Index
L24009 Gemeindebedienstete Wien;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Dr. Paul N gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 14. Juli 1988, Zl. 12 1200/3-VI/1/88, betreffend Feststellung von Dienstpflichten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle war jedenfalls bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides das Finanzamt Gmunden.
Am 6. April 1988 wurde dem Beschwerdeführer im Wege seiner Dienststelle nachstehender Dienstauftrag der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 31. März 1988 ausgefolgt:
"Die Finanzlandesdirektion für OÖ. hat Ihre vertrauensärztliche Untersuchung durch Univ.Prof. Dr. F veranlaßt. Ort und Zeitpunkt der Untersuchung werden Ihnen von Dr. F bekanntgegeben werden. Sie erhalten daher den dienstlichen Auftrag, sich an dem von Dr. F festgesetzten Termin zu dieser Untersuchung einzufinden."
Der Beschwerdeführer reagierte auf die Aushändigung dieses Dienstauftrages damit, daß er noch am selben Tag nachstehendes Schreiben an die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich richtete:
"Betrifft: Dienstauftrag vom 31. 3. 1988
1322/1-1/E-1988
Ich beantrage die Erlassung eines Feststellungsbescheides, daß die Einhaltung des oa. Dienstauftrages der FLD f. OÖ nicht zu meinen Dienstpflichten gehört.
Als Begründung führe ich an, daß die ärztliche Untersuchung eines Beamten nur in einem einzigen, ganz bestimmten Fall des § 58 BDG (richtig: § 52) möglich ist, nämlich dann, wenn ernste Bedenken bestehen, daß der Beamte an der Wahrnehmung seiner weiteren Dienstpflichten ernsthaft gehindert hat.
Die FLD für OÖ hat aber im März 1988 soeben mitgeteilt, (im Leistungsfeststellungsverfahren) daß ich 1987 den zu erwartenden Arbeitserfolg aufgewiesen, nicht jedoch durch erhebliche Leistungen überschritten hätte.
Einer solchen zwangsärztlichen Untersuchung wurde ich bereits einmal, am 16. 1. 1985 unterzogen. Dies erscheint hinreichend. Es wird auch kein Grund angeführt, welcher Art der Grund sein soll, daß ich an der Wahrnehmung meiner Dienstpflichten gehindert sein könnte.
Es entsteht für mich auch der subjektive Eindruck, daß es sich dabei um eine Maßnahme handelt, daß ich
1.) Die Leistungsfeststellungskommission angerufen habe, um meine ausgezeichnete dienstliche Beurteilung zu betreiben,.
2.) Bei der Finanzprokuratur Amtshaftung wegen eines "rufmordenden Fortbildungslehrgangszeugnisses" gemacht habe. Auf die der FLD übermittelte Vorstellung an die BH Gmunden weise ich hin."
Mit Bescheid vom 20. April 1988 wies die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (erstinstanzliche Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers vom 6. April 1988 ab und stellte fest, daß die Befolgung des Dienstauftrages vom 31. März 1988 zu seinen Dienstpflichten zähle. In der Bescheidbegründung wurde nach Zitierung des § 52 BDG ausgeführt, die in dieser Bestimmung normierte Untersuchungspflicht setze formell voraus, daß eine entsprechende Anordnung der Dienstbehörde vorliege. Mit Schreiben vom 31. März 1988 sei eine solche Anordnung, die eine Weisung darstelle, getroffen worden. Als materielle Voraussetzung für die Untersuchungspflicht normiere § 52 BDG "berechtigte Zweifel an der für die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben erforderlichen körperlichen oder geistigen Eignung des Beamten". Darunter sei jeder "begründete Verdacht körperlicher oder geistiger Mängel" zu verstehen, "die die Dienstleistung beeinträchtigen". Obgleich derartige Mängel nicht auf einer Gesundheitsstörung beruhen müßten, könne ihr Bestehen durch Anordnung einer Untersuchung aufgeklärt werden. Auf Grund der vom "Kollegenkreis der Wirtschaftstreuhänder des Salzkammergutes" (in einem im Akt erliegenden Schreiben) erhobenen Vorwürfe und auch auf Grund einiger vom Beschwerdeführer in seiner Dienststelle getätigten, aus den vom Vorstand des Finanzamtes Gmunden aufgenommenen Niederschriften