TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/22 90/19/0475

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.10.1990
beobachten
merken

Index

60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

BArbSchV §7 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissärin Dr. Kral, über die Beschwerde des N. gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 17. Juli 1990, Zl. 3/07-7146/2-1990, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.470,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. Juli 1990 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe "als Verantwortlicher" seines Malereibetriebes nicht dafür gesorgt, daß an einer örtlich näher beschriebenen Baustelle im zweiten Obergeschoß der Zugang vom Arbeitsraum zur Balkonplatte, welche nicht durch Einrichtungen abgesichert gewesen sei, die geeignet gewesen wären, ein Abstürzen der Arbeitnehmer zu verhindern oder ein Weiterfallen hintanzuhalten, abgeschrankt sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz in Verbindung mit § 7 der Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 10. November 1954, über Vorschriften zum Schutze des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten (BGBl. Nr. 267, im folgenden kurz: BauVO) begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

In der Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, laut Anzeige des Arbeitsinspektorates sei der Arbeitnehmer J.M. am 4. August 1989 auf der in Rede stehenden Baustelle vom 2. Obergeschoß (des Hauses) ca. 6,5 m tief abgestürzt. Der Zugang von dem Raum, in dem die Malerarbeiten durchgeführt worden seien, zur Balkonplatte hin sei nicht durch eine Scheuche abgeschrankt und somit ein ungehinderter Zugang zur nicht abgesicherten Betonplatte möglich gewesen. Es sei demnach die Arbeitsstelle, an der Absturzgefahr bestanden habe, nicht durch Einrichtungen abgesichert gewesen, die geeignet gewesen wären, ein Abstürzen der Arbeitnehmer zu verhindern, wodurch der Beschwerdeführer gegen die Vorschrift des § 7 Abs. 1 BauVO verstoßen habe. Der Beschwerdeführer habe in der Berufung dazu vorgebracht, er sei als Arbeitgeber für den Absturz des Verunglückten von der nicht gesicherten Balkonplatte nicht verantwortlich, zumal dieser mit "Maler- u. Innenarbeiten" in diesem Objekt beschäftigt gewesen sei und keinen Auftrag zur Durchführung von Außenarbeiten gehabt habe, da diese bereits abgeschlossen gewesen seien; dieser Arbeitnehmer sei aus eigenem, um eine Zigarette zu rauchen, auf gegenständliche Balkonplatte gegangen, von welcher er abgestürzt sei.

Die Sicherung absturzgefährlicher Stellen - so die belangte Behörde weiter -, wie offener Stiegenhäuser, Decken, Montageöffnungen, Lift- und Lichtschächte und Balkone, sei zwingend erforderlich. Im besonderen hätte im vorliegenden Fall der Balkon mit einem provisorischen Geländer versehen werden müssen, zumindest aber wäre der Austritt in sicherer Weise abzuschranken gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 erster Satz BauVO sind an allen Arbeitsstellen, an denen Absturzgefahr besteht, Einrichtungen anzubringen, die geeignet sind, ein Abstürzen der Dienstnehmer zu verhindern oder ein Weiterfallen hintanzuhalten, wie Arbeitsgerüste, Brustwehren, Schutzgerüste oder Fangnetze.

Der Beschwerdeführer bestreitet, daß er bei dem vorliegenden Sachverhalt verpflichtet gewesen wäre, eine Sicherheitseinrichtung im Sinne dieser Gesetzesstelle anzubringen. Er ist damit im Recht:

Der Beschwerdeführer hatte im Verwaltungsverfahren vorgebracht, der Arbeitnehmer M. habe keinen Auftrag gehabt, im Bereich der Absturzstelle irgendwelche Arbeiten durchzuführen, sondern sei lediglich auf den Balkon gegangen, eine Zigarette zu rauchen. Diese Verantwortung des Beschwerdeführers steht im Einklang mit den Angaben des weiteren Arbeitnehmers S. als Zeuge, wonach dieser gemeinsam mit dem Verunglückten in der besagten Wohnung gearbeitet habe; während der Zeuge im Kinderzimmer beschäftigt gewesen sei, habe der Verunglückte im Wohnzimmer gemalt. Plötzlich habe der Zeuge einen Aufschlag gehört, sei durch das Wohnzimmer auf den Balkon gelaufen und habe in der Folge den abgestürzten Arbeitskollegen gesehen. Nach der im Akt erliegenden Skizze bestand beim bloßen Hinaustreten auf die Balkonplatte keine Absturzgefahr.

Auch die belangte Behörde nimmt nun nicht etwa an, daß der verunglückte Arbeitnehmer mit "Außenarbeiten" beschäftigt gewesen sei oder daß im Rahmen der von ihm durchzuführenden "Innenarbeiten" ein Verlassen jenes Raumes (in welchem er Malerarbeiten durchführte) in der Art erforderlich gewesen sei, daß er die erwähnte Balkonplatte betreten hätte müssen; selbst von einem erforderlichen "Hinausneigen" ist nicht die Rede. Sohin kann nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes bei diesem Arbeitsraum nicht von einer Arbeitsstelle gesprochen werden, an der Absturzgefahr bestanden habe.

Die belangte Behörde hat daher den Sachverhalt in Verkennung der Rechtslage der Vorschrift des § 7 Abs. 1 (erster Satz) BauVO unterstellt. Dies führt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, ohne daß in das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, da Ersatz von Umsatzsteuer neben dem pauschalierten Ersatz von Schriftsatzaufwand nicht gebührt.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990190475.X00

Im RIS seit

22.10.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten