TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/22 89/12/0013

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Veröffentlicht am 22.10.1990
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Index

10/10 Grundrechte;
19/05 Menschenrechte;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §55 Abs1;
BDG 1979 §55 Abs2;
BDG 1979 §55 Abs3;
MRK Art8 Abs2;
StGG Art3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. Dezember 1988, Zl. 126.907/4-II/2/88, betreffend Verlegung des Wohnsitzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Revierinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle ist die Bundespolizeidirektion Salzburg.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 1. Juli 1988, mit dem dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 BDG 1979 die Begründung seines ordentlichen Wohnsitzes in Freilassing (BRD) untersagt wurde, gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 DVG als unbegründet ab.

Nach der Bescheidbegründung habe der Beschwerdeführer am 3. Juli 1987 seiner Dienstbehörde die Verlegung des ordentlichen Wohnsitzes von Bergheim bzw. Bad Tölz nach Freilassing gemeldet. Die Entfernung zwischen Wohnsitz und Dienstort betrage ca. 7 km, es bestünden ausreichende Verkehrsverbindungen und der Beschwerdeführer verfüge zwischenzeitlich auch bereits über einen eigenen Fernsprechanschluß in der Wohnung. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens habe die Dienstbehörde mit Bescheid vom 1. Juli 1988 die angezeigte Wohnsitzwahl in Freilassing im wesentlichen mit der Begründung untersagt, daß der Beschwerdeführer bei der Wahl eines Wohnsitzes in der BRD, ungeachtet der geringen Entfernung vom Dienstort, allen auftretenden Behinderungen des Grenzverkehrs ausgesetzt wäre; die Gewähr der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben sei in Ausnahmesituationen nicht gegeben. In der dagegen erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer ausgeführt, daß sich seit der Wohnsitzverlegung nach Freilassing kein einziger Anstand hinsichtlich der Erfüllung seiner Dienstpflichten durch Beschränkungen, wie sie die Dienstbehörde befürchte, ergeben habe. Er habe sich bereit erklärt, seinen ordentlichen Wohnsitz in Salzburg zu begründen, sofern ihm eine entsprechende Wohnung zur Verfügung gestellt werde. Die Anmietung einer seinen Familienverhältnissen adäquaten Wohnung in Salzburg auf dem freien Wohnungsmarkt liege nicht im Bereich seiner finanziellen Möglichkeiten. Dazu habe die belangte Behörde - so heißt es in der Begründung weiter - folgendes erwogen: Der Beamte habe gemäß § 55 Abs. 1 BDG 1979 seinen Wohnsitz so zu wählen, daß er bei der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben nicht beeinträchtigt werde. Aus den Erläuternden Bemerkungen zum BDG ergebe sich, daß diese Regelung im Hinblick auf die heutigen Verkehrsmittel und -verbindungen verhältnismäßig geringe Bedeutung habe. Das Fehlen einer derartigen Bestimmung würde jedoch im Falle außergewöhnlicher Verhältnisse (politische Unruhen, Naturkatastrophen) den raschen Einsatz der Beamten durch die große Entfernung zwischen Wohnort und Dienstort in Frage stellen. Daß die Trennung von Wohn- und Dienstort durch eine Staatsgrenze in Fällen außergewöhnlicher Verhältnisse den sofortigen Einsatz eines Beamten zumindest gleich viel (wenn nicht noch mehr) in Frage zu stellen vermöge, sei unbestreitbar. Das Sperren der Grenze durch einen Nachbarstaat etwa in Zeiten politischer Unruhen, beim Ausbruch von Seuchen oder ähnlichem sei nicht nur eine entfernt theoretische Möglichkeit und es müsse in diesem Zusammenhang bemerkt werden, daß im speziellen der Aufgabenbereich von Exekutivbeamten ihre jederzeitige Einsatzbereitschaft auch und gerade in solchen unvorhersehbaren Notstandssituationen verlange, weshalb bei ihnen ein strengerer Maßstab als in manchen anderen Bereichen der Verwaltung angelegt werden müsse. Aus dem Umstand, daß sich die Verbindungsmöglichkeiten für eine normale Dienstverrichtung bislang als ausreichend erwiesen hätten, lasse sich für den Standpunkt des Beschwerdeführers unter Beachtung der obigen Ausführungen nichts gewinnen. Die Bemühungen des Beschwerdeführers zur Erlangung einer Wohnung in Salzburg und die besondere Situation des örtlichen Wohnungsmarktes würden zwar von der belangten Behörde durchaus gewürdigt, doch vermöchten die diesbezüglichen Ausführungen keinen im Spruch anderslautenden Bescheid zu begründen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 55 BDG 1979 lautet:

"(1) Der Beamte hat seinen Wohnsitz so zu wählen, daß er bei der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben nicht beeinträchtigt wird. Aus der Lage seiner Wohnung kann der Beamte, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, keinen Anspruch auf dienstliche Begünstigungen ableiten.

