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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ZustG §13 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 7. Mai 1990, Zl. 3/07-7148/1-1990, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Strafsache nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Magistrat Salzburg als Strafbehörde erster Instanz (Mag.) verfügte am 29. Dezember 1989 an den Beschwerdeführer unter der Adresse X-Straße 42 eine Aufforderung zur Rechtfertigung, weil er als Obmann des Vereines K Salzburg und somit als das gemäß § 9 VStG 1950 zu deren Vertretung nach außen berufenes Organ den deutschen Staatsbürger A vom 1. Mai 1989 bis zum 31. August 1989 beschäftigt habe, ohne daß eine Beschäftigungsbewilligung oder ein Befreiungsschein vorgelegen sei. Diese Aufforderung wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung zugestellt, aber nicht beim Postamt behoben. Der Mag. erließ hierauf gegen den Beschwerdeführer ein mit 7. Februar 1990 datiertes Straferkenntnis, mit welchem der Beschwerdeführer wegen der Übertretung des § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG zu einer Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,-- (im Nichteinbringungsfalle 5 Tage Arrest) verurteilt wurde. Auch dieses Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer unter der Adresse X-Straße 42 durch Hinterlegung am 22. Februar 1990 zugestellt.
Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer eine am 19. März 1990 zur Post gegebene Berufung, in welcher er zur Frage der Zustellung geltend machte, er halte sich an der Adresse X-Straße 42 nicht ständig auf. An seine Wohnadresse Z-Straße 7 habe der Beschwerdeführer keine Benachrichtigung über die beiden Zustellversuche erhalten, er habe davon vielmehr erst am 7. März 1990 dadurch erfahren, daß ihm ein geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Vereines Vereines K die Hinterlegungsanzeige gebracht habe, worauf der Beschwerdeführer das hinterlegte Straferkenntnis bei der Post behoben habe. Die Berufungsfrist sei daher gewahrt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 7. Mai 1990 hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 als verspätet eingebracht zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde dazu aus, ein Zustellmangel liege nicht vor, weil die Geschäftsadresse des Obmannes eines Vereins sehr wohl als zustellungsfähige Adresse angesehen werden müsse. In jedem Falle sei zu erwarten, daß die an dieser Adresse abgegebene Post bei ordentlicher Geschäftsführung dem Obmann zur Kenntnis gebracht werde. Der Mag. habe daher an die Adresse X-Straße 42 zustellen dürfen, wobei mit Rücksicht auf die angeordnete eigenhändige Zustellung gemäß § 21 Abs. 2 Zustellgesetz nach zwei erfolglosen Zustellversuchen mit Hinterlegung vorzugehen gewesen sei. Hinterlegte Sendungen hätten gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz als am ersten Tag der Abholfrist zugestellt zu gelten. Da die Abholfrist im Beschwerdefall am 22. Februar 1990 begonnen habe, habe die Rechtsmittelfrist am 8. März 1990 geendet. Die am 19. März 1990 zur Post gegebene Berufung habe daher als verspätet eingebracht zurückgewiesen werden müssen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht "auf Nichtzurückweisung einer rechtzeitig erhobenen Berufung" verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Abgabestelle im Sinne des Zustellgesetzes ist nach dessen § 4 der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle der Zustellung anläßlich einer Amtshandlung auch deren Ort.
Da im Beschwerdefall der Beschwerdeführer unbestritten der Obmann des Vereins K ist, folgt der Verwaltungsgerichtshof der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht, daß die Vereinsadresse X-Straße 42 eine für Zustellungen an den Obmann taugliche Abgabestelle darstellt. Damit ist indes, anders als die belangte Behörde meint, noch nicht die Wirksamkeit jeder für den Beschwerdeführer an dieser Adresse vorgenommenen Zustellung gegeben.
Gemäß § 21 Abs. 1 Zustellgesetz dürfen dem Empfänger zu eigenen Handen zuzustellende Sendungen nicht an einen Ersatzempfänger zugestellt werden. Kann die Sendung beim ersten Zustellversuch nicht zugestellt werden, ist gemäß § 21 Abs. 2 Zustellgesetz der Empfänger schriftlich unter Hinweis auf die sonstige Hinterlegung zu ersuchen, zu einer gleichzeitig zu bestimmenden Zeit an der Abgabestelle zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein. Dieses Ersuchen ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus, Gartentüre) anzubringen. Zur angegebenen Zeit ist ein zweiter Zustellversuch durchzuführen. Ist auch dieser erfolglos, ist nach § 17 zu hinterlegen.
Gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.
Die belangte Behörde hat sich im Beschwerdefall in Verkennung der geschilderten Rechtslage nicht veranlaßt gesehen, über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der vom Beschwerdeführer in seiner Berufung aufgestellten Behauptung, er sei im Zeitpunkt der Hinterlegung von der Abgabestelle X-Straße 42 abwesend gewesen, Ermittlungen vorzunehmen. Träfe es aber zu, daß sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der beiden Zustellversuche (am 21. und am 22. Februar 1990) nicht an der Abgabstelle X-Straße 42 aufgehalten hat, dann hätte er im Sinne des dritten Satzes des § 17 Abs. 3 Zustellgesetz nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen können; die Zustellung wäre dann gemäß seinem Berufungsvorbringen erst an dem Tag wirksam geworden, an dem er erstmals die hinterlegte Sendung beheben hätte können.
Dadurch, daß die belangte Behörde bereits die Zustellung an einer für den Beschwerdeführer tauglichen Abgabestelle als ausreichend für deren Wirksamkeit erachtet und sich nicht veranlaßt gesehen hat, das Vorbringen des Beschwerdeführers über eine spätere Wirksamkeit der erfolgten Hinterlegung durch geeignete Ermittlungen zu überprüfen, hat sie den angefochtenen Bescheid mit der vom Beschwerdeführer behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet. Dieser Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990090106.X00Im RIS seit
18.10.1990