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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ARG 1984 §3 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissärin Dr. Kral, über die Beschwerde des N. gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 18. Oktober 1989, Zl. IVb-79-35/1988, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.710,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 18. Oktober 1989 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe, wie bei den durch das Arbeitsinspektorat Salzburg am 15. und 16. August 1987 durchgeführten Überprüfungen festgestellt worden sei, als Arbeitgeber "der Firma P." nicht für die Einhaltung des Arbeitsruhegesetzes - ARG (BGBl. Nr. 144/1983) gesorgt, indem
1. vier namentlich genannte Arbeitnehmer am 15. und 16. August 1987 auf einer (örtlich umschriebenen) Baustelle ohne ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden beschäftigt worden seien, da in diese Ruhezeit der Sonntag fallen müsse und diese am Samstag um 13.00 Uhr zu beginnen habe, 2. er diese Arbeiter am 15. August 1987 (Feiertag) an der genannten Baustelle beschäftigt habe, obwohl diese Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 24 Stunden gehabt hätten. Der Beschwerdeführer habe dadurch (je) eine Verwaltungsübertretung zu 1. nach § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 27 Abs. 1 ARG und zu
2. nach § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 27 Abs. 1 leg. cit. begangen. Gemäß § 27 Abs. 1 ARG wurde zu 1. und 2. je eine Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 2 Tage) verhängt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 27. Februar 1990, Zl. B 1571/89, ablehnte und sie mit einem weiteren Beschluß vom 21. Mai 1990 gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf den hg. Beschluß vom 25. November 1986, Zl. 86/04/0197 (= Slg. Nr. 12 315/A) die Ansicht vertritt, er sei als Arbeitgeber einer nicht Rechtspersönlichkeit genießenden "Firma" zur Verantwortung gezogen worden, was eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bewirke, so vermag ihm der Verwaltungsgerichtshof nicht beizupflichten. Aus dem oben dargestellten Spruch des angefochtenen Bescheides geht zweifelsfrei hervor, daß der Beschwerdeführer, sohin eine physische Person, als Arbeitgeber der erwähnten Übertretungen des ARG für schuldig befunden wurde. Von einer "allein einschreitenden Firma", wie dies in der, dem zitierten hg. Beschluß vom 25. November 1986 zugrundeliegenden Beschwerdesache der Fall war, kann im vorliegenden Beschwerdefall nicht die Rede sein.
Gemäß § 3 Abs. 1 ARG hat der Arbeitnehmer in jeder Kalenderwoche Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden, in die der Sonntag zu fallen hat (Wochenendruhe). Während dieser Zeit darf der Arbeitnehmer nur beschäftigt werden, wenn dies auf Grund der §§ 2 Abs. 2, 10 bis 18 zulässig ist.
Nach § 3 Abs. 2 ARG hat die Wochenendruhe für alle Arbeitnehmer spätestens Samstag um 13 Uhr, für Arbeitnehmer, die mit unbedingt notwendigen Abschluß-, Reinigungs-, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten beschäftigt sind, spätestens Samstag um 15 Uhr zu beginnen.
Gemäß § 7 Abs. 1 ARG hat der Arbeitnehmer an Feiertagen Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 24 Stunden, die frühestens um 0 Uhr und spätestens um 6 Uhr des Feiertages beginnen muß. Nach Abs. 2 dieses Paragraphen ist u. a. der 15. August (Mariä Himmelfahrt) ein Feiertag im Sinne dieses Bundesgesetzes.
Entsprechend den Strafbestimmungen des § 27 Abs. 1 ARG sind Arbeitgeber oder deren gesetzliche Vertreter, die u.a. den §§ 3 und 7 zuwiderhandeln, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde, soweit es sich um Betriebe handelt, die der bergbehördlichen Aufsicht unterstehen, von der Berghauptmannschaft mit einer Geldstrafe von S 500,-- bis S 30.000,-- zu bestrafen.