ersichtlichen Äußerungen (alle bezüglichen Urkunden seien dem Beschwerdeführer am 13. April 1988 zur Kenntnis gebracht worden) seien bei der erstinstanzlichen Behörde als Dienstbehörde berechtigte Zweifel am Vorhandensein der für die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben erforderlichen Eignung des Beschwerdeführers entstanden, sodaß gemäß § 52 BDG eine ärztliche Untersuchung angeordnet worden sei. Grundlage dieser dienstlichen Weisung sei die ausdrückliche Ermächtigung des BDG. Da für die Untersuchungspflicht die formellen und materiellen Voraussetzungen gegeben seien und im übrigen auch kein dem § 44 Abs. 2 BDG entsprechender Grund zur Nichtbefolgung der Weisung gegeben sei, sei die Befolgung der genannten Weisung als zu den Dienstpflichten des Beschwerdeführers zählend anzusehen. Zur Begründung der Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers vom 6. April 1988 sei auf die obigen Ausführungen zu verweisen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen, mit 27. April 1988 datierten Berufung setzte sich der Beschwerdeführer mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen näher auseinander und legte seine Auffassung dar, daß darnach keine "berechtigten Zweifel" im Sinne des § 52 BDG vorlägen. Er sehe sich daher durch die bevorstehende Untersuchung in seinem Grundrecht auf körperliche und geistige Unversehrtheit verletzt. Er beantrage deshalb
1. den bekämpften Bescheid dahin abzuändern, daß die Befolgung des Dienstauftrages vom 31. März 1988 nicht zu seinen Dienstpflichten gehöre, bzw. seinem Antrag vom 6. April 1988 stattzugeben, 2. "für den Eventualfall" bescheidmäßig festzustellen, daß der zwischenzeitlich allfällig aufgenommene Beweis infolge Rechtswidrigkeit seiner Aufnahme einem überall und immerwährenden Verwertungsverbot unterliege, und
3. aufschiebende Wirkung zu gewähren.
Mit Bescheid vom 17. Mai 1988 wies die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich den drittgenannten Antrag ab.
Am 25. Mai 1988 fand die Untersuchung des Beschwerdeführers durch Univ.Prof. Dr. F statt, dessen darauf gestütztes "Gutachten" am 13. Juni 1988 bei der Dienstbehörde einlangte.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 20. April 1988 nicht statt und bestätigte diesen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950; den zweitgenannten, oben wiedergegebenen Berufungsantrag wies die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unzulässig zurück. Begründend wurde ausgeführt, es könne in diesem Verfahren dahingestellt bleiben, ob die gegen den Beschwerdeführer in den genannten Urkunden erhobenen Vorwürfe im einzelnen zu Recht erhoben worden seien und ein zutreffendes Bild vermittelten. Aus der großen Anzahl der im wesentlichen ähnlich lautenden Aussagen habe der Eindruck entstehen müssen, daß der Beschwerdeführer immer wieder zu aggressiven Überreaktionen neige, die eine Gefährdung anderer Personen und nicht zuletzt auch seiner Person selbst in den Bereich der Möglichkeit rücke. Daraus ergebe sich jedoch ein hinreichend begründeter Verdacht auf geistige oder körperliche Mängel, der berechtigte Zweifel an der für die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben erforderlichen Eignung hervorrufe. Aus diesem Grund sei die Dienstbehörde nach Erlangung der Kenntnis geradezu verpflichtet gewesen, sich ohne Verzug unter Beiziehung eines ärztlichen Sachverständigen Klarheit zu verschaffen und unter Heranziehung des § 52 BDG die Durchführung einer ärztlichen Untersuchung anzuordnen. Der Dienstauftrag vom 31. März 1988 sei somit rechtmäßig erteilt worden. Es könne auch kein Zweifel daran bestehen, daß der Beschwerdeführer gemäß § 52 BDG verpflichtet gewesen sei, diesen Dienstauftrag zu befolgen. In der Zwischenzeit - am 25. Mai 1988 - sei dies auch geschehen. Die Berufung sei daher abzuweisen gewesen. Es folgen Ausführungen zu den unter zwei und drei genannten Berufungsanträgen.