(2) Wenn es die dienstlichen Aufgaben des Beamten erfordern, hat er eine ihm von seiner Dienstbehörde zugewiesene und ihm zumutbare Wohnung (Dienstwohnung) zu beziehen.

(3) Wenn besondere dienstliche Verhältnisse es erfordern, darf der Beamte auf Anordnung der Dienstbehörde seinen Dienstort oder sein Amtsgebiet nicht verlassen."

Im Erkenntnis vom 16. Jänner 1984, Zl. 83/12/0040, Slg. Nr. 11.287/A, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, er finde keinen Grund, von seiner - dem klaren Wortlaut des § 55 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 entsprechenden und überdies, wie den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum BDG (11 BlgNR XV. GP, Seite 89) zu entnehmen sei (die belangte Behörde zitierte den Inhalt dieser Erläuterungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides), dem Gesetzgeber als Motiv für die Schaffung dieser Bestimmung gedienten - Rechtsprechung zu § 31 Abs. 1 der Dienstpragmatik (Erkenntnis vom 17. November 1961, Zl. 2182/59) abzugehen. Danach komme es aber für die Zulässigkeit der Verlegung des Wohnsitzes nicht darauf an, ob die Straßenverhältnisse, die öffentlichen Verkehrsverbindungen und die Verständigungsmöglichkeiten für eine normale Dienstverrichtung ausreichten, sondern es müsse sehr wohl der sofortige Einsatz des Beamten - vor allem eines Sicherheitswachebeamten - auch im Falle aller denkbaren außergewöhnlichen Verhältnisse, und zwar welcher Art immer, gewährleistet sein. Die Verpflichtung des Beamten nach § 55 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 könne durch seine Verpflichtung, eine Anordnung der Dienstbehörde nach § 55 Abs. 3 leg. cit. zu befolgen, - zumindest nicht in allen denkbaren Fällen - keineswegs ersetzt werden.

In den den beiden zitierten Erkenntnissen zugrunde liegenden Beschwerdefällen verneinte der Gerichtshof die geforderte sofortige Einsatzmöglichkeit der betroffenen Wachebeamten auf Grund der zu großen Entfernung zwischen Wohn- und Dienstort. Der Auffassung der belangten Behörde ist aber beizupflichten, daß die Trennung von Wohn- und Dienstort durch eine Staatsgrenze in Fällen außergewöhnlicher Verhältnisse den geforderten sofortigen Einsatz eines Beamten, vor allem eines Wachebeamten (schon wegen der vermehrt notwendigen Wohnungs- und Rufbereitschaft im Sinne des § 50 Abs. 2 und 3 BDG 1979), zumindest gleich viel, wenn nicht noch mehr in Frage zu stellen vermag. Ob solche einen sofortigen Einsatz behindernden außergewöhnlichen Verhältnisse (der in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich genannten oder anderer Art, wie z.B. Verkehrsbehinderungen, Streiks u.dgl.) in den letzten Jahren im konkreten Grenzabschnitt eingetreten sind (in der sich hauptsächlich damit befassenden Beschwerde wird dies verneint), vermag daran nichts zu änderen, können doch derartige Behinderungen, die gerade in Zeiten, in denen der sofortige Einsatz des Beschwerdeführers geboten wäre, entweder eine unter Einhaltung der bestehenden Gesetze mögliche Überschreitung der Staatsgrenze oder zumindest seine (in einem fremden Staat vorzunehmende) Verständigung von der Notwendigkeit sofortigen Einsatzes ausschließen, jederzeit eintreten. Daß durch die bescheidgegenständliche Untersagung der Verlegung des Wohnsitzes die Begründung eines gemeinsamen Wohnsitzes des Beschwerdeführers mit seiner Ehegattin unmöglich werden könnte (weil sie bei der deutschen Polizei beschäftigt sei und ihre Dienstbehörde denselben Standpunkt wie die des Beschwerdeführers einnehmen könnte), läßt, abgesehen vom bloß hypothetischen Charakter dieses Argumentes, angesichts des aus dienstlichen Gründen nötigen Eingriffs in seine Wohnsitzwahl keine andere Beurteilung zu. Ob es schließlich zutrifft, daß andere Behörden bzw. auch die belangte Behörde selbst in anderen Fällen die für die angefochtene Entscheidung bestimmende Denkweise bereits aufgegeben und demnach anderen Beamten eine Wohnsitzwahl im Ausland nicht untersagt haben, ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ohne Belang, da es im Beschwerdefall ausschließlich um die Rechtmäßigkeit des bekämpften Bescheides und nicht anderer Verwaltungsakte geht.

Vor dem Hintergrund dieser rechtlichen Darlegungen ist der angefochtene Bescheid auch nicht mit Verfahrensmängeln behaftet, die nach dem Beschwerdevorbringen in fehlenden Feststellungen über besondere Verkehrsverbindungen zwischen Wohn- und Dienstort sowie über die Entfernung zwischen dem Wohnort und der Staatsgrenze und über relevante Gefahren und Behinderungen durch die Staatsgrenze in den letzten Jahren liegen sollen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989120013.X00

Im RIS seit

22.10.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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