Soweit der Beschwerdeführer verfassungsrechtliche Bedenken gegen die im Beschwerdefall angewendeten Normen hegt und sich durch den angefochtenen Bescheid in "Grundrechten" als verletzt erachtet, ist zu bemerken, daß der Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf die Ablehnung der Beschwerde diesem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht gefolgt ist. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich zu keiner anderen Betrachtungsweise veranlaßt.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war es nicht rechtswidrig, ihn sowohl wegen Übertretung des § 3 Abs. 1 als auch des § 7 Abs. 1 ARG kumulativ zu bestrafen. Bei der Übertretung des § 3 Abs. 1 ARG handelt es sich um die Nichtgewährung der Wochenendruhe, welche darin besteht, dem Arbeitnehmer eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden zu gewähren. In eine andere Richtung geht die Regelung des § 7 Abs. 1 ARG über einen Anspruch des Arbeitnehmers auf ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 24 Stunden an einem Feiertag. Wenn daher die in § 7 Abs. 1 normierte Feiertagsruhe - wie im Beschwerdefall - mit der am Samstag beginnenden Wochenendruhe zusammenfällt, so wäre durch die Unterstellung der Tat unter einen der beiden Tatbestände der deliktische Gesamtunwert nicht abgegolten. Ein Fall der dem Beschwerdeführer offenbar vorschwebenden Konsumtion (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1988, Zl. 88/03/0080) liegt daher nicht vor. Es war daher im Grunde des § 22 Abs. 1 VStG 1950 auch nicht rechtswidrig, den Beschwerdeführer sowohl wegen einer Übertretung nach § 3 Abs. 1 als auch einer solchen nach § 7 Abs. 1 ARG zu bestrafen. Vom "Fehlen jeder Umschreibung der Tatzeit" kann im übrigen keine Rede sein; das vom Beschwerdeführer zitierte hg. Erkenntnis vom 20. April 1983, Zl. 82/01/0321, betraf eine nicht vergleichbare Sach- und Rechtslage.
Aber auch dem in die Richtung eines behaupteten Notstandes im Sinne des § 6 VStG 1950 gehenden Vorbringen des Beschwerdeführers (daß die Ausnahmeregelung des § 11 Abs. 1 ARG zur Anwendung zu gelangen hat, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren selbst nicht behauptet) kann kein Erfolg beschieden sein. Nach der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. Oktober 1988, Zl. 88/08/0036) ist nämlich ein Notstand dann nicht gegeben, wenn damit nur eine wirtschaftliche Not oder die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung abgewendet werden soll. Für die vom Beschwerdeführer geforderte "Güterabwägung" zwischen dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der in Rede stehenden Vorschriften des ARG einerseits und der Einhaltung vertraglicher Verpflichtungen durch den Arbeitgeber andererseits bietet die Rechtslage im übrigen keinen Anhaltspunkt.
Der Beschwerde ist im Ergebnis dennoch Erfolg beschieden:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 29. Juni 1987, Zl. 86/08/0250) liegen bei Verstößen gegen das ARG so viele Delikte vor, wie Arbeitnehmer betroffen sind. Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, je eine Straftat in Ansehung jedes betroffenen Arbeitnehmers sowohl hinsichtlich des Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 ARG als auch hinsichtlich jenes gegen § 7 Abs. 1 ARG zu ahnden. Dadurch, daß die belangte Behörde den Beschwerdeführer lediglich je einer Verwaltungsübertretung (anstelle von je vier) zu Ziffer 1 und zu Ziffer 2 des Schuldspruches für schuldig befunden und bestraft hat, hat sie daher gegen das Kumulationsprinzip des § 22 Abs. 1 VStG verstoßen, was den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1989, Zl. 88/03/0055).
Er war daher - ohne daß in das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Das Mehrbegehren betreffend Ersatz von Stempelgebühren war abzuweisen, da dieser nur in einem solchen Ausmaß zuzuerkennen war, als er über den bereits vor dem Verfassungsgerichtshof erforderlichen diesbezüglichen Aufwand hinausging.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990190282.X00Im RIS seit
22.10.1990Zuletzt aktualisiert am
01.10.2013