bestand jedoch rechtlich für sie kein Hindernis, die Einleitung des Disziplinarverfahrens ausschließlich auf Grund der ihr übermittelten - und dem Beschuldigten gemäß § 109 Abs. 3 BDG 1979 zugestellten - Disziplinaranzeigen zu beschließen.
Anders als in dem dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Oktober 1987, Zl. 87/09/0193, zugrunde gelegenen Fall werden im vorliegenden Beschwerdefall auch Spruch und Begründung des angefochtenen Bescheides den Erfordernissen eines dem Gesetz entsprechenden Einleitungsbeschlusses gerecht. Im Spruch ist das dem Beschuldigten - im Verdachtsbereich - zur Last gelegte Verhalten mit der nötigen Bestimmtheit beschrieben; in der Begründung hat die belangte Behörde hinreichend klar dargelegt, warum sich aus dem in den beiden Disziplinaranzeigen geschilderten Verhalten des Beschwerdeführers der Verdacht ableiten läßt, er habe damit disziplinär zu ahndende Dienstpflichtverletzungen begangen.
Die Beschwerde erweist sich aus diesen Erwägungen zur Gänze als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Bescheidcharakter Bescheidbegriff Bejahung des BescheidcharaktersOffenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Besondere Rechtsgebiete DienstrechtOffenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete DienstrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990090061.X00Im RIS seit
18.10.1990Zuletzt aktualisiert am
24.10.2013