TE Vwgh Erkenntnis 1990/10/23 89/11/0173

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Veröffentlicht am 23.10.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

AVG §38;
IESG §1 Abs2 idF 1980/580;
IESG §1 Abs2;
IESG §7 Abs1 idF 1980/580;
IESG §7 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde der S gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 16. Mai 1989, Zl. 335.904/3-3a/89, betreffend Insolvenz-Ausfallgeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Über das Vermögen der F-Gesellschaft mbH wurde mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 19. Dezember 1983, AZ S, der Konkurs eröffnet.

Mit Antrag vom 8. März 1984 begehrte die Beschwerdeführerin Insolvenz-Ausfallgeld für verschiedene näher bezeichnete Ansprüche.

Das Landesarbeitsamt Wien, auf das die Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 übergegangen war, wies mit Bescheid vom 25. Juli 1986 den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld ab. Es vertrat im Hinblick auf die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens die Auffassung, daß die Beschwerdeführerin die für die Gesellschaft zu unregelmäßigen Zeiten verrichteten Tätigkeiten nicht im Rahmen eines abhängigen Dienstverhältnisses verrichtet habe, sondern in ihrer Eigenschaft als jene Gesellschafterin, die mit 35 % den größten Anteil am Stammkapital der Gesellschaft besessen habe, und als Ehegattin des alleinigen Geschäftsführers. Im Hinblick auf die Beteiligung der Beschwerdeführerin an der Gesellschaft sowie ihr Dienstverhältnis bei einem anderen näher bezeichneten Dienstgeber sei auch keine arbeitnehmerähnliche Stellung gegeben gewesen.

Die von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies der Bundesminister für Arbeit und Soziales mit Bescheid vom 16. Mai 1989 als unbegründet ab.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin stützt sich in den Beschwerdegründen ausschließlich auf die Tatsache, daß mit Teilanerkenntnisurteil des Handelsgerichtes Wien vom 15. Dezember 1988, AZ 25 Cg, festgestellt worden sei, daß ihr im Konkurs der genannten Gesellschaft "als Angestellter der Gemeinschuldnerin in der ersten Klasse der Konkursgläubiger der Betrag von S 50.000,-- zusteht (laufendes Entgelt, Gehalt 1. 2. 1983 bis 21. 12. 1983) und in der dritten Klasse der Konkursgläubiger an laufendem Entgelt (Gehalt 1. 2. 1983 bis 21. 12. 1983) S 104.101,--, an Abfertigung S 105.315,--, an Urlaubsremuneration 1983 S 19.865,-- und an Weihnachtsremuneration 1983 S 20.719,--" zustehen. Die Beschwerdeführerin vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, daß die belangte Behörde an dieses Urteil gemäß § 7 IESG gebunden gewesen sei und sich daher zu Unrecht darüber hinweggesetzt habe. Außerdem sei das vor der Fällung des Urteiles vom Masseverwalter erklärte Teilanerkenntnis als Erklärung im Sinne des § 6 Abs. 5 IESG anzusehen, weshalb die belangte Behörde dem Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld in der anerkannten Höhe ohne weitere Prüfung hätte stattgeben müssen.

Dem Einwand der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde sei gemäß § 7 Abs. 1 IESG an das rechtskräftige Teilanerkenntnisurteil gebunden gewesen, ist entgegenzuhalten, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für den Bereich des IESG davon auszugehen ist, daß gerichtliche Entscheidungen, deren prozessuale Grundlage allein die Parteiendisposition ist (z.B. Versäumungs- und Anerkenntnisurteile), hinsichtlich der Qualifizierung eines Anspruches als gesicherten nicht bindend sind (siehe u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1979, Slg. Nr. 9992/A, vom 17. Oktober 1984, Zl. 83/11/0027 und Zl. 83/11/0171, und vom 19. April 1988, Zl. 87/11/0021). Die Bindung wurde daher nur bei solchen gerichtlichen Entscheidungen bejaht, die auf Grund eines kontradiktorischen Verfahrens ergangen sind (siehe u.a. die Erkenntnisse vom 7. Mai 1986, Zl. 85/11/0305, und vom 10. November 1987, Zl. 87/11/0107). Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auf Grund der gegenteiligen Judikatur des Obersten Gerichtshofes (vgl. u.a. das Urteil vom 14. März 1990, RdW 1990, Seite 353) nicht veranlaßt, von seiner Rechtsprechung abzugehen (vgl. dazu Schima in ZAS 1989, Seite 208 f). Die belangte Behörde hatte daher trotz des vorhandenen Teilanerkenntnisurteiles selbständig zu prüfen, ob ein gesicherter Anspruch vorliegt.

Die von der Beschwerdeführerin vertretene Auffassung, das Anerkenntnis des Masseverwalters im Feststellungsprozeß sei als Erklärung im Sinne des § 6 Abs. 5 IESG anzusehen, weshalb die belangte Behörde dem Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld in der anerkannten Höhe ohne weitere Prüfung hätte stattgeben müssen, vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil - selbst wenn man das prozessuale Anerkenntnis des Masseverwalters der Feststellung im Konkurs gleichsetzte - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Bindung der belangten Behörde an Anerkenntnisse des Masseverwalters und Feststellungen nach § 109 Abs. 1 KO gegeben wäre (siehe die hg. Erkenntnisse vom 13. Februar 1985, Zl. 84/11/0171, und vom 23. Jänner 1987, Zl. 86/11/0044, jeweils mit weiteren Judikaturhinweisen).

Mangels Bindung der belangten Behörde an das erwähnte Teilanerkenntnisurteil erübrigen sich nähere Erörterungen zu der Behauptung der Beschwerdeführerin, daß sich aus dem Teilanerkenntnisurteil die Bindung an das Vorliegen eines Angestelltendienstverhältnisses auch für die Zeit vor dem schriftlichen Angestelltendienstvertrag vom 22. Dezember 1983 (richtig: 1980) ergebe. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß die Bindung nur im Rahmen der materiellen Rechtskraft der Entscheidung eintritt, sodaß hinsichtlich der vom Urteil nicht erfaßten Ansprüche auch keine bindende Wirkung bestehen kann (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 13. Februar 1985, Zl. 84/11/0171).

Die Beschwerdeführerin führt aus, "gemäß § 69 Abs. 1 lit. c AVG wäre überdies das Teilanerkenntnisurteil als Wiederaufnahmsgrund zu bewerten, sodaß auch insofern die Bindungswirkung der belangten Behörde bestehen würde". Wenn die Beschwerdeführerin mit diesen Ausführungen das Vorliegen eines Wiederaufnahmsgrundes im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. c AVG 1950 dartun will, ist ihr zu erwidern, daß einerseits mit dem angefochtenen Bescheid nicht über einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens abgesprochen wurde - ein solcher Antrag hätte ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren vorausgesetzt - und andererseits ein Wiederaufnahmsgrund nicht vorläge, weil das Teilanerkenntnisurteil vom 15. Dezember 1988 der belangten Behörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung bereits bekannt war, wie sich aus den Sachverhaltsfeststellungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt.

Da somit die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989110173.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

15.06.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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