Die vorliegende (nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 1988, Zl. B 1483/88, dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene) Beschwerde richtet sich nur gegen die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Nichtstattgebung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 20. April 1988 und seine Bestätigung; dies im wesentlichen mit der schon in der Berufung ausgeführten Begründung, es seien keine berechtigten Zweifel im Sinne des § 52 BDG vorgelegen und es habe daher die Befolgung des Dienstauftrages vom 31. März 1988 nicht zu den Dienstpflichten des Beschwerdeführers gehört.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 44 BDG 1979 lautet:
"(1) Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.
(2) Der Beamte kann die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt worden ist oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.
(3) Hält der Beamte eine Weisung eines vorgesetzten Beamten aus einem anderen Grund für rechtswidrig, so hat er, wenn es sich nicht wegen Gefahr im Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt, vor Befolgung der Weisung seine Bedenken dem Vorgesetzten mitzuteilen. Der Vorgesetzte hat eine solche Weisung schriftlich zu erteilen, widrigenfalls sie als zurückgezogen gilt."
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 30. März 1989, Zl. 86/09/0110 - zu der dem § 44 Abs. 3 BDG 1979 verwandten Norm des § 20a Abs. 3 der Wiener
Dienstordnung 1966 - ausführlich dargelegt hat, besteht die Verpflichtung zur schriftlichen Erteilung einer Weisung, widrigenfalls sie als zurückgezogen gilt, auch dann, wenn sie bereits ursprünglich schriftlich erteilt wurde und der Beamte vor Befolgung der Weisung dem Vorgesetzten seine Bedenken gegen ihre Rechtmäßigkeit im Sinne des § 20a Abs. 3 der Wiener Dienstordnung mitgeteilt hat. Diese Grundsätze gelten auch für den Bereich des § 44 Abs. 3 BDG 1979 (vgl. Erkenntnis vom 19. März 1990, Zl. 88/12/0077). Vor dem Hintergrund der Funktion des dienstrechtlichen Feststellungsbescheides als subsidiären Rechtsbehelfes scheidet die Erlassung eines solchen Bescheides darüber, ob ein Beamter zu künftigen weisungsgemäßen Dienstleistungen verpflichtet werden kann, jedenfalls so lange aus, als nicht eine Klärung dieser strittigen Frage im Wege des § 44 Abs. 3 BDG versucht wurde. Denn vor Durchführung dieses einer möglichen Konfliktbewältigung durch Klarstellung, Erläuterung, Modifizierung oder (ausdrückliche oder entsprechend dem letzten Satz der genannten Bestimmung vermutete) Zurückziehung der Weisung dienlichen Verfahrens steht ja der endgültige Inhalt der Weisung, um deren Zugehörigkeit zu den Dienstpflichten bzw. deren Rechtmäßigkeit es geht, gar nicht fest und muß demnach bis zum Abschluß dieses Verfahrens, auch wenn dieser nicht in der Erlassung eines Bescheides besteht, schon deshalb das Interesse an der Erlassung eines entsprechenden Feststellungsbescheides verneint werden (vgl. Erkenntnis vom 6. Februar 1989, Zl. 87/12/0112).
Vor diesem Hintergrund hätte die erstinstanzliche Behörde den oben wiedergegebenen Antrag des Beschwerdeführers auf Erlassung eines Feststellungsbescheides mangels vorheriger Mitteilung der Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der eindeutig als Weisung konzipierten Anordnung der Dienstbehörde vom 31. März 1988, die keine wegen Gefahr im Verzug unaufschiebbare Maßnahme zum Gegenstand hatte, zurückweisen müssen. Dadurch, daß die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid nicht in diesem Sinne abgeändert, sondern ebenfalls eine meritorische Entscheidung über den Feststellungsantrag getroffen hat, wurde der Beschwerdeführer aber in keinen Rechten verletzt, weil er nach Erhebung der Berufung, aber noch vor Erlassung des angefochtenen Bescheides der strittigen Anordnung Folge geleistet hat und damit die Durchführung eines Verfahrens nach § 44 Abs. 3 BDG 1979 nicht mehr in Betracht kam.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, ohne daß auf die - nur auf Grund eines zulässigen Feststellungsantrages zu klärende - Frage einzugehen war, ob die Befolgung des Dienstauftrages vom 31. März 1988 zu den Dienstpflichten des Beschwerdeführers zählte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung FeststellungsbescheideEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989120026.X00Im RIS seit
05.11.2001